beherrschen.»
«Und soll es nicht, solange ich lebe.»
«Ich komme, König der Goten», fiel Bessas ein, «dir den Vertrag mit Belisar zur Unterschrift vorzulegen.»
«Ich hab' ihn schon unterschrieben.» - «Es ist die für meinen Herrn bestimmte Doppelschrift.»
«So gib», sprach Witichis und wollte das Pergament aus des Byzantiners Hand nehmen.
Da trat Herzog Guntharis mit den Dienern eilfertig ins Gemach: «Witichis», rief er, «der Königsschmuck ist verschwunden.»
«Was ist das?» fragte Witichis. «Hildebad allein führte die Schlüssel davon.»
«Die ganze Goldtruhe, auch noch andere Truhen sind fort. In der leeren Nische, da sie sonst standen, lag dieser Streif Pergament. Es sind die Schriftzüge von Hildebads Schreiber.»
Der König nahm und las: «<Krone, Helm und Schwert, Purpur und Schild Theoderichs sind in meinem Gewahrsam. Wenn Belisar sie will soll er sie von mir holen.) Die Rune H - für Hildebad.»
«Man muß ihn verfolgen», sagte Cethegus finster, «bis er sich fügt.» Da eilten Johannes und Demetrius herein. «Eile dich, König Witichis», drängten sie. «Hörst du die Tubatöne? Belisar hat schon die Porta des Stilicho erreicht.»
«So laßt uns gehn», sprach Witichis, ließ sich von den Dienern den Purpurmantel, den sie statt des verschwundenen mitgebracht, um die Schultern werfen und drückte einen goldenen Reif auf das Haupt. Statt des Schwertes reichte man ihm ein Zepter. Und so wandte er sich zur Tür.
«Du hast nicht unterschrieben, Herr», mahnte Bessas.
«So gib», und er nahm die Schrift jetzt aus der Hand des Byzantiners. «Die Urkunde ist sehr lang», sagte er hineinblickend und hob an zu lesen. «Eile, König», mahnte Johannes.
«Zum Lesen ist nicht mehr Zeit», sagte Cethegus gleichgültig und reichte ihm die Schilffeder von dem Tisch. «Dann auch nicht zum Schreiben», antwortete der König. «Du weißt: ich war ein König von Bauernart, wie die Leute sagten. Bauern unterschreiben keine Zeile, ehe sie sie genau gelesen, gehen wir.» Und lächelnd gab er die Urkunde an den Präfekten und schritt hinaus. Die Byzantiner und alle Anwesenden folgten.
Cethegus drückte das Pergament zusammen: «Warte nur», flüsterte er grimmig, «du sollst doch noch unterschreiben.» Langsam folgte er den andern.
Die Halle vor dem Gemach des Königs war bereits leer.
Der Präfekt schritt hinaus auf den gewölbten Bogengang, der im Viereck den ersten Stock des Palastes umgab, und dessen byzantinischromanische Rundbogen den freien Blick in den weiten Hofraum gewährten. Derselbe war von Bewaffneten dicht gefüllt. An allen vier Toren standen die Lanzenträger Belisars. Cethegus lehnte hinter einem Bogenpfeiler und sprach, dem Gang der Ereignisse folgend, mit sich selbst: «Nun, Byzantiner genug, um ein kleines Heer gefangenzunehmen! Freund Prokop ist vorsichtig Da! - Witichis erscheint im Portal! Seine Goten sind noch weit hinter ihm auf der Treppe. Des Königs Pferd wird vorgeführt. Bessas hält dem König den Bügel. Witichis tritt heran, er hebt den Fuß. - Jetzt ein Trompetenstoß. - Die Treppentüre des Palastes fällt zu und schließt die Goten in den Treppenbau. Auf dem Dache reißt Prokop das Gotenbanner nieder. Johannes faßt seinen rechten Arm, brav Johannes. - Der König ruft: <Verrat, Verrat!) Er wehrt sich mächtig. Aber der lange Mantel hemmt ihn. - Da, da, er
strauchelt. - Er stürzt zu Boden. - Da liegt das Reich der Goten.»
*
«Da liegt das Reich der Goten!» Mit diesen Worten begann auch Prokop die Sätze, die er an diesem Abend in sein Tagebuch eintrug: «Ein wichtig Stück Weltgeschichte hab' ich heut bei Tage machen helfen und zeichne ich nun nachts hier ein.
Als ich heute das römische Heer seinen Einzug halten sah in die Tore und Königsburg von Ravenna, kam mir abermals der Gedanke: nicht Tugend oder Zahl oder Verdienst entscheidet den Erfolg in der Geschichte.
Es gibt eine höhere Gewalt, die unentrinnbare Notwendigkeit.
An Zahl und an Heldentum waren uns die Goten überlegen: und sie haben es nicht fehlen lassen an irgend denkbarer Anstrengung. Die gotischen Frauen in Ravenna schmähten heute ihre Männer laut ins Angesicht, als sie die kleinen Gestalten, die nicht zahlreichen Scharen unserer einziehenden Truppen sahen. Summa: in gerechtester Sache, in heldenmütigster Anstrengung kann ein Mann, kann ein Volk doch erliegen, wenn übermächtige Gewalten entgegentreten, die durchaus nicht immer das bessere Recht für sich haben.
Mir schlug das Herz im Bewußtsein des Unrechts, als ich das Gotenbanner heute niederriß und den Golddrachen Justinians an seine Stelle setzte, die Fahne des Unrechts erhob über dem Banner des Rechts.
Nicht die Gerechtigkeit, eine unserem Denken undurchdringbare Notwendigkeit beherrscht die Geschicke der Menschen und der Völker.
Aber den rechten Mann macht das nicht irre. Denn nicht was wir ertragen, erleben und erleiden - wie wir es tragen, das macht den Mann zum Helden. Ehrenvoller ist der Goten Untergang denn unser Sieg. Und diese Hand, die sein Banner herabriß, wird den Ruhm dieses Volkes aufzeichnen für die kommenden Geschlechter. Jedoch, wie immer dem sei: da liegt das Reich der Goten.»
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Und so schien es.
Auf das glücklichste war, dank den Maßregeln Prokops, der Streich gelungen. Im Augenblick, da auf dem Turme des Palastes die Fahne der Goten fiel und der König ergriffen ward, sahen sich die überraschten Goten überall im Schloßhof, in den Straßen und Lagunen der Stadt, im Lager von weit überlegenen Kräften umstellt: ein Rechen von Lanzen starrte ihnen überall entgegen: fast ausnahmslos legten die Betäubten die Waffen nieder: - die wenigen, welche Widerstand versuchten so die nächste Umgebung des Königs, wurden niedergestoßen.
Witichis selbst, Herzog Guntharis, Graf Wisand, Graf Markja und die mit ihnen gefangenen Großen des Heeres wurden in getrennten Gewahrsam gebracht, der König in den «Zwinger Theoderichs»: einen tiefen, starken Turm des Palastes selbst.
Belisars Zug von dem Tore Stilichos nach dem Forum des Honorius wurde nicht gestört. Im Palast angelangt, berief er den Senat, die Dekurionen der Stadt, und nahm sie in Eid und Pflicht für Kaiser Justinianus. Prokopius wurde mit den goldenen Schlüsseln von Neapolis, Rom und Ravenna nach Byzanz gesendet. Er sollte ausführlichen Bericht erstatten und für Belisar Verlängerung des Amtes erbitten bis zur demnächst zu erwartenden völligen Beruhigung Italiens und hierauf, wie nach dem Vandalenkrieg, die Ehre des Triumphes, unter Aufführung des gefangenen Königs der Goten im Hippodrom.
Denn Belisar sah den Krieg für beendet an. Cethegus teilte beinah diesen Glauben. Doch fürchtete er in den Provinzen den Ausbruch gotischen Zornes über den geübten Verrat. Er sorgte daher dafür, daß über die Art des Falles der Stadt vorläufig keine Kunde durch die Tore drang: und er suchte eifrig im Geiste nach einem Mittel, den gefangenen König selbst als ein Werkzeug zur Dämpfung des etwa neu auflodernden Nationalgefühls zu verwerten. - Auch
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