„Ich durfte nicht mal einen Freiwilligen suchen. Dazu bin ich nicht berechtigt. Aber nun wei?t du selbst, da? wir so nicht abfliegen konnen. Nur ein einzelner Mann kann dort hineingelangen und wieder herauskommen. Ohne Schutzhelm, Maschinen und Waffen.“

Rohan vernahm seine Stimme wie von fern.

„Ich erlautere dir jetzt meinen Plan. Du denkst daruber nach. Du kannst ihn verwerfen, denn nach wie vor bleibt alles noch unter uns. Ich stelle es mir so vor: Ein Sauerstoffgerat aus Silikon. Kein Metall. Ich schicke zwei unbemannte Gelandefahrzeuge. Sie ziehen die Wolke auf sich und werden von ihr vernichtet. Zur gleichen Zeit startet ein dritter Gelandewagen mit einem Mann. Das ist eigentlich das gro?te Risiko, weil er moglichst nahe heranfahren mu?, um keine Zeit fur den Marsch durch die Wuste zu verlieren. Der Sauerstoffvorrat reicht 18 Stunden. Ich habe hier Photogramme von der ganzen Schlucht und ihrer Umgebung.

Ich glaube, man sollte einen anderen Weg einschlagen als die bisherigen Expeditionen. So nahe wie moglich an den Nordrand des Hochplateaus heranfahren und von dort zu Fu? uber die Felsen hinuntersteigen; in den oberen Teil der Schlucht. Wenn sie uberhaupt irgendwo sind, dann dort. Dort hatten sie uberleben konnen. Das Gelande ist schwierig, voller Hohlen und Klufte. Falls du alle findest oder auch nur einen…“

„Eben. Wie soll ich sie fortbringen?“ fragte Rohan und spurte den Kitzel trotziger Genugtuung. Hier ging der Plan in die Bruche. Wie leicht Horpach ihn doch opferte…

„Du hast ein geeignetes, leichtes Betaubungsmittel. So etwas gibt es. Du gebrauchst es naturlich nur, wenn der Gefundene nicht laufen will. Zum Gluck konnen sie in diesem Zustand ja laufen.“

Zum Gluck, dachte Rohan. Er ballte die Fauste unter dem Tisch, damit Horpach es nicht bemerkte. Er hatte keine Angst, noch nicht. Alles war viel zu unwirklich.

„Sollte sich die Wolke fur dich interessieren, so mu?t du dich steif auf den Boden legen. Ich habe an ein Praparat fur diesen Fall gedacht, aber es wurde zu spat wirken. Bleibt nur der Kopfschutz, der Stromsimulator, von dem Sax gesprochen hat.“

„Gibt es den schon?“ fragte Rohan. Horpach verstand den verborgenen Sinn dieser Frage, aber er blieb ruhig.

„Nein. Aber er la?t sich binnen einer Stunde herstellen.

Ein im Haar verborgenes Netz. Ein kleines Gerat, das Stromsto?e erzeugt. Es wird in den Kragen des Skaphanders eingenaht. Ich gebe dir jetzt eine Stunde Zeit. Ich wurde dir mehr geben, aber mit jeder weiteren Stunde wird die Aussicht auf Rettung geringer. Sie ist ohnehin minimal.

Wann entscheidest du dich?“

„Ich habe mich bereits entschieden.“

„Dummer Junge. Horst du nicht, was ich dir sage? Das vorhin habe ich nur gesagt, weil du begreifen solltest, da? wir noch nicht starten durfen.“

„Sie wissen ohnehin, da? ich gehe.“

„Du gehst nicht, wenn ich es dir nicht erlaube. Vergi? nicht: Der Kommandant bin immer noch ich. Vor uns liegt ein Problem, dem alle personlichen Ambitionen untergeordnet werden mussen.“

„Ich verstehe“, sagte Rohan. „Sie wollen nicht, da? ich mich genotigt fuhle. Schon. Gilt fur das, was wir jetzt au?ern, ebenfalls unsere Vereinbarung?“

„Ja.“

„Dann mochte ich wissen, was Sie an meiner Stelle taten.

Wir tauschen die Rollen — umgekehrt wie eben…“

Horpach schwieg eine Weile.

„Und wenn ich sagte, da? ich nicht gehen wurde?“

„Dann gehe ich auch nicht. Aber ich wei?, da? Sie die Wahrheit'sagen.“

„Dann gehst du nicht? Ehrenwort? Nein, nein… Ich wei?, das ist nicht notig.“

Der Astrogator stand auf.

Da erhob sich auch Rohan. „Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“

Der Astrogator sah ihn an. Er war gro?er, bedeutend kraftiger gebaut, breiter in den Schultern. Seine Augen hatten den gleichen muden Ausdruck wie zu Beginn des Gesprachs.

„Du kannst gehen“, sagte er.

Rohan straffte sich unwillkurlich und wandte sich der Tur zu. Da machte der Astrogator eine Bewegung, als wollte er ihn zuruckhalten, am Arm fassen, aber Rohan bemerkte es nicht. Er verlie? den Raum, und Horpach blieb reglos an der Tur zuruck. Lange stand er so.

Der „Unbesiegbare“

Die ersten beiden Gelandefahrzeuge rollten vor Tagesanbruch die Rampe hinunter. Noch waren die Dunenhange auf der Sonnenseite schwarz, von nachtlicher Finsternis uberschattet. Das Kraftfeld tat sich auf, gab den Maschinen den' Weg frei und schlo? sich wieder unter blauem Lichterfunkeln.

Auf dem hinteren Trittbrett des dritten Wagens, gleich unter dem Heck des Raumkreuzers, sa? Rohan, im Skaphander, ohne Helm und Schutzbrille, nur die kleine Maske des Sauerstoffgerats vor dem Mund. Er hielt die Knie mit den Handen umspannt, weil er so bequemer den hupfenden Sekundenzeiger beobachten konnte.

In der linken Brusttasche seines Schutzanzuges trug er vier Ampullen, in der rechten dunn gepre?te Nahrkonzentrattabletten, und die Taschen der Knieschutzer bargen kleine Instrumente: einen Strahlungsmesser, eine kleine Magnetuhr, einen Kompa? und eine Mikrophotogramm— Gelandekarte, nicht gro?er als eine Postkarte. Man mu?te sie durch eine starke Lupe betrachten. Er war mit einer sechsfachen Rolle aus feinstem Plastseil gegurtet, von seiner Kleidung waren alle Metallteile entfernt worden. Das Drahtgeflecht im Haar merkte er uberhaupt nicht, es sei denn, er verzog absichtlich die Kopfhaut. Er spurte auch nicht den kreisenden Strom darin, aber er konnte den im Kragen eingenahten Mikrosender kontrollieren, wenn er den Finger an diese Stelle legte. Der kleine, harte Zylinder tickte gleichma?ig, und sein Puls war bei Beruhrung deutlich zu fuhlen.

Im Osten hing ein roter Streifen am Himmel, auch war Wind aufgekommen. Er peitschte die Sandgipfel der Dunen.

Die niedrigen Kraterzacken am Horizont schienen allmahlich in einer Flut von Rot zu zerflie?en. Rohan hob den Kopf. Zwischen ihm und dem Raumschiff sollte keine zweiseitige Verbindung eingerichtet werden, weil ein Sender sofort Rohans Anwesenheit verraten hatte. Aber in seinem Ohr klemmte ein winziger Empfangsapparat, nicht gro?er als ein Obstkern. Der „Unbesiegbare“ konnte ihm — zumindest eine Zeitlang — seine Signale senden. Jetzt begann es im Apparat gerade zu sprechen, und es war beinahe, als vernahme er eine Stimme in seinem Kopf.

„Achtung, Rohan. Hier Horpach. Die Buguhren vermerken ein Ansteigen der magnetischen Aktivitat. Wahrscheinlich sind die Gelandewagen schon unter der Wolke… Ida schicke eine Sonde los.“

Rohan hob den Blick zu dem aufklarenden Himmel. Er sah nicht den Start der Rakete, die plotzlich senkrecht wie eine Leuchtkugel aufstieg. Sie zog einen dunnen wei?en Rauchstreifen hinter sich her, mit dem sie die Spitze des Schiffes einnebelte, und stob mit rasender Geschwindigkeit nordostwarts davon. Minuten verstrichen. Nun sa? schon die halbe Scheibe der gedunsenen, alten Sonne rittlings auf dem Kraterwall.

„Eine kleine Wolke greift den ersten Wagen an“, sagte die Stimme in Rohans Kopf. „Der zweite kommt bisher ungehindert voran. Der erste nahert sich dem Felsentor.

Achtung! Jetzt haben wir die Kontrolle uber den ersten verloren. Auch die optische — die Wolke hat ihn zugedeckt.

Der zweite nahert sich der Biegung bei der sechsten Wegverengung.

Er wird nicht angegriffen. Vorbei! Wir haben die Kontrolle uber den zweiten verloren. Sie haben ihn schon umzingelt… Rohan! Achtung! Dein Wagen fahrt in funfzehn Sekunden ab. Von nun an handelst du nach eigenem Ermessen. Ich schalte den Startautomaten ein. Viel Gluck.“

Horpachs Stimme entfernte sich plotzlich. An ihre Stelle trat ein mechanisches, die Sekunden zahlendes Ticken.

Rohan setzte sich bequemer, stemmte sich mit den Beinen fest und schob den Arm durch die elastische Schlinge, die am Wagengelander befestigt war. Die leichte Maschine erzitterte und fuhr federnd an.

Horpach hatte alle Manner im Schiff zuruckgehalten.

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