rühren.
Laß sehn, ob nicht die Furcht ihn rührt.»
«Die Furcht? Vor wem?»
«Vor Cethegus - und vor dem Unbekannten. Ungenanntes Grauen ist stets das stärkste. Natürlich hoffte ich lebhaft auf die Kaiserin. Wir kannten uns in der Jugendzeit. - Und wir wußten unsre Vorzüge zu schätzen schon damals. - Sie war das schönste Weib, das ich - bis damals gesehn. Und ich - nun: ich... -»
«War Cethegus», sagte Prokop.
«Aber bei aller alten Neigung, die sie nicht verleugnete, als ich nun wieder vor sie trat: die Kaiserin war nicht für meinen Krieg. Ich verstehe sie darin nicht recht. Sie hält es plötzlich für christlicher, Kirchen zu bauen als Städte zu verbrennen. - Woher diese Wandlung? Sie ist doch noch zu jung für die allgemeine Wanderung ihresgleichen von - nun, sagen wir, von Kypros nach Golgatha.»
«So weißt du nicht», fiel Prokop ein, «was außer Justinian und dir - verzeih: Rom geht vor Byzanz: was außer dir und Justinian - das ganze Ostreich weiß?»
Die schöne Kaiserin ist krank, ist innerlich verzehrt von einem furchtbaren Leiden. Du staunst? Ja, sie erträgt nicht nur, sie verbirgt es auch mit unerreichter Willenskraft vor Justinian. Denn dieser größte und kleinste aller Selbstlinge haßt die Kranken: er kann nichts in seiner Nähe haben, was an Leiden und Sterben mahnt.
So gewaltig ihn die Kaiserin beherrscht, - ich bin gewiß, entdeckte er ihr Leiden, er schickte sie, zärtlich besorgt, zur Heilung in die fernste Stadt der Reiches. Hat er es doch mit Germanus ähnlich gemacht, den er aufrichtig geliebt.
Darum trägt die Kaiserin Höllenqualen mit lächelndem Munde. Furchtbar sollen ihre Nächte sein. Aber bei Tage, in der Nähe des Kaisers, an der Tafel, in der Kirche, bei den Zirkusfesten birgt sie ihre Schmerzen mit übermenschlicher Kraft. Auch ihre Schönheit hat kaum merklich gelitten. Denn unerschöpflich ist das Arsenal ihrer Schönheitskünste. Nur noch zarter ist sie geworden. Aber fast noch gewaltiger an beherrschendem Geist.»
«Ein wunderbares Weib.»
«Ja, und so sehr sie im kleinen ihre Listen und Ränke pflegt: in großen Dingen, in Fragen des Staats läßt sie nie von hrer Überzeugung.»
«Nie. Oder doch nur schwer. Schon wollte der Kaiser die Friedensvorschläge der Goten annehmen: Cassiodor und - ein andrer sollten siegen über mich. - Theodora sprach nicht für den Krieg - und alles schien für mich verloren.
Da fiel mir noch im letzten Augenblick ein, auf ihre Frömmigkeit zu wirken.
Ich erfuhr durch sie selbst, daß Justinian die beiden Gesandten zu günstigem Bescheid in den Palast berufen.
Am gleichen Mittag eilte ich zu ihr und sprach: <Du bauest den Heiligen neue Kirchen mit allem deinem Golde. Du kannst doch höchstens noch hundert bauen. Und trittst du Italien den Goten ab, so entreißest du für immer mehr als tausend Kirchen
Christus, dem Gottessohn, und überweisest sie seinen verhaßten Feinden, den arianischen Ketzern. Glaubst du das wiegen deine hundert Bauten auf?> Das wirkte. Erschrocken sprang sie von dem Lager auf und rief:
<Nein, das ist eine Sünde, die ich nicht begehen will!
Sind wir zu schwach, jene Kirchen den Ketzern zu entreißen, wollen wir doch nimmermehr sie ihnen ausdrücklich zuerkennen. Niemals darf der Kaiser ihnen Italien friedlich überlassen! Danke dir, Cethegus: manche gemeinsame Sünde unsrer Jugend werden uns die Heiligen vergeben, weil du mich abgehalten von dieser schwersten Sünde.>
Und sie lud ihren Gemahl zu sich zur Tafel: und unter ihren Blumen, Gebeten und Küssen entbrannte Justinianus aufs neue für die Sache Christi, verwarf die Friedensvorschläge, und der weise Cassiodor zog unverrichteter Dinge ab.
Der Friede ist verhütet. Den Krieg sofort zu erzwingen hab' ich noch kein Mittel. Aber ich werde es finden. Denn Rom muß frei werden von den Barbaren.»
Und ruhig hielt Cethegus inne, ergriff den Becher und trank: aber in ihm loderte tief verhaltne Leidenschaft.
Achtes Kapitel
Prokopius legte ihm die Hand auf die Schulter und sprach: «Höre, Cethegus, ich staune. Ich staune, daß in unsrer Zeit des Niedergangs in einer Männerbrust noch solche Kraft wohnt.
Und solches Feuer glüht für ein hohes, uneigennütziges Ziel, wie die Freiheit Roms. Sei dieses Ziel immerhin, wie ich glaube, ein glänzendes Traumbild. Und weil dies Ziel nicht ein selbstisches: darum verzeihe ich dir die mancherlei krummen, dunkeln Pfade, auf denen du gewandelt bist. Und andre Leute, wie zum Beispiel Belisar und mich, hast wandeln lassen, durch
Arglist und Frevel hindurch. Von dem Tage an, da ich dein Ziel als ein selbstisches erkennen müßte - bei aller Bewunderung deines Geistes, deiner Kraft - ich müßte dir die alte Freundschaft kündigen.»
Cethegus aber lachte. «Hör' ich noch immer aus deinem Mund die halb platonische, halb christliche Ethik, wie in der Schule zu Athen! Alter Zögling du des Kaiserhofes und des Feldlagers? -Hast du noch immer diese Mädchen-Moral?
Selbstisch - Unselbstisch? - Was, wer ist denn unselbstisch? Wer kann es sein? Jeder will in jedem Augenblick, was er wollen muß.
Ob ich der Befreier Roms werden will oder etwa sein Tyrann -: beides ist gleich selbstisch. Denn die Liebe ist die größte, weil die süßeste Selbstsucht.»
«Und Christus? Starb er vielleicht auch aus Selbstsucht?»
«Gewiß: aus einer edeln Schwärmerei! Sein Egoismus galt der Menschheit! Sie hat ihm danach vergolten: gekreuzigt haben sie ihn für seine Liebe. Wie Justinian Belisar, wie Rom Cethegus vergilt. Die Selbstsucht der Schwächlinge ist erbärmlich: die der Starken großartig. Das ist der einzige Unterschied der Menschen.»
«Nein, Freund! Das ist die Sophistik einer starken Leidenschaft. Das Höchste ist: das Gute nur durch gute Mittel anstreben. Zu diesem Höchsten ist Prokop zu klein, die Zeit zu schwach.
Aber laß uns wenigstens durch böse Mittel nur dem Guten dienen: nicht dem Bösen, nicht der Selbstsucht. Wehe mir, wenn ich einst an dir irre werden müßte. Ich glaube an den Schwerthelden Belisar, an den Geisteshelden Cethegus. Wehe, wenn mir aus meinem Heros Cethegus einst ein Dämon würde. Ich begreife, daß die Menschen dich scheuen, dich fürchten wie Luzifer, den gefallnen Engel des Morgensterns. <Alle seine Feinde erliegen vor ihm>, sagte mir einst Antonina, die dich abergläubisch fürchtet. Und sie hat recht. Gothelindis, Petros, unser pfiffiger Schulkamerad, der jetzt Marmor sägt und Steine klopft bei den Hunnen, Papst Silverius, den der Kaiser immer noch auf Sizilien gefangen hält, wie Scävola und Albinus: - dem hat er seine Seele, d. h. sein Geld genommen.»
«Ich könnte die Beispiele noch mehren», sagte Cethegus, die Brauen zusammenziehend. «Aber ich will die zürnenden Schatten nicht heraufbeschwören aus ihrer Grabesruhe. Nur den dicken Balbus», lachte er, «will ich erwähnen. Ich hatte ihm die Ehre zugedacht, wie Gottes Sohn zu sterben.
Aber er hat sich seinem Gott, d. h. seinem Bauch freiwillig geopfert. Von Quintus
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