- Ohne Zweifel ist ein Mann im Meere begraben worden.

- Wenn nicht gar der Kapitän selbst!

- Hatte der 'James-Cook' auch Passagiere an Bord?

- Jawohl. nach dem, was man gehört hat, wird er in Wellington Herrn Hawkins und den jungen Gibson aufgenommen haben.

- Sollte man wegen eines Mannes von der Besatzung die Flagge in Schau führen?

- Gewiß. Warum denn nicht?«.

Frau Hawkins und Frau Gibson waren mit den seemännischen Gewohnheiten nicht so bekannt, daß ihnen gleich aufgefallen wäre, was die Leute am Hafen verwunderte. Jedermann hütete sich auch, sie darauf aufmerksam zu machen, schon aus Besorgnis, sie vielleicht unnötigerweise zu beunruhigen.

Als die Brigg aber am Kai lag und Frau Gibson in dem Kapitän, der die letzten Manöver leitete, nicht ihren Gatten erkannte, als sie ihren Sohn nicht herbeieilen sah, sie in die Arme zu schließen, und als sie diesen vielmehr mit erschlafften Gesichtszügen auf dem Hinterdeck sitzen sah, während er kaum wagte, einen Blick auf seine Mutter zu richten, und als sie noch neben dem jungen Manne auch Hawkins schmerzgebeugt stehen sah, da entrang sich ihr unwillkürlich der Ausruf:

»Harry!. Wo ist Harry?«

Eine Minute später war Nat Gibson an ihrer Seite, preßte sie an sein Herz und erstickte sie tief seufzend mit seinen Küssen. Da vernahm sie denn das entsetzliche Unglück, das sie getroffen hatte. Mit kaum verständlicher Stimme flüsterte die Ärmste noch einige Worte und wäre dann zusammengebrochen, wenn Hawkins sie nicht gehalten hätte.

»Tot! sagte der Reeder.

- Tote wiederholte Frau Hawkins erschüttert.

- Tot. ermordet!«

Man ließ einen Wagen kommen, in den die bewußtlose Frau Gibson neben Frau Hawkins gelegt wurde. Hawkins und Nat Gibson nahmen den Frauen gegenüber Platz. Der Wagen fuhr um den Hafen herum und dann nach dem Hause, wohin der Sohn zurückkehrte, das aber der Vater nie wieder betreten sollte. Die unglückliche Witwe wurde nach ihrem Zimmer gebracht, ohne daß sie bis dahin das Bewußtsein wieder erlangte. Eine volle Stunde verging noch, ehe sie auf das Schluchzen ihres Sohnes mit ihren Tränen antworten konnte.

Die traurige Neuigkeit verbreitete sich mit Blitzesschnelle in der ganzen Stadt. Überall erregte sie die größte Bestürzung, so innig war die Teilnahme an dem Geschick der angesehenen Familie Gibson. Es gibt auch kaum etwas Ergreifenderes, als die Rückkehr eines Schiffes in den Heimathafen, das seinen Kapitän nicht wieder mitbringt.

Vor dem Weggange von der Brigg hatte der Reeder den älteren Kip noch ersucht, seine Obliegenheiten während des Ausladens und bis zur Abrüstung des »James-Cook« beizubehalten. Das konnte nur wenige Tage beanspruchen, und die beiden Brüder sollten so lange an Bord wohnen bleiben. Sie waren deswegen ja nicht behindert, ein nach Europa bestimmtes Schiff zu suchen, und Hawkins wollte sie überdies über die bevorstehenden Abfahrten auf dem Laufenden halten.

Karl und Pieter Kip nahmen gern den Vorschlag des Reeders an, der sie auch am nächsten Tage in die Geschäftsverbindungen seines Hauses aufzunehmen gedachte.

Karl Kips erste Sorge war es nun, den Hafenkapitän holen zu lassen, um wegen Flig Balts und dessen Genossen die nötigen Maßregeln zu ergreifen.

In kurzer Zeit erschien der Offizier, und nachdem er gehört hatte, daß unter den uns bekannten Umständen eine Meuterei an Bord ausgebrochen war, fragte er zunächst:

»Der Bootsmann liegt in Eisen?

- Nebst zwei Matrosen, die in Dunedin angemustert worden waren, antwortete Karl Kip.

- Und die übrigen Leute?.

- Bis auf drei oder vier, die ich sofort ablohnen werde, kann ich mich auf sie verlassen.

- Gut, mein Herr, sagte der Offizier, ich werde Ihnen einige Konstabler schicken, und die Meuterer sollen in das Hafengefängnis gebracht werden.«

Eine Viertelstunde später trafen die Polizisten ein, die sich auf dem Verdeck neben der Luke aufstellten.

Flig Balt, Len Cannon und Kyle wurden nun aus dem Raume herausgeholt und aufs Deck geführt.

Mit aufeinander gepreßten Zähnen und ohne ein Wort zu äußern, begnügte sich der Bootsmann, Karl Kip einen haßerfüllten und rachedrohenden Blick zuzuschleudern. Der hitzigere Len Cannon drohte ihm mit der Faust und überschüttete ihn mit einer solchen Flut von Beleidigungen, daß einer der Konstabler ihn knebeln mußte.

Inzwischen erhob sich der hinter dem Gangspill kauernde Vin Mod ohne bemerkt zu werden, bis zum Ohre Flig Balts und flüsterte diesem so, daß es niemand hören konnte, einige Worte zu.

»Noch ist nicht alles zu Ende!. Haltet euch nach unserer Verabredung. man wird die Papiere und das Geld finden.«

Offenbar hatte sich Vin Mod, trotz der seit der Einsperrung des Bootsmannes getroffenen Vorsichtsmaßregeln, mit diesem in Verbindung setzen können. Dabei war ein Plan verabredet worden, nach dem Flig Balt sich richten sollte. Er antwortete auch auf die Einflüsterungen seines Kumpans mit einem zusagenden Zeichen.

Als die Konstabler sich anschickten, die drei Gefangenen abzuführen, entstand in der aus Sexton, Bryce und dem Koche Koa bestehenden Gruppe ein unwilliges Gemurmel. Die Burschen wurden zwar sofort zum Schweigen gebracht, doch fehlte nicht viel daran, daß Karl Kip die beiden Neuangeworbenen ihren Spießgesellen nachgeschickt hätte.

Flig Balt, Len Cannon und Kyle wurden nun nach dem Kai befördert und verfolgt von einer sie bedrohenden Menge in das Hafengefängnis abgeführt, wo sie bis zu ihrem Erscheinen vor dem Seegerichte in Hast bleiben sollten.

Gleich nach diesem unerquicklichen Vorgange ließ Karl Kip die übrigen Verdächtigen, Vin Mod, Sexton, Bryce und den Koch zu sich rufen. Ohne weitere Erklärungen gab er ihnen den Abschied mit dem ausdrücklichen Verbote, das Schiff, aus welchem Grunde es auch sei, je wieder zu betreten. Sie sollten sich nur nach dem Kontore des Reeders begeben, wo dieser mit ihnen abrechnen werde.

Vin Mod fügte sich dieser Anordnung, die ihm ohne Zweifel gelegen kam. Er begab sich nach dem Volkslogis und erschien mit seinem Seemannssacke wieder auf dem Deck. Bezüglich Sextons und Bryces erinnert sich der Leser, unter welchen Umständen diese in Dunedin angetreten waren, um nach den Vorfällen in den »Three-Magpies« der Polizei zu entfliehen. sie trugen, was sie besaßen, auf dem Leibe.

»Kommt mit!« rief Vin Mod ihnen zu.

Sie folgten dem Matrosen, der sie erst nach dem Kontore des Reeders und dann zu einem ihm bekannten Schlafbaas führte, wo alle drei Quartier nahmen.

Mit Hobbes, Wickley, Burnes und Jim hatte Karl Kip nun nichts mehr zu fürchten. Diese wackeren Leute genügten für die Arbeiten an Bord. Nach Löschung seiner Fracht sollte der »James-Cook« zeitweilig abgetakelt werden.

Welche Nacht Nat Gibson neben seiner Mutter verbrachte, das kann man sich wohl ausmalen. Frau Hawkins hatte die unglückliche Freundin nicht verlassen wollen und widmete dieser die

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