Und das Geschlecht der Manilier und der Balte Alarich haben es verspürt, daß ich nicht tot war. Geächtet flohen sie alle aus dem Lande, schwer getroffen von meiner Rache. Nur ein Bild blieb unvergleichlich, rührend schön in meiner Seele. -

Und abermals nach Jahren kam ich reisend nach Gallien an den Rhodanus. Da war Krieg entbrannt zwischen den Barbaren. Franken und Burgunden waren eingefallen in das Gallien der Goten und hatten eine Villa am Rhodanus zerstört. Und als ich die gestürzten Säulen des Atriums und den zertretenen Garten betrachtete, lief ein kleiner Knabe aus dem Innenhause und weinte und rief mich an: <Hilf, o Herr, denn meine Mutter stirbt!»»

«O Cethegus», rief Julius mit schmerzerstickter Stimme.

«Und ich drang in das Haus, das noch dampfte von kaum erloschenem Feuer. Da lag im Frauengemach ein bleiches Weib, einen Pfeil in der Brust. Und sonst war das Haus leer: die Sklaven waren geflohen oder fortgeschleppt. Und ich kannte die sterbende Frau: und ihr Kind hieß Julius. Ihr Gatte war bald nach deiner Geburt gestorben. Und die Sterbende schlug die Augen auf, da sie meine Stimme vernahm.

Denn sie liebte mich noch immer.

Und ich gab ihr Wein und Wasser aus meinem Helm zu trinken. Und sie trank und dankte und küßte mich auf die Stirn und sprach: <Habe Dank, Geliebter! Sei du meines Knaben Vater: versprich es mir.>

Und ich versprach es ihr in die erkältende Hand. Und küßte sie und schloß ihr die gebrochenen Augen.

Und ob ich mein Wort gehalten an dem Knaben: - du magst entscheiden.»

Und der eiserne Mann drückte mit Gewalt die Brust, die mächtig atmende, zusammen.

Julius brach in einen Strom von Tränen aus: «O meine Mutter!» rief er.

Totila aber schritt bewegt in der Rotunde auf und nieder.

Cethegus fuhr fort: «Und nun: - wähle!

Wähle zwischen mir und deinem <unbefleckten> Freund.

Aber wisse: die Taten, die dir nicht gefallen, hab' ich zumeist für dich getan. Laß mich denn einsam - wende dich von mir: -geh' zu ihm, ich halte dich nicht mehr.

Jedoch wenn mich Manilias Schatte nach dir fragt, werde ich wahrheitstreu antworten: <Ein Vater war ich ihm: - er mir kein Sohn>.»

Julius verhüllte sein Haupt im Mantel.

Totila aber machte halt vor dem Präfekten und sprach: «Unväterlich zerfleischest du sein Herz. Du siehst ihn hin und her gezerrt von widerstreitenden Gefühlen. Auf, ich weiß ein Mittel, die Wahl ihm zu sparen. Auf, Cethegus, enden wir allein den drohenden Krieg. Ein zweiter Gotenkönig ladet dich zum Zweikampf.

Hier, im Antlitz deines Lieblings, schelt' ich dich: Lügner, Fälscher, Verräter, Mörder, ehrloser Neiding.

Des Bruders Blut bluträchend heisch' ich von dir.

Heraus dein Schwert, wenn du ein Mann. Laß uns, um Leben,

Rom und Julius fechtend, in kurzem Kampf den langen Haß vollenden. Verteidige dich!»

Und in wild aufloderndem Haß rissen beide die Schwerter aus den Scheiden: zum zweitenmal kreuzten sich die Klingen.

Und abermals warf sich Julius zwischen die Ergrimmten mit ausgebreiteten Armen.

«Haltet ein, ihr grausamen Männer der Hasses und der Welt. Jeder Streich trifft in mein blutend Herz. Hört mich an: gefaßt ist mein Entschluß. Ich fühl's: der Geist meiner Mutter gab ihn mir ein.»

Grollend senkten die beiden Feinde die Schwerter, ohne sie einzustecken.

«Cethegus, ein Vater bist du mir gewesen mehr als zwei Jahrzehnte. Was du gefrevelt und getan, - nicht dem Sohne ziemt zu richten. Ich fasse deine Hand liebevoll: - und wäre sie noch tiefer in Mord getaucht meine Tränen, mein Gebet sollen sie reinigen.»

Totila trat zürnend einen Schritt zurück, und des Präfekten Auge leuchtete auf in Siegesfreude.

«Aber nicht ertragen kann ich», fuhr der Mönch fort, «dein furchtbares Wort: um meinetwillen, für mich habest du getan, was du verbrochen. Wisse, nie, niemals, selbst wenn es sonst mich lockte, - mich aber lockt die Dornenkrone von Golgatha, nicht die blutbefleckte Krone Roms könnt' ich dein Erbe antreten, an welchem solche Flüche hangen. Ich bin dein: - aber sei du auch meines Gottes: sei mein, nicht der Welt und der Hölle eigen. Wenn du mich wirklich liebst, entsage deinen verbrecherischen Plänen. Aber mehr - mehr: du mußt bereuen. Ohne Reue und Buße keine Erlösung.

Und ich will mit Gott ringen im Gebet, bis er dir vergibt. Widerrufe in Gedanken deine Taten.»

«Halt an», sprach Cethegus, sich hoch aufrichtend. «Was sprichst du da von Reue, der Knabe zum Mann, zum Vater der Sohn? Laß du ruhig meine Taten auf meinem Haupt: ich habe sie zu tragen, nicht du.»

«Nein, Cethegus, nimmermehr. Wenn du beharrst, kann ich dir nicht folgen. Bereue, - beuge dich, - nicht vor mir, wahrlich: vor Gott dem Herrn.»

«Ha», lachte Cethegus, «sprichst du zu einem Kinde?

Alles, was ich getan, - wär's ungeschehn: - ich würd' es alles, alles noch mal tun.»

«Cethegus», rief Julius entsetzt, «welch schrecklich Wort! Glaubst du denn wirklich nicht an einen Gott?»

Aber gereizt fuhr Cethegus fort: «Bereuen! Bereut das Feuer, daß es brennt? Du kannst es nur ersticken: nicht hemmen, daß es brennt, solang es lebt. Lob' es, schilt es, wie du willst: doch laß es Feuer sein! So muß Cethegus den Gedanken folgen, die wie der Lauf des Blutes durch sein Haupt rinnen. Ich will nicht, ich muß wollen. Und, wie der Gießbach niederschäumt von Bergeshöhn, bald durch blumige Wiesen, bald durch schroffes Gezack, bald segnend befruchtend, bald tödlich zerstörend, ohne Wahl, ohne Vorwurf, ohne Dankrecht: - so reißt mich das Geschick dahin den Weg, den Eigenart und die gegebene Zeit und Welt um mich her vorzeichnen. Soll ich bereuen, was ich auf meinem Weg zerstört, zerstören mußte? Ich tät' es immer wieder.»

«Entsetzlicher! In diesen Worten weht der Hauch der Hölle! Wie kannst du erlöst werden, wenn du nicht erkennst, daß du gesündigt? Des Menschen Wille ist frei.»

«Ja, so frei wie der geworfene Stein, der sich einbildet, er könne fliegen.»

«O fürchte, Cethegus, fürchte den lebendigen Gott!»

Aber, grimmiger als zuvor, lachte Cethegus. «Ha, wo ist er denn, dieser lebendige Gott?

Ich habe, den Himmel entlang, den Gang der Gestirne, ich habe die grausame Natur, ich habe die grausamere Geschichte der Menschen durchforscht und keinen Gott gefunden als das Recht des Stärkeren, die Notwendigkeit, die furchtbar erhabene Göttin, deren Anblick versteint wie der der Meduse.

Du birgst dich, Knabe, in die Mantelfalten deines geträumten Gottes, du steckst dein Haupt in seinen Vaterschoß, starrt dich des Schicksals Walten mit den Gorgonenblicken an. Wohl, es

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