Aber nicht genug.
Nordöstlich heraufsegelnd von Sizilien vereinte der Tyrann Totila sein Geschwader mit einer vierten Flotte unter Graf Teja auf der Höhe von Hydrus. Eine dieser vereinten Flotten, unter Graf Thorismut, landete auf Corcyra, nahm die Insel in Besitz und gewann von dort aus alle umliegenden Eilande, zumal die Sybotischen Inseln.
Aber noch nicht genug.
Der Tyrann Totila und sein Graf Teja griffen bereits das Festland unseres Reiches an.»
Ein Murmeln des Schreckens unterbrach hier den kaiserlichen Redner.
Finster und grimmig fuhr dieser fort: «Sie landeten in dem Hafen von Epirus vetus, eroberten die Städte Nikopolis und Anchisus, südwestlich von dem alten Dodona, und nahmen eine Menge unserer Schiffe in jenen Küstengewässern weg. Das bisher Mitgeteilte mochte nur euren Unwillen erregen über die Verwegenheit der Barbaren. Aber nun vernehmt, was euch anders ergreifen mag. Kurz gesagt und klar, - nach den gestern hier eingetroffenen Boten ist es gewiß: Die Goten sind in vollem Anzug auf Byzanz.»
Da sprangen einzelne der Senatoren von ihren Stühlen.
«In doppeltem Angriff. Ihre versammelten Geschwader, von Herzog Guntharis, den Grafen Markja, Grippa und Thorismut geführt, haben in zweitägiger Seeschlacht unsre Flotte der Inselprovinz geschlagen und in die Meerenge von Sestos und Abydos getrieben.
Ihr Landheer aber, unter Totila und Teja, zieht quer durch Thessalien über Dodona gegen Makedonien: schon ist Thessalonike bedroht. Die <neuen Mauern>, die wir dort gebaut, hat dieser Graf Teja gestürmt und geschleift.
Die Straße nach Byzanz liegt ihnen offen. Und kein Heer steht mehr zwischen uns und den Barbaren. All unsere Truppen liegen an der Persergrenze.
Und nun vernehmt, was uns der Barbarenkönig bietet. Glücklicherweise hat ihn ein Gott betört und unsre Schwäche ihm verhüllt.
Hört es: er bietet uns abermals den Frieden unter den gleichen Bedingungen wie vor Monaten.
Nur Sizilien verlangt er jetzt dazu. Aber alle andern Eroberungen will er ohne Schwertstreich räumen, wenn wir ihn nur in Italien anerkennen.
Da ich gar kein Mittel, weder Segel noch Kohorte, hatte, ihn aufzuhalten, rückte er vor, so habe ich einstweilen Waffenstillstand gefordert. Diesen nahm er an, unter der Voraussetzung, daß der Friede unter jenen Bedingungen geschlossen werde.
Das sagte ich zu.»---
Hier warf er einen prüfenden Blick auf die Versammlung, auch einen Seitenblick auf seine Kaiserin.
Die Versammelten atmeten sichtlich auf.
Die Kaiserin schloß die Augen, deren Ausdruck zu verbergen. Sie drückte die kleine Hand krampfhaft auf die goldne Lehne ihres Throns.
«Nur unter dem Vorbehalt, noch meiner Gemahlin, die zuletzt nur noch für den Frieden sprach, und meines weisen Senates Meinung zu vernehmen. Ich fügte bei, ich sei dem Frieden geneigt.»
Da glätteten sich die Gesichter bedeutend.
«Und ich glaubte, das Urteil meiner Räte voraussagen zu können. Daraufhin machten die vordringenden Reiter Graf Tejas auf Befehl des Königs widerwillig halt vor Thessalonike: leider nahmen sie noch vorher den Bischof der Stadt gefangen. Aber sie sandten ihn mit andern Gefangnen, mit Boten und Briefen hierher, vernehmt sie selbst. Dann fasset euren Entschluß. Bedenkt aber dabei, daß die Barbaren in wenigen Tagen vor unsern Toren stehen, verwerfen wir den Frieden.
Und daß wir nur abtreten sollen, was das Reich seit vielen Jahrzehnten aufgegeben hatte, und was zwei Feldzüge Belisars nicht wiedergewinnen konnten: Italien. Führt nun die Boten ein.»
Durch die Eingangsbogen wurden nun von den Leibwachen hereingeleitet Männer in geistlicher, in Amts- und Kriegertracht.
Sie warfen sich vor Justinians Thron nieder unter Zittern und
Seufzen, auch Tränen fehlten nicht. Auf einen Wink erhoben sie sich wieder und stellten sich vor den Stufen des Thrones auf.
«Eure Bittbriefe und Klageberichte», sprach der Kaiser, «hab' ich gestern schon durchlesen. Protonotarius, verlies nur den einen, den gemeinsamen des gefangenen Bischofs von Nikopolis und des verwundeten Comes von Illyricum, - der ist seither seinen Wunden erlegen. -»
«An Justinianus, den unbesiegbaren Kaiser der Romäer. Dorotheos, Bischof von Nikopolis, und Nazares, comes per Illyricum.
Der Ort, wo wir dies schreiben, ist der beste Beweis für den Ernst unsrer Worte. Wir schreiben dies an Bord des Königsschiffs des Gotenfürsten, <Italia> mit Namen. Bekannt ist dir wohl, wann du diese Worte liesest, der Flotten Niederlage, der Inseln Verlust, der <neuen Mauern> Erstürmung, des Landheeres von Illyricum Zerstreuung.
Rascher als die Boten, rascher als die Flüchtlinge von diesen großen Schlachten haben uns die gotischen Verfolger erreicht. Nikopolis hat der Gotenkönig erobert und verschont. Anchius hat Graf Teja erobert und verbrannt.
Ich, Nazares, diene dreißig Jahre in Waffen: nie hab' ich solchen Angriff gesehen, wie den, bei welchem Graf Teja mich im Tore von Anchisus niederschlug. - Er ist unbezwingbar! Seine Reiter fegen durch alles Land von Thessalonike bis Philippi.
Die Goten im Herzen von Illyricum! Seit sechzig Jahren ist es unerhört! Und der König hat geschworen, alle Jahre wiederzukehren, bis er den Frieden hat oder - Byzanz. Seit er Corcyra hat und die Syboten, steht er auf der Brücke in dein Reich. Und da Gott das Herz dieses Königs gerührt hat, daß er dir Frieden bietet um billigen Preis - ja nur um den Preis, den er schon hat flehen wir dich an, im Namen deiner zitternden Untertanen, deiner rauchenden Städte: schließe Frieden. Rette
uns und rette Byzanz!
Denn eher werden deine Feldherrn Belisar und Narses die Morgensonne und den Nordsturm aufhalten auf ihren Bahnen als den König Totila und diesen fürchterlichen Teja.»
«Beide Briefschreiber waren gefangen», unterbrach der Kaiser. «Sie reden vielleicht aus Furcht vor der Barbaren Todesbedrohung. Sprecht nun ihr: du, ehrwürdiger Bischof Theophilos von Thessalonike, du, Logothetes von Dodona, Anatolius, du, Parmenio, tapfrer Führer der makedonischen Lanzen, ihr seid hier sicher in unsrem kaiserlichen Palast, aber ihr habt die Barbarenführer gesehn: - was ratet ihr?»
Da warf sich der greise Bischof von Thessalonike abermals auf die Knie und sprach:«O Kaiser der Romäer: der Barbarenkönig Totila ist ein Ketzer. Und ewig verdammt. Das könnte mich irre machen an den Grundlehren der Kirche. Denn nie sah ich einen Mann so reich geschmückt mit allen christlichen Tugenden. Ringe nicht mit ihm! Im Jenseits ist er verworfen auf ewig. Aber - ich kann es nicht fassen - auf Erden segnet die Gnade Gottes alle seine Schritte: er ist unwiderstehlich.»
«Ich fass' es wohl», fiel Anatolius, der Logothetes, ein, «Schlauheit gewinnt ihm die Herzen: tiefste Heuchelei, Verstellung, die all unsre viel gerühmte und gescholtene Griechenklugheit übertrifft. Der Barbar spielt die Rolle des erbarmenden Menschenfreundes so unübertrefflich täuschend, daß er beinahe auch mich getäuscht hätte, bis ich mir sagte, daß es dergleichen in der Welt nicht geben könne, was dieser Gote spielt wie ein Mime. Er tut, als ob er wirklich Erbarmen habe mit besiegten Feinden! Er speist die Hungernden, er läßt das erbeutete Geld deiner
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