dann aber sich ausschiffen wollten.
Die Brigg segelte also am Morgen des 29. ab. Dauerte es vierundzwanzig Stunden, bis zur Insel York zu kommen, zwei Tage, die Koprahladung zu verstauen, und wieder vierundzwanzig Stunden, nach Port-Praslin zurückzukehren, so konnte die Reise nur vier, höchstens fünf Tage in Anspruch nehmen.
Der politische und kommerzielle Hauptort des BismarckArchipels war, wie gesagt, bisher die kleine Insel Mioko, südlich von der Insel York, gewesen, die ziemlich genau in der Mitte zwischen den zwei größeren Inseln der Gruppe lag. Aus Gesundheitsrücksichten wurde der Regierungssitz später nach der Insel Matupi verlegt, die ihre Entstehung nur vulkanischen Ausbrüchen eines Kraters in der Weißen Bai, am Westende von Birara, verdankt. Hier wurden aber wiederholte Erderschütterungen recht lästig, und deshalb siedelte man nach dem Eilande Kerawara, im Nordwesten von Kioko, über.
Die Reise ging durch den Sankt Georgskanal, doch nur ziemlich langsam zufolge widriger Winde auf dieser Wasserfläche, wo man Tiefen bis viertausend Fuß mit der Sonde nachgewiesen hat. Der Kanal oder die Straße wird von den Inseln Tombara und Birara gebildet, deren äußerste Vorsprünge sich im Südosten und Nordosten beträchtlich nähern.
Zu ihrem Bedauern konnte hier weder Hawkins noch Nat Gibson einmal ans Land gehen, und gerade Birara ist eines Besuches wohl wert. Umrahmt von einem Amphitheater vulkanischer Gipfel - wie der »Mutter«, der »Tochter des Nordens« und der »Tochter des Südens« - ist diese Insel die größte der Gruppe, daneben auch die bergigste und waldreichste mit einem ungeheueren Bestande an
Kokospalmen. Ethnologische Seltenheiten verleihen ihr noch ein besonderes Interesse. Wo in aller Welt fände man noch eine Insel, wo ein Schwiegersohn kein Wort an seine Schwiegermutter zu richten wagt und er sich sogar versteckt, wenn er dieser begegnet, wo die Zehen der Bewohner angeblich durch häutige Brücken verbunden sind, eine Insel, von der die Sage geht, daß die Menschen daselbst noch mit einem Schwanzanhängsel ausgestattet sein sollen!
Ging die Brigg hier aber auch nicht ans Land, so segelte sie doch im Sankt Georgskanal längs der Küste hin, um nach der Insel York oder Neulauenburg zu kommen.
Den Namen York hatte diese 1707 von Carteret an Stelle ihres melanesischen Namens Amakata erhalten. In späterer Zeit wurde die Insel mehrmals besucht, so 1791 von Hunter und 1792 von Entrecasteaux und ferner 1823 von Duperrey, die ihre geographische Lage zwischen 152 Grad 2 Minuten und 152 Grad 7 Minuten östlicher Länge (von Greenwich) und 4 Grad 5 Minuten bis 4 Grad 10 Minuten südlicher Breite bestimmten.
Ihre Länge beträgt von Nordosten nach Südwesten acht Seemeilen, ihre Breite fünf Meilen, und im Mittel steigt sie ziemlich hoch über das Meer empor.
Trotz ihrer dichten Bevölkerung und mehrerer recht sicherer Häfen trägt sie jedoch nicht den Hauptort des Archipels. In ihrer Umgebung liegt eine Anzahl Eilande, wie Makada, Burnan, Ulu, Utuan, Kabokon, Muarlin, Mioko und Kerawara. Auf das letzte, das südlichste Eiland, war schließlich die Wahl zum Sitz der Regierung gefallen.
Am frühen Morgen des 30. meldete die Wache das Kap Brown auf Makada. Der »James-Cook« wendete darauf mehr nach Süden, bekam von der großen Insel das Kap Makukar in Sicht, steuerte darauf nach der Wasserstraße im Nordwesten zwischen dieser und der Insel Ulu, sichtete noch das Eiland
Kabokon und kam dann nach seinem Ankerplatze vor Kerawara.
Dieses Eiland, das etwa die Gestalt einer Gärtnerhippe hat, mißt nicht mehr als drei Seemeilen von Westen nach Osten. Sein besonders sicherer Hafen bietet aber den Schiffen alle Bequemlichkeiten auch für einen längeren Aufenthalt.
Der hiesige deutsche Hauptagent, ein Herr Hamburg, dem auch die Funktionen des Gouverneurs des Bismarck-Archipels übertragen sind, stand mit Herrn Zieger in vielfacher Verbindung. Er leitete eine der bedeutendsten Faktoreien der Inselgruppe und sollte dem »James-Cook« die noch fehlenden hundertfünfzig Tonnen Koprah liefern, die man binnen achtundvierzig Stunden an Bord zu schaffen hoffte. Der Aufenthalt in Kerawara sollte also nur sehr kurz sein.
Während die Mannschaft unter Aufsicht des Kapitäns mit der Übernahme der Fracht beschäftigt war, hatten Hawkins, Nat Gibson und die Gebrüder Kip Muße, das Eiland zu besuchen.
Dieses besteht hauptsächlich aus einem großen Walde, worin alle verschiedenen Baumarten Neuirlands vorkommen. Im Innern erheben sich mehrere Hügel, der höchste davon auf sieben- bis achthundert Fuß. Der hier liegende Hauptort der Inselgruppe zählt gegen tausend Einwohner, zu einem Viertel Europäer, der Rest melanesischen Ursprunges. Die Eingebornen sind hier nicht eigentlich seßhaft. Meist auf der Insel York oder den benachbarten Eilanden wohnend, kommen sie nur ihrer Geschäfte halber nach Kerawara herüber. Die Wasserwege zwischen den Inselchen sind fast unausgesetzt von ihren merkwürdig konstruierten Piroguen belebt.
Herr Hamburg konnte über die hiesige Inselgruppe interessante Aufklärungen geben. Die Wahl des Eilandes Kerawara als Regierungssitz erschien ihm recht glücklich, da der Verkehr von hier nach Neubritannien und Neuirland ein sehr bequemer war.
Augenblicklich lagen im Hafen zwei Kauffahrteischiffe, eines mit deutscher und eines mit britischer Flagge, beide beschäftigt mit dem Löschen eines Teiles ihrer Ladung. Das eine sollte von hier aus noch nach Sydney in Australien, das andere nach Auckland in Neuseeland weiter gehen, und ihr Aufenthalt in Kerawara dauerte voraussichtlich noch gegen drei Wochen. Hawkins und Gibson kannten den englischen Kapitän und waren sehr erfreut, mit ihm einen Händedruck wechseln zu können.
Die Wohnung des Herrn Hamburg lag auf einem Hügelabhange inmitten des Waldes, durch den ein von dichtem Gebüsch begrenzter Fußweg führte. Die Besitzung war etwa eine halbe Seemeile vom Kontor entfernt. Der Gouverneur hatte Hawkins, Gibson und dessen Sohn für den nächsten Tag zum Mittagessen eingeladen.
Die Verstauung der hundertfünfzig Tonnen Koprah sollte am Nachmittage des 2. Dezember beendigt sein, und der »JamesCook« wollte dann am 3. nach Port-Praslin zurücksegeln.
Die Gebrüder Kip waren von Herrn Hamburg zwar auch mit eingeladen worden, hatten aber aus Bescheidenheit abgelehnt, da sie sich nicht überall aufzudrängen wünschten. Dagegen wollten sie diesen letzten Abend zu einem Spaziergange in der Umgebung des Hafens benutzen. Da hier an eine Entweichung kaum zu denken war, hatte auch die Mannschaft Landurlaub erhalten, wobei sich die Leute voraussichtlich mit denen von den beiden anderen Schiffen in gewohnter Weise belustigten. Der Abend endete dann freilich jedenfalls mit einem tüchtigen Trinkgelage in der größten Schenke Kerawaras, doch so etwas war einmal kaum zu verhüten, und Gibson empfahl seiner Mannschaft nur, die Sache nicht gar zu weit zu treiben.
Flig Balt versicherte dem Kapitän, daß er sich auf ihn verlassen könne. Während er aber mit gewohnter Scheinheiligkeit sprach, konnte er doch eine gewisse
Aufgeregtheit nicht verbergen, die auch Gibson an ihm bemerkte.
»Was haben Sie denn, Balt? fragte der Kapitän.
- Ach. nichts. Herr Gibson, antwortete der Bootsmann. Ich bin nur etwas müde. das ist alles.«
Seine Blicke wendeten sich dabei von dem Vorgesetzten ab und dem ihn beobachtenden Vin Mod zu.
Gegen fünf Uhr trafen Hawkins, Nat Gibson und Zieger in der Wohnung des
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