Die ganze Begeisterung für Witichis und die Entrüstung gegen uns würde nun im Keim erstickt, und die Goten sähen sich nicht von uns, sondern von ihrem König verraten, wenn dieser selbst schriftlich bezeugen würde, er habe die Stadt nicht an Belisar als Gotenkönig und Rebellen gegen Justinian,
sondern einfach an den Feldherrn Justinians übergeben. Jene Empörung Belisars, die ja auch wirklich ausbleibt, erscheint dann den Goten als eine bloße von ihrem König ersonnene Lüge, die Schande der Ergebung ihnen zu verhüllen.»
«Das wäre vortrefflich; aber Witichis wird das nicht tun.»
«Wissentlich schwerlich. Aber vielleicht unwissentlich. Ihr habt ihn den Vertrag doch nur im Original unterschreiben lassen?»
«Er hat nur einmal unterschrieben.»
«Diese Urkunde ist in seinem Besitz? Gut, ich werde ihn hier dies von mir aufgesetzte Duplikat unterzeichnen lassen, auf daß auch Belisar», lächelte er, «das wertvolle Schriftstück besitze.»
Prokop blickte hinein. - «Wenn er das unterzeichnet, hebt sich freilich kein gotisch Schwert mehr für ihn. Aber -»
«Laß die Aber mich besiegen. Entweder unterschreibt er heute freiwillig, im Drang des Augenblicks, ohne zu lesen» -
«Oder?»
«Oder», vollendete Cethegus finster, «er unterschreibt später. Unfreiwillig. - - Ich eile voraus. Entschuldige, wenn ich euern Triumphzug nicht begleite. Meinen Glückwunsch an Belisar.»
Aber da trat Belisar in das Zelt. Antonina folgte ihm. Er war nicht gerüstet und blickte düster vor sich hin.
«Eile, Feldherr», mahnte Prokop, «Ravenna harrt ihres Besiegers. Der Einzug -»
«Nichts von Einzug», sprach Belisar grimmig. «Ruf' die Soldaten ab. Mich reut der ganze Handel.»
Cethegus blieb an dem Ausgang des Zeltes stehen.
«Belisar!» rief Prokop entsetzt, «welcher Dämon hat dir das eingeblasen?» - «Ich!» sagte Antonina stolz, «was sagst du nun?» - «Ich sage, daß große Staatsmänner keine Frauen haben sollten!» rief Prokop ärgerlich. «Belisar entdeckte mir erst in dieser Nacht euer Vorhaben. Und ich hab' ihn unter Tränen... -»
«Versteht sich», brummte Prokop, «die kommen stets zu rechter Zeit.» - «Unter Tränen beschworen, abzustehen. Ich kann meinen Helden nicht von so schwerem Verrat befleckt sehen.»
«Und ich will's nicht sein. Lieber reit' ich besiegt im Orkus ein, denn also als ein Sieger in Ravenna. Meine Briefe an den Kaiser sind noch nicht abgegangen. - Also ist's noch Zeit.»
«Nein», sagte Cethegus herrisch, von der Tür ins Zelt schreitend. «Zum Glück für dich ist's nicht mehr Zeit. Wisse: ich habe schon vor acht Tagen an den Kaiser geschrieben, ihm alles mitgeteilt und Glück gewünscht, daß sein Feldherr ohne mindesten Verlust Ravenna gewonnen hat und den Krieg beendet.»
«Ah, Präfekt», rief Belisar. «Du bist ja sehr dienstfertig. Woher dieser Eifer?»
«Weil ich Belisarius kenne und seinen Wankelmut. Weil man dich zu deinem Glücke zwingen muß. Und weil ich ein Ende des Krieges will, der mein Italien zerfleischt.» Und drohend trat er gegen die Frau heran, die auch jetzt der dämonischen beherrschenden Gewalt seines Blickes nicht zu entgehen vermochte. «Wag' es, versuch' es jetzt! Tritt zurück, enttäusche Witichis und opfre einer Grille deines Weibes Ravenna, Italien und dein Heer. Siehe zu, ob dir das Justinianus je vergeben kann. Auf Antoninas Seele diese Schuld! Horch, die Trompeten rufen: rüste dich! Es bleibt dir keine Wahl!» Und er eilte hinaus.
Bestürzt sah ihm Antonina nach. «Prokop», fragte sie dann, «weiß es der Kaiser wirklich schon?»
«Und wenn er es noch nicht wüßte, - zu viele sind schon in das Geheimnis eingeweiht. Nachträglich erfährt er jedenfalls, daß Ravenna und Italien sein war, und - daß Belisar um die Gotenkrone, die Kaiserkrone warb. Nur daß er sie erlangt und -abgeliefert, kann ihn rechtfertigen vor Justinian.»
«Ja», sagte Belisar seufzend, «er hat recht. Es bleibt mir keine
Wahl.»
«So geh», sprach Antonina eingeschüchtert, «Mir aber sei's erlassen, bei diesem Einzug dich zu begleiten: - es ist ein
Schlingenlegen, kein Triumph!»
*
Die Bevölkerung von Ravenna, wenn auch im unklaren über die näheren Bestimmungen, war doch gewiß, daß der Friede geschlossen und den langen und schweren Leiden des verheerenden Kampfes ein Ende gemacht sei.
Und die Bürger hatten in aufatmender Freude über diese Erlösung die Trümmer, die das Erdbeben auf sehr viele Straßen geworfen, hinweggeräumt und ihre befreite Stadt festlich geschmückt. Laubgewinde, Fahnen und Teppiche zierten die Straßen, das Volk drängte sich auf den großen Fora, in den Lagunenkanälen und in den Bädern und Basiliken in freudiger Bewegung, begierig, den Helden Belisar und das Heer zu sehen, die so lange ihre Mauern bedroht und endlich die Barbaren überwunden hatten.
Schon zogen starke Abteilungen von Byzantinern stolz und triumphierend ein, während die in schwachen Zahlen überall zerstreuten gotischen Posten mit Schweigen und mit Widerwillen die verhaßten Feinde in die Residenz Theoderichs einrücken sahen.
In dem ebenfalls reichgeschmückten Königspalast versammelten sich die vornehmsten Goten in einer Halle neben den Gemächern des Königs. Dieser bereitete sich, als die für den Einzug Belisars anberaumte Stunde nahte, die königlichen Kleider anzulegen: - mit Befriedigung, denn es war ja das letztemal, daß er die Anzeichen einer Würde tragen sollte, die ihm nur Schmerz und Unheil gebracht.
«Geh, Herzog Guntharis», sprach er zu dem Wölsung, «Hildebad, mein ungetreuer Kämmerer, hat mich verlassen. Vertritt du dies eine Mal seine Stelle: die Diener werden dir im
Königsschatz die goldene Truhe zeigen, die Krone, Helm und Purpurmantel, Schwert und Schild Theoderichs verwahren. Ich werde sie heute zum ersten- und letztenmal anlegen, sie dem Helden abzuliefern, der sie nicht unwürdig tragen wird. Was gibt es dort für Lärm!»
«Herr, ein Weib», antwortete Graf Wisand, «eine gotische Bettlerin. Sie hat sich schon dreimal herangedrängt. Sie will ihren Namen dir nur nennen! Weise sie hinaus! -»
«Nein, sagt ihr, ich will sie hören: - heute abend soll sie im Palast nach mir fragen.»
Als Guntharis das Gemach verlassen, trat Bessas ein mit Cethegus. Der Präfekt hatte diesem, ohne ihn einzuweihen, die Abschrift des Vertrages übergeben, die der Gotenkönig noch unterschreiben sollte. Aus dieser unverdächtigen Hand, glaubte er, würde jener die Urkunde argloser nehmen.
Witichis begrüßte die Eintretenden. Bei dem Anblick des Präfekten flog über sein Antlitz, das heute heller als seit langen Monden glänzte, ein dunkler Schatten. Doch bezwang er sich und sprach: «Du hier, Präfekt von Rom? Anders hat dieser Kampf geendet, als wir meinten! Jedoch, du kannst auch damit zufrieden sein. Wenigstens kein Griechenkaiser, kein Justinianus wird dein Rom
Вы читаете Ein Kampf um Rom