Rohan war ihm dafur beinahe dankbar, denn Abschiedsszenen hatte er nicht ertragen. So sah er, an das auf— und abhupfende Trittbrett des Wagens geschmiegt, nur die riesige Saule des „Unbesiegbaren“, die allmahlich kleiner wurde.

Der blaue Lichtschein, der eine Weile uber die Dunenhange flackerte, sagte ihm, da? die Maschine gerade die Grenze des Kraftfeldes uberquerte. Doch gleich darauf wuchs die Geschwindigkeit, und die rote Staubwolke, die die Ballonreifen aufwarfen, nahm ihm die Sicht. Nur undeutlich sah er daruber den grauen Himmel. Das war keine sehr gluckliche Losung — er konnte angegriffen werden, ohne zu wissen, wann. Statt also, wie vorgesehen, sitzen zu bleiben, drehte er sich um, richtete sich auf und stand dann, sich am Gelander festhaltend, auf dem Trittbrett. Nun konnte er uber den flachen Rucken der unbemannten Maschine hinweg den Blick auf die ihm entgegeneilende Wuste richten. Der Wagen fuhr mit Hochstgeschwindigkeit holpernd und schlingernd, so da? Rohan sich bisweilen mit ganzer Kraft gegen die Karosserie pressen mu?te. Den Motor horte er fast gar nicht, nur der Wind pfiff ihm um die Ohren, die feinen Sandkornchen bissen in die Augen, und beiderseits des Fahrzeugs spritzten Sandfontanen hoch und bildeten eine undurchdringliche Wand, so da? er nicht einmal bemerkte, wann er das Kraterrund verlie?. Offenbar hatte sich das Fahrzeug durch eine Sandkerbe im Nordrand hinausgeschlangelt.

Plotzlich horte Rohan ein singendes Signal, das sich naherte.

Das war der eingeschaltete Sender der Fernsehsonde.

Er konnte sie nicht am Himmel entdecken, obgleich er an— gestrengt nach ihr Ausschau hielt. Sie war wohl sehr hoch aufgestiegen, um nicht die Aufmerksamkeit der Wolke auf sich zu ziehen, zugleich aber war sie unerla?lich, sonst hatte das Schiff den Wagen nicht steuern konnen. An der Ruckwand war eigens ein Kilometerzahler angebracht worden, um ihm die Orientierung zu erleichtern. Bisher hatte er neunzehn Kilometer zuruckgelegt, jeden Augenblick wurden die ersten Felsen sichtbar werden. Aber die niedrig stehende Sonnenscheibe, die er bislang zur Rechten gehabt hatte und die rotlich durch den hochgeschleuderten Sand schimmerte, schob sich nun ein wenig hinter ihn. Dann bog der Wagen links ab. Rohan suchte vergebens herauszufinden, ob der Winkel mit dem festgelegten Kurs ubereinstimmte oder ob er gro?er war; das hatte bedeutet, da? man in der Steuerzentrale ein unvorhergesehenes Manover der Wolke bemerkt hatte und ihn aus ihrer Reichweite entfernen wollte. Die Sonne verschwand bald darauf hinter dem ersten langgestreckten Felsrucken, dann tauchte sie wieder auf. In dem schragen Licht bot die Landschaft einen wilden Anblick und sah anders aus, als er sie von seiner letzten Expedition her in Erinnerung hatte. Doch damals hatte er sie aus gro?erer Hohe, vom Turm des Transporters aus betrachtet. Der Wagen wurde plotzlich so furchterlich hin und her geworfen, da? Rohan ein paarmal schmerzhaft mit der Brust gegen die Panzerung prallte. Jetzt mu?te er alle Krafte anspannen, damit ihn die heftigen, wutenden Sto?e, die nicht einmal von den Ballonreifen wirksam abgefangen wurden, nicht von dem schmalen Trittbrett warfen.

Die Rader tanzten uber die Gesteinsbrocken und schleuderten den Kies hoch in die Luft; polternd flog er den Abhang hinunter. Manchmal blieben sie stecken und drehten sich wie rasend auf der Stelle. Rohan meinte, diese hollische Fahrt musse im Umkreis von mehreren Kilometern zu horen sein, und er uberlegte ernsthaft, ob er die Maschine nicht anhalten und abspringen sollte — dicht unter der Schulter fuhlte er den herausragenden Griff der bewu?t au?en angebrachten Bremse. Aber dann hatte er einen kilometerlangen Fu?marsch vor sich gehabt, und die ohnehin geringe Aussicht, rasch ans Ziel zu gelangen, ware weiter geschwunden.

Mit zusammengebissenen Zahnen, die Hande krampfhaft um die Griffe gekrallt, die ihm jetzt gar nicht mehr ein so sicherer Halt zu sein schienen, sah er also nur blinzelnd uber den flachen Schadel des Fahrzeugs hinweg den Hang hinauf. Das Singen der Radiosonde wurde bisweilen leiser, aber sie war zweifellos noch immer uber ihm, denn der Gelandewagen manovrierte geschickt und wich den ubereinandergeturmten Felstrummern auf der Schutthalde aus.

Manchmal neigte er sich zur Seite und fuhr langsamer, doch gleich darauf jagte er wieder mit voller Kraft bergan.

Der Kilometerzahler stand auf 27 — soviel hatte er bisher zuruckgelegt. Auf der Gelandekarte betrug der aufgezeichnete Weg 6o Kilometer, aber er mu?te in Wirklichkeit schon wegen der Hohenunterschiede und der dauernden Schleifen langer sein. Hier gab es nicht die Spur Sand mehr. Schwer und bedrohlich hing die Sonne am Himmel, riesig und fast kalt. Ihre Scheibe beruhrte noch immer die Felszacken. Wie von Fieberschauern geschuttelt, bahnte sich die Maschine verbissen einen Weg durch das Geroll. Manchmal rutschte sie, wenn sich unter ihr knirschend das Gestein loste. Die Reifen rieben sich kraftlos an den Steinen und heulten pfeifend.

Die Steigung wurde steiler. 29 Kilometer — au?er dem singenden Signal der Sonde horte er nichts. Der „Unbesiegbare“ schwieg. Warum? In der Steilwand, die sich in schwarzlichen Linien unterhalb der Sonne undeutlich abzeichnete, vermutete Rohan den oberen Rand der Schlucht, die er hinuntersteigen sollte — aber nicht hier, sondern bedeutend weiter im Norden. 3o Kilometer. Immerhin war von der schwarzen Wolke nichts zu sehen. Sie hatte wohl schon die beiden anderen Maschinen kaltgestellt. Oder hatte sie sie einfach aufgegeben und sich damit begnugt, sie durch Blockieren der Funkverbindung vom Raumschiff abzuschneiden?

Der ganze Wagen warf sich hin und her wie ein verzweifeltes Tier. Bisweilen drang Rohan das Drohnen des auf vollen Touren laufenden Motors bis in die Kehle.

Die Geschwindigkeit sank standig, doch er kam wider Erwarten gut voran. Vielleicht hatte er ein Luftkissenfahrzeug nehmen sollen? Aber es ware zu gro? und zu schwer gewesen, au?erdem lohnte es nicht, jetzt noch einen Gedanken daran zu verschwenden, da ohnehin nichts zu andern war.

Er wollte auf die Uhr blicken, aber es gelang ihm nicht, die Hand auch nur eine Sekunde lang vor die Augen zu halten. Mit gebeugten Knien versuchte er, die entsetzlichen Sto?e, die ihm die Eingeweide ordentlich durcheinanderruttelten, abzufangen. Mit einemmal ging die Maschine vorn hoch und sturzte seitlich in die Tiefe. Die Bremsen kreischten, aber schon rutschte von allen Seiten Geroll nach und prasselte klirrend auf die dunnen Panzerplatten. Der Wagen wendete krampfhaft, schleuderte und glitt eine Weile auf der Seite durch das Steinmeer, dann horte diese Bewegung auf.

Langsam richtete sich die Maschine auf und kroch wieder hartnackig hangaufwarts. Jetzt sah Rohan bereits die Schlucht. Er erkannte sie an den schwarzlichen, an Krummholz erinnernden, gra?lichen Gestruppflecken, die die stehlen Felsen uberzogen. Etwa eine halbe Meile trennte ihn vom Rande der Schlucht. 34 Kilometer…

Der Hang, den er noch zu uberqueren hatte, sah aus wie ein einziges Meer aus chaotisch ubereinandergeworfenen Felstrummern. Es schien unmoglich, da? die Maschine sich dort einen Weg wurde bahnen konnen. Er hatte es bereits aufgegeben, nach passierbaren Stellen zu suchen, da es ohnehin nicht bei ihm lag, den Wagen zu steuern. So bemuhte er sich vielmehr, die beiderseits des Talkessels aufragenden Felswande nicht aus den Augen zu lassen. Jede Sekunde konnte die schwarze Wolke daraus hervorquellen.

„Rohan… Rohan…“, horte er plotzlich. Das Herz schlug ihm hoher. Er erkannte Horpachs Stimme.

„Der Wagen wird dich wahrscheinlich nicht ans Ziel bringen. Wir konnen von hier aus die Neigung des Hanges nicht genau uberblicken, aber du hast vielleicht nur noch funf oder sechs Kilometer Fahrt vor dir. Wenn der Wagen steckenbleibt, mu?t du zu Fu? weiter. Ich wiederhole…“

Hochstens 42 oder 43 Kilometer… Also bleiben mir ungefahr 17. In diesem Gelande sind das wenigstens vier Stunden, wenn nicht mehr, rechnete Rohan blitzschnell. Aber vielleicht tauschen sie sich und der Wagen kommt durch.

Die Stimme verstummte, und wieder war nur das rhythmische Singen der Sonde zu vernehmen. Rohan bi? fester auf das Mundstuck der Sauerstoffmaske. Es hatte ihm bei den heftigen Sto?en die Lippen aufgerieben. Die Sonne beruhrte nun nicht mehr den nahen Bergkamm, aber sie war auch nicht hoher gestiegen. Vor den Augen hatte er gro?e und kleine Gesteinsbrocken und Felsplatten, manchmal griff ihr kalter Schatten nach ihm. Der Wagen fuhr jetzt viel langsamer. Als Rohan den Blick hob, sah er winzige Federwolken uber den Himmel segeln. Ein paar Sterne glitzerten. Plotzlich geschah etwas Sonderbares mit dem Fahrzeug: Das Heck sackte ab, das Vorderteil hob sich steil.

Der Wagen baumte sich auf wie ein scheuendes Pferd. Eine Sekunde, und er ware in die Tiefe gesturzt und hatte Rohan unter sich begraben, wenn er nicht mit einem Satz abgesprungen ware. Er fiel auf Knie und Hande. Durch die dicken Schutzhandschuhe und die Schienbeinschutzer fuhlte er den harten Aufprall, er schlitterte etwa zwei Meter uber das Geroll, ehe er Halt fand. Die Rader stohnten noch einmal auf, dann stand die Maschine.

„Achtung, Rohan! Das ist Kilometer 39… Der Wagen kommt nicht weiter. Du mu?t zu Fu? gehen.. Orientiere dich nach der Karte. Das Fahrzeug bleibt dort, fur den Fall, da? du nicht anders zuruck kannst. Du bist jetzt am Schnittpunkt der Koordinaten 46 und…“

Rohan richtete sich langsam auf. Jeder Muskel schmerzte.

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