Steuerkassen, o Kaiser, unter die Landleute verteilen, deren Felder durch den Krieg gelitten. Er gibt den Männern die Weiber unversehrt zurück, die diese in die Wälder geflüchtet und seine Reiter, die allgegenwärtigen, gefunden haben. Er reitet unter Harfenspiel eines schönen
Knaben, der ihm des Rosses Zügel führt, in die Dörfer ein. Weißt du, was die Folge ist? Deine eignen Untertanen, o Kaiser der Romäer, fallen ihm zu, tragen ihm Kundschaft, liefern ihm deine Beamten, die deinen strengen Steuergeboten gehorchten, in Ketten aus. So mich selber die Bauern und Colonen von Dodona.
Dieser Barbar ist der größte Schauspieler des Jahrhunderts. Denn Wahrheit kann's nicht sein.
Dieser kluge Heuchler hat aber zu noch viel mehr Dingen Verstand als zum Zuschlagen. Er hat mit den fernen Persern, mit deinem Erzfeind Choroes, Verbindungen angeknüpft zu gegenseitiger Waffenhilfe wider dich. Wir haben selbst die persischen Gesandten gesehen, die aus seinem Lager wieder ostwärts ritten.»
Der Makedonen-Hauptmann aber sprach: «Beherrscher der Romäer: seit Graf Teja die Heerstraße von Thessalonike gewonnen hat, steht nichts mehr zwischen deinem Thron und seiner schrecklichen Streitaxt als die Mauer dieser Stadt. Wer die <neuen Mauern> dort achtmal nacheinander bestürmt und aufs neuntemal erstiegen hat, der ersteigt aufs zehntemal die Wälle von Byzanz. Nur mit siebenfacher Übermacht hältst du die Goten auf. Hast du die nicht, dann schließe Friede.»
«Friede! Friede! Wir flehen dich an im Namen deiner zitternden Provinzen Epirus, Thessalien, Makedonien.»
«Schaff uns die Goten aus dem Lande!»
«Laß nicht Alarichs, Theoderichs Tage sich schrecklicher erneuern.»
«Friede mit den Goten! Friede! Friede!»
Und alle die Gesandten, Bischöfe, Beamten, Krieger sanken auf die Knie mit dem flehenden Rufe: «Friede!»
Denn furchtbar war der Eindruck dieser Nachrichten auf die Versammlung.
Wohl kam es oft vor, daß an den äußersten Marken des Reiches Perser und Sarazenen im Osten, Mauern im Süden, Bulgaren und Slawen im Nordwesten plündernd über die Grenze brache n, auch wohl die nächsten Truppen schlugen und mit ihrem Raub ungestraft wieder entkamen.
Aber, daß auf die Dauer griechische Inseln von den Feinden besetzt, daß griechische Küstenstädte von Barbaren gewonnen und verwaltet, daß die Straßen von Byzanz von Germanen beherrscht wurden, - das war seit acht Jahrzehnten unerhört.
Mit Entsetzen gedachten die Senatoren der Tage, da gotische Schiffe und gotische Heere alle griechischen Inseln überzogen und wiederholt die Wälle von Byzanz bestürmten, nur durch Erfüllung aller ihrer Forderungen von der Erstürmung abzubringen: schon hörten sie die Beilschläge des schwarzen Teja an die Tore pochen. So lag der Ausdruck hilfloser Furcht auf allen Gesichtern.
Ruhig prüfend blickte Justinian zur Rechten und zur Linken auf die Reihen.
«Ihr habt gehört», begann er dann, «was Kirche, Staat und Heer verlangen. Ich fordre nun euren Rat. Waffenstillstand haben wir schon erreicht. Soll neuer Krieg, soll Friede daraus werden? Ein Wort erkauft den Frieden: Abtretung des doch verlornen Italiens. Wer von euch für den Krieg, erhebe seinen Arm.»
Kein Arm erhob sich.
Denn die Senatoren bangten für Byzanz; und sie hatten an der Friedensneigung des Kaisers keinen Zweifel.
«Einstimmig wählt mein Senat den Frieden. Ich sah's voraus», sagte Justinian mit einem seltsamen Lächeln. «Ich bin gewohnt, stets meinen weisen Räten zu folgen. Und meine Kaiserin?»
Da sprang Theodora wie eine bäumende Schlange von ihrem Sitz und schleuderte ihr elfenbeinernes kurzes Zepter so heftig von sich, daß es weit in den Saal hinabflog.
Schreck malte sich in den Zügen der Senatoren.
«So fahre hin», rief sie mit aller Anstrengung, «was mein Stolz gewesen, jahrelang: mein Glaube an Justinian und seine Kaiserhoheit! So fahre hin jeder Anteil an der Sorge für das Reich und seine Ehre. Wehe, Justinianus, wehe mir und dir, daß ich solche Worte hören mußte aus deinem Mund!»
Und sie verhüllte das Haupt in ihren Purpurmantel, die Schmerzen bergend, welche die Erregung ihr verursacht.
Der Kaiser wandte sich zu ihr: «Wie, die Augusta, unsre Gemahlin, die seit Belisars zweiter Heimkehr immer zum Frieden riet - mit kurzer Ausnahme -, sie rät, jetzt, in solchen Gefahren...?»
«Krieg!» rief Theodora, den Purpur fallenlassend.
Und ihr Angesicht wurde schön in hohem Ernst, wie es nie war in spielendem Scherz.
«Muß ich, dein Weib, dich mahnen an deine Ehre?
Du willst es dulden, daß Barbaren in deinem Reiche sich festsetzen, dich durch Bedrohung zu ihrem Willen zwingen? Du, der geträumt von Wiederherstellung des Reiches Constantins? Du, Justinianus, der du die Namen Persicus, Vandalicus, Alanicus und Goticus dir zugelegt, willst dulden, daß dieser gotische Jüngling dich am Barte dahin zerrt, wohin er will? Dann bist du nicht der Justinianus, den seit Jahren die Welt, Byzanz, Theodora bewundert. Ein Irrtum war unsere Verehrung.»
Da ermannte sich der Patriarch von Byzanz - er glaubte immer noch, der Kaiser habe den Frieden bereits unwiderruflich beschlossen - zum Widerstand gegen die Kaiserin, die leider nicht immer haarscharf die von ihm gerade vertretene, feine Schattierung der Rechtgläubigkeit traf.
«Wie», sprach er, «die erhabne Frau rät zum blutigen Krieg? Wahrlich, die heil'ge Kirche hat nicht Ursache, für die Ketzer zu sprechen. Indessen: der neue König ist wunderbar mild gegen die Katholiken in Italien, und man kann ja gelegnere Zeit abwarten, bis... »
«Nein, Priester», unterbrach Theodora, «die beschimpfte Ehre dieses Reiches kann nicht warten. O Justinianus» dieser schwieg immer noch beharrlich und schloß die Augen, auf daß deren Ausdruck nicht seine Stimmung verrate. «O Justinianus, laß mich, laß die Welt nicht irre an dir werden. Du darfst dir nicht schimpflich abtrotzen lassen, was du der Bitte verweigert! Muß ich dich mahnen, wie schon einmal deines Weibes Rat und Kraft und Mut dich, deine Ehre, deinen Thron gerettet hat?
Hast du vergessen den furchtbaren Aufstand der Nika?
Vergessen, wie die vereinten Parteien des Zirkus, die Grünen und die Blauen, der rasende Pöbel von Byzanz heranwogte gegen dieses Haus?
Die Flammen und die Rufe: <Nieder die Tyrannen!> schlugen zusammen über diesem Dach. Flucht oder Nachgeben rieten dir alle deine Räte, alle diese heiligen Bischöfe und weisen Senatoren, auch deine Heerführer. Denn Narses war fern in Asien. Und Belisar war schon eingeschlossen von den Rebellen im Meerpalast.
Alle verzagten sie, die Männer.
Da war dein Weib, Theodora, der einzige Held an deiner Seite. Gabst du nach oder flohest du, so war dein Thron, dein Leben, ganz gewiß aber deine Ehre verloren. Du schwanktest, du neigtest zur Flucht.
<Bleib und, wenn es sein muß, stirb>, sagte ich damals, Justinian, <aber stirb im Purpur.>
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