Ein Teil der Mannschaft war nach ihm ebenfalls von der Brigg fortgegangen, und die Gebrüder Kip lustwandelten schon in der Nähe des Hafens umher.
Als Gibson in das Kontor gekommen war, gab ihm einer der dort Angestellten seine Papiere, sein Konnossement und andere zurück.
Noch zwei Stunden lang sollte jetzt die Sonne die Höhen des Eilandes Kabokon beleuchten. Dem Kapitän war übrigens der Weg nach der Villa so gut bekannt, daß er gar nicht zu befürchten brauchte, sich dabei zu verirren.
Vom Hintergrund des Hafens aus unter den Bäumen verschwindend. schritt Gibson gut eine halbe Seemeile ungestört dahin, und wollte eben nach links abweichen, als er mit Gewalt zu Boden geschleudert wurde.
Zwei Männer hatten sich über ihn gestürzt, von denen der eine ihn an der Kehle würgte.
Durch den heftigen, gegen die Brust erhaltenen Stoß betäubt, erkannte er die Angreifer nicht sogleich und verlor bald darauf überhaupt die Besinnung.
Die beiden Männer packten ihn dann an den Schultern und an den Füßen und schleppten ihn etwa fünfhundert Schritt weit seitwärts durch das Dickicht.
Am Rande einer Waldblöße angekommen, legten sie ihr Opfer wieder auf die Erde.
»Jetzt heißt's, der Sache ein Ende machen,« sagte der eine.
Gerade bei diesen Worten schlug Gibson die Augen wieder auf.
»Flig Balt!. Vin Mod!« stieß er mühsam hervor.
Es waren der Bootsmann und Vin Mod, die das Verbrechen begangen hatten. Vin Mod mußte sich endlich Harry Gibsons in der gerechtfertigten Hoffnung entledigen, daß er dann Flig Balt als Kapitän bekommen werde. Unter Führung des neuen Befehlshabers würde die Brigg, statt nach Hobart-Town zurückzusegeln, dann einen ganz anderen Kurs einschlagen, und ehe Hawkins sich darüber Rechenschaft geben könnte, nach Osten in die Gegend der Salomonsinseln kommen.
Dort würde man schon sehen, wie der Reeder, Nat Gibson, die Gebrüder Kip, und von der Mannschaft die, die sich dem Seeräuberzuge anzuschließen weigerten, auf die eine oder andere Weise bei Seite zu schaffen wären. Was also nicht zwischen Neuseeland und dem Bismarck- Archipel geschehen war, sollte nach der Abfahrt von Port-Praslin ausgeführt werden.
Als Gibson die Namen der beiden Mörder genannt hatte, rief er noch keuchend:
»Ihr Elenden!. Ihr Schurken!«
Er wollte sich erheben, sich verteidigen, doch was vermochte er, ohne eine Waffe in der Hand zu haben, gegen die zwei kräftigen und bewaffneten Männer?
»Hilfe!. Zu Hilfe!« rief er noch einmal.
Vin Mod stürzte sich auf den Unglücklichen und schloß ihm mit der Hand den Mund, während Flig Balt mit dem Dolche, der von dem Diebstahle auf der »Wilhelmina« herrührte, das Herz mit kräftigem Stoße durchbohrte.
Harry Gibson stieß einen schmerzlichen Seufzer aus und zum letzten Male starrte er weit offenen Auges auf die beiden Mordbuben. Der Dolch hatte das Herz gut getroffen, und nach kurzem Röcheln sank der Kapitän tot vollends zur Erde.
»Kapitän Balt. meinen Glückwunsch!« sagte Vin Mod, indem er zwei Finger grüßend an die Mütze legte.
Erschreckt wich der Bootsmann zurück vor den Augen seines Opfers, die, von der Sonne erhellt, noch immer auf ihn gerichtet schienen.
Vin Mod, der sich sein kaltes Blut vollständig gewahrt hatte, durchwühlte die Taschen des Kapitäns, worin er die Schiffspapiere und den Lederbeutel mit den zweitausend Piastern fand.
»Eine angenehme Überraschung!« rief er.
Dann klopfte er dem, vor den Augen des Leichnams noch immer regungslos dastehenden Bootsmann mahnend auf die Schulter.
»Nun aber fort von hier!« drängte er seinen Genossen.
Die Beiden ließen den Toten an Ort und Stelle liegen, wo er wahrscheinlich erst nach der Abfahrt der Brigg gefunden würde, und begaben sich nach dem Fußpfade zurück, dann aber eiligen Schrittes nach dem Hafen.
Eine Stunde später standen sie schon wieder auf dem Deck des »James- Cook«. Flig Balt schlüpfte in seine Kabine; Vin Mod begab sich nach dem jetzt leeren Volkslogis hinunter und verbarg die Papiere des Kapitäns, die gestohlenen Piaster und den Dolch tief in seinem Seemannssacke.
Eine weitere halbe Stunde mochte verflossen sein, als Karl und Pieter Kip an Bord zurückkehrten und sich hinter dem Deckhause niedersetzten, um hier die Heimkehr der Gäste des Herrn Hamburg abzuwarten.
Der elende Vin Mod machte sich, als er wieder auftauchte, auf dem Vorderdeck zu schaffen.
Er trug eine außergewöhnliche Lustigkeit zur Schau und ließ sich in ein Gespräch mit den Matrosen Hobbes und Wickley ein, die überhaupt heute nicht ans Land gegangen waren.
In dieser Weise war das Verbrechen also begangen worden.
Ein Angestellter aus der Faktorei war es, der am anderen Tage, als er über die erwähnte Waldblöße kam, die Leiche des Kapitän Gibson entdeckte. Er stürmte sofort nach dem Kontor zurück und bald verbreitete sich das Gerücht von dem Morde nach allen Seiten.
Nat Gibson war bei dieser Nachricht wie vom Blitze getroffen, kein Wunder bei der aufrichtigen Liebe, die Vater und Sohn stets verknüpft hatte. Hawkins, der sich ebenso niedergeschmettert fühlte, wie der junge Mann, hätte diesem gar keine Hilfe gewähren können. Die Gebrüder Kip trugen ihn in seine Kabine, wo er nach längerer Zeit wieder etwas zum Bewußtsein kam. Die beiden Holländer zeigten die unverkennbar aufrichtigste Teilnahme an seinem Schmerze und die unverhohlenste Entrüstung über die grausige Schandtat.
Die Mannschaft war vor Schrecken starr. Jim vergoß heiße Tränen; Hobbes, Wickley und Burnes konnten an den Tod ihres Kapitäns gar nicht glauben, und Flig Balt und Vin Mod überboten sich in Drohungen gegen den Mörder.
Nur die Neuangeworbenen aus Dunedin zeigten eine völlige Teilnahmlosigkeit. Bekanntlich hatten Len Cannon und die übrigen beschlossen, gerade heute heimlich davonzugehen, was vielleicht die Abfahrt der Brigg vereitelt hätte. Durch das Verschwinden Gibsons mochten sie aber wohl anderen Sinnes geworden sein, denn Len Cannon warf jetzt Vin Mod wiederholt einen fragenden Blick zu. Dieser wendete dabei jedoch den Kopf ab, als ob er den Matrosen nicht verstände.
Als Nat Gibson einigermaßen wieder zu sich gekommen war, stürmte er aus seiner Kabine hervor.
»Mein Vater! rief er schluchzend, ich will meinen Vater sehen!«
Karl Kip versuchte ihn zurückzuhalten. Nat stieß ihn zurück und eilte nach dem Deck hinaus.
Herr Hamburg, der schon in seine Wohnung zurückgekehrt gewesen war, beeilte sich nach dem Schiffe zu kommen, sobald er von der Mordtat gehört hatte. Hier traf er gerade in dem Augenblicke ein, wo Nat dieses verlassen wollte.
»Ich begleite Sie,« erklärte er ohne Zögern.
Es war jetzt acht Uhr. Hamburg und Zieger, Hawkins und Nat Gibson, sowie die
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