hielt sich aber vollig sicher auf den machtigen Fu?en und zog nur das linke Bein nach. Als der Abstand zwischen ihnen auf ein paar Schritt zusammengeschrumpft war, rief Rohan ihn an, aber der Arctan schob sich wie blind geradenwegs auf ihn zu, und er mu?te in letzter Sekunde ausweichen. Dann lief er zum zweitenmal zu dem Roboter hin und wollte ihn an der Metallpfote packen, aber der Roboter entri? sie ihm mit weit ausholender, gleichgultiger Bewegung und setzte seinen Weg fort. Rohan begriff, da? auch der Arctan ein Opfer des Angriffs geworden war und er nicht auf ihn zahlen konnte. Aber es fiel ihm schwer, die hilflose Maschine ohne weiteres ihrem Schicksal zu uberlassen. Uberdies erwachte die Neugier in ihm, wohin dieser Roboter eigentlich strebte, denn er wahlte einen moglichst ebenen Weg, als hatte er ein bestimmtes Ziel. Nach kurzem Uberlegen — der Arctan hatte sich inzwischen ein paar Dutzend Meter entfernt — folgte er ihm schlie?lich. Der Roboter langte bald an einer Gerollhalde an und stieg hinauf, ohne sich im geringsten um die Trummerbache zu kummern, die unter seinen breiten Fu?en hinabrannen. So hatte er das Schuttfeld ungefahr zur Halfte erklommen, da sturzte er plotzlich und rutschte abwarts. Fallend strampelte er heftig mit den Beinen, so da? ein Beobachter unter anderen Umstanden vielleicht so— gar hatte lachen mussen. Dann stand er auf und begann von neuem, den.Hang zu erklettern.

Rohan machte rasch kehrt und ging davon. Doch noch lange vernahm er das Getose auf der Gerollhalde und das wiederkehrende, schwerfallige metallene Schlurfen, das die Felswande einander als vielfaches Echo zuwarfen. Er kam jetzt flink voran, weil der Weg uber die flachen Steine im Bachbett ziemlich eben war und sanft abfiel. Von der Wolke war nichts zu sehen, nur manchmal lie? ein Zittern der Luft uber den Hangen das Brodeln im schwarzen Dickicht ahnen.

So langte er an der breitesten Stelle der Schlucht an, die hier in einen von felsigen Hohen gerahmten Talkessel mundete.

Rund zwei Kilometer entfernt lag das Felsentor, der Ort der Katastrophe. Jetzt erst wurde ihm bewu?t, wie sehr ihm der Olfaktometer fehlen wurde. Er hatte ihm behilflich sein konnen, menschliche Spuren aufzufinden, doch das Gerat ware fur einen Fu?ganger zu schwer gewesen. Er mu?te also ohne ihn auskommen. Er blieb stehen und musterte die Felsen. Da? jemand in dem Metallgestrupp Zuflucht gesucht hatte, war ausgeschlossen. Blieben nur die Grotten, Hohlen und Felsmulden — von seinem Standort aus zahlte er vier. Hohe Felsschwellen mit senkrechten Wanden, die nicht alltagliche Ersteigungsschwierigkeiten verhie?en, entzogen deren Inneres seinem Blick. Daher entschlo? er sich, als erstes der Reihe nach die Grotten zu untersuchen.

Schon vorher, an Bord des Raumkreuzers, hatte er zusammen mit den Arzten und den Psychologen uberlegt, wo die Verschollenen zu suchen seien, das hei?t, wo sie sich versteckt haben konnten. Aber im Grunde hatte ihm diese Beratung nicht viel genutzt, weil das Verhalten eines Amnesiegelahmten unberechenbar ist. Da? sich die Vermi?ten zu viert von Regnars ubrigen Leuten entfernt hatten, deutete auf eine Aktivitat hin, die sie von den anderen unterschied.

Und in gewisser Hinsicht lie? auch die Tatsache, da? die Spuren der vier bis zu dieser Stelle auf dem abgesuchten Gelande nicht auseinandergefuhrt hatten, darauf hoffen, sie alle zusammen zu finden — naturlich nur, wenn sie uberhaupt noch am Leben waren und sich nicht oberhalb des Felsentores in verschiedene Richtungen gewandt hatten.

Rohan suchte nacheinander zwei kleine und vier gro?ere Grotten ab, in die er verhaltnisma?ig leicht gelangte — er brauchte nur ein paar gro?e, schrage Felsplatten zu uberklettern.

Das war ungefahrlich und dauerte nur wenige Minuten.

In der letzten Grotte stie? er auf zum Teil uberschwemmte Metalltrummer, die er anfangs fur das Skelett des zweiten Arctans hielt; aber sie waren uralt und erinnerten nicht an eine ihm bekannte Konstruktion. In einem flachen Tumpel, der sichtbar war, weil die glatte, wie polierte Gewolbedecke sparliches Tageslicht widerspiegelte, lag eine merkwurdige, langliche Form, die ein wenig einem funf Meter langen Kreuz ahnelte. Das Blech, das sie von au?en umgeben haben mochte, war langst zerfallen, hatte sich auf dem Grunde mit Schlamm vermischt und eine rostrot gefarbte Masse gebildet. Rohan konnte sich nicht erlauben, diesen ungewohnlichen Fund, vielleicht das Wrack eines jener Makroautomaten, die durch die Siegerin der toten Evolution, die Wolke, ausgerottet worden waren, genauer zu untersuchen. Er pragte sich nur das Bild ein: verschwommene Umrisse von Bandern und Stangen, die wohl mehr zum Fliegen als zum Gehen gedient hatten. Die Uhr gebot immer gro?ere Eile, und unverzuglich machte er sich daran, die nachsten Hohlen abzusuchen. Doch sie waren so zahlreich — von der Talsohle aus waren sie bisweilen als schwarz gahnende Fenster in den steilen Felswanden zu sehen gewesen —, und die haufig wassergefullten, unterirdischen Gange, die hier und da zu senkrecht abfallenden Schachten und Graben mit eiskalten, gurgelnden Rinnsalen fuhrten, hatten so viele Windungen, da? er nicht wagte, weit in sie vorzu— sto?en. Au?erdem besa? er nur eine kleine Handlampe, die verhaltnisma?ig schwaches Licht gab und besonders in den weitlaufigen Grotten mit ihren hohen Deckengewolben und den unzahligen Galerien, auf die er einigemal stie?, machtlos war. Schlie?lich, als er vor Erschopfung beinahe zusammenbrach, lie? er sich auf einem riesigen, von den Sonnenstrahlen erwarmten, flachen Stein am Ausgang einer eben durchsuchten Hohle nieder, kaute einige Riegel des Pre?konzentrats und spulte die trockenen Bissen mit Wasser aus dem Wildbach hinunter. Mehrmals glaubte er das Rauschen der heranziehenden Wolke zu horen, aber es war wohl nur das Echo der Sisyphusarbeit jenes Arctans, das von den oberen Talregionen heruberhallte. Als er seine schmalen Vorrate verzehrt hatte, war ihm bedeutend wohler.

Am meisten wunderte ihn, da? ihn die gefahrliche Nachbarschaft immer weniger kummerte: das schwarze Dickicht, das sich die Hange hinaufschob, wohin er auch blickte.

Er kletterte den Felsvorsprung vor der Hohle hinunter, auf dem er gerastet hatte, und gewahrte eine Art dunnen, rostigen Streifens, der sich uber die trockenen Steine auf der anderen Talseite zog. Als er dort eintraf, erkannte er Blutspuren.

Sie waren vollig eingetrocknet und hatten sich verfarbt, und ware nicht das ausnehmend helle Wei? des Felsengesteins gewesen, das an Kalkstein erinnerte, so waren sie ihm gewi? entgangen. Er versuchte herauszubekommen, welche Richtung der Verletzte eingeschlagen hatte, aber es gelang ihm nicht. So marschierte er denn aufs Geratewohl talaufwarts, von dem Gedanken beflugelt, da? es sich vielleicht um einen Mann handelte, der bei dem Kampf zwischen dem Zyklopen und der Wolke verwundet worden war und die Kampfstatte hatte verlassen wollen. Die Spuren kreuzten sich, an manchen Stellen brachen sie ab, doch schlie?lich fuhrten sie ihn in die Nahe einer Hohle, die er als eine der ersten abgesucht hatte. Um so gro?er war seine Oberraschung, als sich herausstellte, da? sich neben dem Eingang ein senkrechter, schachtahnlicher, enger Spalt auftat, den er zuvor nicht bemerkt hatte. Dort endete die Blutspur.

Rohan lie? sich auf die Knie nieder und beugte sich uber das halbdunkle Loch. Obwohl er auf das Schlimmste gefa?t war, vermochte er einen gepre?ten Aufschrei nicht zu unterdrucken, denn er erblickte Benningsens Kopf, der ihm mit leeren Augenhohlen und gebleckten Zahnen entgegenstarrte.

Er erkannte ihn am Goldrand der Brille, deren Glaser wie durch eine Ironie des Schicksals heil geblieben waren und im Widerschein des Lichtes, das von der uber diesen Felsensarg geneigten Kalksteinplatte einfiel, in reinem Glanz funkelten. Der Geologe war eingeklemmt zwischen Gesteinsbrocken, deshalb war sein Korper, mit den Schultern in die naturliche Verkleidung des Steinschachtes eingekeilt, senkrecht stehengeblieben. Rohan wollte die Uberreste des Mannes nicht so zurucklassen, aber als er sich ein Herz fa?te und den Leichnam anzuheben versuchte, da spurte er durch den dicken Stoff des Schutzanzuges hindurch, da? er sich unter seinem Griff aufloste. Durch die Einwirkung der Sonnenstrahlen beschleunigt, die jeden Tag hier hereindrangen, hatte die Verwesung bereits ihr Werk getan. Rohan offnete nur den Rei?verschlu? an der Brusttasche des Anzuges und entnahm ihr die Erkennungsmarke des Wissenschaftlers. Bevor er seinen Weg fortsetzte, walzte er mit letzter Kraft eine der zunachst liegenden Felsplatten heran und deckte die Felsengruft damit zu.

Der erste war gefunden. Als Rohan sich ein ganzes Stuck von jener Stelle entfernt hatte, fiel ihm ein, da? er eigentlich den Leichnam auf Radioaktivitat hatte prufen mussen, denn ihr Grad konnte in gewissem Sinne das Schicksal Benningsens und auch der anderen aufklaren. Eine hohe Strahlungskonzentration ware namlich der Beweis gewesen, da? sich der Tote in der Nahe des Atomkampfortes aufgehalten hatte. Aber er hatte es vergessen, und nichts hatte ihn jetzt bewogen, den Stein wieder wegzuschieben. Gleichzeitig wurde Rohan sich bewu?t, welch gro?e Rolle bei seiner Suche der Zufall spielte, denn er hatte doch zweifellos vorher rund um diese Stelle alles sehr grundlich abgesucht.

Von einem neuen Gedanken beseelt, folgte er jetzt hastig der Blutspur, um ihren Anfang zu finden. Sie fuhrte in beinahe gerader Linie ins Tal hinunter, als strebte sie dem atomaren Schlachtfeld zu. Aber bereits ein paar hundert Schritte weiter bog sie plotzlich ab. Der Geologe hatte sehr viel Blut verloren, desto erstaunlicher war es, da? er so weit gekommen sein sollte. Die Steine, die seit der Katastrophe nicht ein einziger Regentropfen

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