stieg der Kaiser in ein tieferes Geschoß und in den großen Beratungssaal des Palastes, den «Saal von Jerusalem».

Dieser trug seinen Namen von den Porphyrsäulen, Onyxschalen, Goldtischen und zahllosen Goldgeräten, die an den Wänden und auf Halbsäulen angebracht, der Überlieferung nach dereinst den Tempel von Jerusalem geschmückt. Von dort hatte Titus nach der Eroberung der Stadt diese Schätze nach Rom entführt. Aus Rom hatte sie der Meerkönig Geiserich auf seinen vandalischen Drachenschiffen, gleichzeitig mit der Kaiserin Eudoxia, nach seiner Hauptstadt Karthago getragen. Und nun hatte sie Belisar aus Afrika dem Kaiser des Ostreichs zugeführt.

Die Kuppel des Saales war dem Himmelsgewölbe nachgebildet, aus kostbaren blauen Halbedelsteinen zusammengefügt: und außer der Sonne, dem Mond, dem Auge Gottes, dem Lamm, dem Fisch, den Vögeln, der Palme, der Rebe, dem Einhorn und andern christlichen Sinnbildern war der ganze Zodiakus, und waren zahllose Sterne aus massivem Golde in die Mosaikarbeit eingelassen. Die Kosten dieser Kuppel allein schlug man in Byzanz so hoch an als das Gesamterträgnis der Grundsteuer des ganzen Reiches für fünfundvierzig Jahre.

Gegenüber den drei hohen Eingangsbogen, die von Vorhängen geschlossen und außerhalb des Saales - er war der einzige Eingang - von der kaiserlichen Leibwache der «Goldschildner» in dreifacher Kette gehütet waren, erhoben sich in der Tiefe des halbrunden Saales der Thron des Kaisers und, links von diesem, etwas niedrer, der der Kaiserin.

Als Justinian den Saal betrat mit großem Gefolge der Palastdiener, warfen sich alle Versammelten, die höchsten Würdenträger des Reiches, auf das Antlitz zu demütiger Proskynese.

Auch die Kaiserin erhob sich, beugte tief das Haupt und kreuzte die Arme auf der Brust. Ihre Kleidung war der des Gemahls ganz ähnlich: auch ihre weiße Stola überwallte der Purpurmantel, dem jedoch der kaiserliche Clavus fehlte. Auch sie trug ein Zepter, aber nur ein ganz kurzes, aus Elfenbein.

Einen matten, aber verachtungsvollen Blick warf die Herrscherin über die Patriarchen, Erzbischöfe, Bischöfe, Patrizier und Senatoren, welche, über dreißig an der Zahl, die im Halbkreis ausgestellten goldnen Stühle mit den Seidenpolstern füllten.

Durch den in der Mitte den Saal teilenden Gang schritt nun Justinianus und bestieg mit raschem, sicherem Schritt seinen Thron, das Zepter schwingend.

Zwölf der ersten Palastbeamten standen auf den Stufen der beiden Throne, weiße Stäbe in den Händen. Trompetenschall gab nun den auf das Antlitz Gesunkenen das Zeichen, sich zu

erheben.

«Wir haben auch berufen», hob der Kaiser an, «heilige Bischöfe und erlauchte Senatoren, in schwerer Sache euren Rat zu hören. Aber warum fehlt unser Magister Militum per Orientem, Narses?»

«Er ist gestern erst aus Persien eingetroffen - er liegt schwer krank zu Bett», meldete der Proto-Keryx.

«Unser Quästor sacri palatii Tribonianus?»

«Ist noch nicht zurück von deiner Sendung nach Berytus um die Codices.»

«Warum fehlt Belisarius, unser Magister Militum per Orientem extra Ordinem?»

«Er wohnt nicht in Byzanz, sondern drüben in Asien, in Sycae, im roten Hause.»

«Er hält sich sehr abseits im roten Hause. Das mißfällt uns. Was entzieht er sich unserem Blick?»

«Er war dort nicht zu finden.»

«Auch nicht im Hause seines Freigelassenen Photius, im Muschelhaus?»

«Er war auf die Jagd geritten, die persischen Jagd-Leoparden zu erproben», sagte Leo, der comes spathariorum.

«Er ist nie da, wenn man ihn braucht. Und immer, wenn man ihn nicht braucht. Ich bin nicht zufrieden mit Belisarius. - -Vernehmt nun, was geschehen, was uns in den letzten Tagen durch viele Briefe zuging: zuletzt sollt ihr auch mündlichen Bericht der Boten hören. -

Ihr wißt: wir haben den Krieg in Italien einschlafen lassen, weil wir andre Aufgaben hatten für unsre Feldherrn. Ihr wißt: der Barbarenkönig bat um Frieden, um Überlassung Italiens. Wir wiesen das damals ab, gelegene Zeit erwartend.

Antwort hat der Gote nicht in Worten, in sehr verwegnen Taten gegeben. Ihr wißt noch nicht davon: - niemand in Byzanz

- wir behielten die Nachricht für uns, sie unmöglich, oder doch übertrieben erachtend. Aber wahr ist alles, was gemeldet ward: vernehmt, und dann erteilet Rat.

Eine Flotte und ein Heer hatte der Barbarenkönig nach Dalmatien geschickt in aller Heimlichkeit und Eile. Die Flotte lief in den Hafen von Muicurum bei Salona, und das gelandete Heer nahm die feste Stadt mit Sturm. Ebenso überraschte die Flotte die Seestadt Laureata.

Claudianus, unser Befehlshaber zu Salona, schickte zahlreiche und stark bemannte Dromonen, den Goten die Stadt wieder zu entreißen. Aber in einer großen Seeschlacht schlug ein Gotenherzog - Guntharis - diese unsere Flotte dermaßen, daß er alle Dromonen ohne Ausnahme eroberte und siegreich in den Hafen von Laureata einführte.

Eine zweite Flotte von vierhundert großen Schiffen rüstete der König bei Centumcellä aus. Sie war meistenteils gebildet aus unsern Dromonen, die, vom Orient aus nach Sizilien für Belisar gesendet, in Unkenntnis, daß die italischen Häfen wieder in der Hand der Goten, mit aller Bemannung und Ladung waren weggenommen worden von einem Gotengrafen - Grippa. Das Ziel auch dieser neu geschaffenen Flotte war unbekannt.

Plötzlich erschien der Barbarenkönig selbst mit dieser Flotte vor Regium, der festen Hafenstadt an der äußersten Südspitze Bruttiens, die wir gleich bei der ersten Landung gewonnen und seither nicht wieder verloren hatten. Nach tapferm Widerstand ergaben sich die Heruler und Massageten unserer Besatzung.

Der Tyrann Totila aber wandte sich nun rasch nach Sizilien, diese früheste Eroberung Belisars uns wieder zu entreißen. Er schlug den Römer Comes Dommentiolus, der ihm ins offene Feld entgegentrat, und gewann rasch das ganze Eiland. Nur Messana, Panormos und Syracusä schützten noch ihre festen Mauern. Eine Flotte, die wir zum Schutze, zur Wiedergewinnung von Sizilien aussandten, zerstreute der Sturm.

Eine zweite blies der Nordwest in den Peloponnes zurück.

Gleichzeitig segelte eine dritte Trierenflotte dieses unerschöpflichen Königs unter einem Grafen Haduswinth gegen Corsica und Sardinia. Die erstere Insel fiel alsbald den Goten zu, nachdem die kaiserliche Besatzung ihrer Hauptstadt Aleria in offener Schlacht geschlagen war. Der reiche Corse Furius Ahalla, dem der größte Teil des Eilands gehörte, war zwar fern in Indien. Aber seine Institoren und Colonen waren angewiesen, im Fall einer Landung der Goten diesen keinen Widerstand, sondern beste Förderung zu leisten.

Von Corsica wandten sich die Barbaren nach der Insel Sardinia. Hier schlugen sie bei Karalis die Truppen, die unser Magister Militum von Afrika zur Beschützung der Insel herübergeschickt. Und sie nahmen diese Stadt, wie Sulci, Castra Trajani und Turres in Besitz.

Auf beiden Eilanden aber, auf Corsica und auf Sardinia, richten sich die Goten häuslich ein. Sie behandeln dieselben als dauernd erworbene Zubehörden ihres Reiches in Italien. Sie setzen Gotengrafen in allen Städten ein. Und sie erheben nach gotischem Verfassungsrecht die Steuern. Diese sind -unbegreiflich -! - viel geringer als die unseren. Und die Untertanen dort erklären schamlos: sie zahlen lieber den Barbaren fünfzig als uns neunzig.

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