zärtlichste Pflege, während sie ihr tröstend zusprach. Man hatte ihr den ganzen tiefschmerzlichen Vorfall erzählen, hatte ihr mitteilen müssen, unter welchen Umständen der unglückliche Kapitän getötet worden war, ohne daß man eine Spur des Mörders hatte verfolgen können. Sie wollte genau wissen, an welcher Stelle des kleinen Friedhofs von Kerawara ihr geliebter Gatte ruhte, auch verlangte sie die Photographien zu sehen, die Hawkins aufgenommen hatte, und man mußte, wenn auch ungern, ihrem Verlangen willfahren. Und als sie das treue Bild des Kapitäns, seine von der Klinge des Dolches in der Herzgegend durchbohrte Brust und seine weit offenen Augen erblickte, die auf sie gerichtet schienen, da verfiel sie in einen so heftigen Weinkrampf, daß man sie diese gar nicht endenwollende Nacht sorgsamst überwachen mußte.

Am nächsten Morgen wurde ein Arzt gerufen, und seine Anordnungen brachten der Frau Gibson wenigstens einige Beruhigung, doch welch trauriges Leben erwartete sie nun in dem seines Oberhauptes beraubten Hause.

Langsam verstrichen einige Tage. Unter der Leitung Karl Kips war die Löschung der Fracht der Brigg beendigt worden.

Die dreihundert Tonnen Koprah und die Kisten mit Perlmutter lagen in den Schuppen des Kontors. Die Matrosen waren nur noch beschäftigt, das Fahrzeug abzurüsten, die Raaen von den Masten niederzuholen, die Trissen und das übrige laufende Gut zu verstauen, und eine gründliche Reinigung des Frachtraumes, des Volkslogis und des Deckhauses, sowie des Decks selbst zu besorgen. Der »JamesCook« sollte vor Ablauf mehrerer Monate nicht wieder in See gehen; als die Mannschaft dann ihren Sold erhalten hatte, bugsierte man das Schiff nach dem Hintergrunde des Hafens, wo es unter Aufsicht eines Wächters liegen blieb.

Die Gebrüder Kip mußten nun eine Wohnung in der Stadt beziehen. Natürlich blieben sie mit dem Reeder in täglicher Verbindung, und wiederholt nahmen sie an der Tafel der Frau Hawkins Platz, die die Zuneigung ihres Gatten für die beiden Holländer teilte und nicht müde wurde, ihnen ihre warme Teilnahme zu bezeugen.

Frau Gibson empfing keinen Menschen. Davon machte sie nur ein- oder zweimal eine Ausnahme bezüglich der beiden Brüder, die ihr gegenüber die zarteste Zurückhaltung wahrten. Nat Gibson begab sich mehrmals an Bord und konnte sich hier den Danksagungen des Reeders nur rückhaltlos anschließen.

Am 7. Januar, noch ehe Karl und Pieter Kip das Schiff verlassen hatten, knüpfte er mit ihnen ein Gespräch über ihre derzeitige Lage an, um ihnen einige Vorschläge zu machen.

»Lieber Herr Kip, begann er, sich an den älteren Bruder wendend, mit höchster Anerkennung gedenke ich Ihrer

Ergebenheit und Ihres Eifers bei den unglücklichen Verhältnissen, in denen sich unser Schiff befunden hat. Wir verdanken Ihnen dessen Rettung und die seiner Insassen. Ohne Sie wär' es wahrscheinlich bei dem Sturme im Korallenmeer elend zu Grunde gegangen.

- Es gereicht mir zur großen Genugtuung, Herr Hawkins, wenn ich mich einigermaßen habe nützlich machen können.

- Und ich bin Ihnen dafür dankbar verbunden, versicherte der Reeder. Hätte der »James-Cook« schon in der nächsten Zeit wieder abfahren sollen, so würde ich Sie ersucht haben, dessen Führung auch weiter zu behalten.

- Sie sind zu gütig, Herr Hawkins, und ich fühle mich durch Ihre Worte sehr geehrt. Einen solchen Vorschlag würde ich auch ohne Zögern angenommen haben, wenn uns, meinen Bruder und mich, nicht wichtige und höchst dringliche Angelegenheiten nötigten, so schnell wie möglich heimzukehren.

- Ja, so ist es, Herr Hawkins, setzte Pieter Kip hinzu, wir müssen schleunigst ein Schiff zu finden suchen, das nach Europa abgeht.

- Das begreif ich, meine Herren, antwortete Hawkins, die Trennung von Ihnen, vielleicht auf Nimmerwiedersehen, wird uns aber schwer genug werden.

- O. wer weiß? meinte Karl Kip. Warum sollten sich, nach Ordnung unserer Angelegenheiten in Groningen, die unsere Anwesenheit dort unumgänglich notwendig macht, warum sollten sich nicht später angenehme Handelsverbindungen zwischen unseren beiden Häusern entwickeln?

- Ich wünsche es dringend, erklärte der Reeder, und werde mich glücklich schätzen, wenn es sich erst verwirklicht.

- Und wir nicht minder, fiel Karl Kip ein. Was mich betrifft, werde ich einen Reedereianteil zu erwerben suchen, sobald unsere Liquidation beendet ist, und dann wär' es ja möglich, daß ich auch noch einmal nach Hobart-Town käme.

- Wo man Sie stets als Freund empfangen wird, versicherte Hawkins in herzlichstem Tone. Es versteht sich von selbst, meine Herren, daß meine Kasse zu Ihrer Verfügung steht. Sie haben Ihr gesamtes Besitztum beim Schiffbruche der 'Wilhelmina' eingebüßt, und alles, was Sie in Hobart-Town irgend nötig haben. o, keinen Widerspruch. wir rechnen später miteinander ab, nicht wahr?

- Wir danken Ihnen für so viel Wohlwollen, Herr Hawkins, antwortete Karl Kip, ich hoffe aber wir werden davon keinen Gebrauch zu machen haben. Vielleicht finde ich Gelegenheit, auf dem Schiffe, das uns nach Europa bringen soll, als Obersteuermann anzutreten, und dann würde mein Sold ausreichen, die Fahrt meines Bruders zu bezahlen.

- Ganz gut und schön, Herr Kip; wenn sich eine solche Gelegenheit aber nicht bietet, so erinnern Sie sich daran, daß ich zu Ihrer Verfügung stehe.«

Die beiden Brüder antworteten nur durch einen warmen Händedruck.

»Auf jeden Fall, nahm der Reeder wieder das Wort, schulde ich Ihnen, Herr Karl Kip, noch Ihr Kapitänshonorar für den letzten Teil der Fahrt des »James-Cook« und eine Ablehnung Ihrerseits lass' ich auf keinen Fall gelten.

- Nun gut, Herr Hawkins, erwiderte Karl Kip, wir können dagegen aber auch den Empfang nicht vergessen, der uns von Ihnen zu teil geworden ist. Sie haben sich zwei Schiffbrüchigen gegenüber als warmherziger Mann erwiesen, und wir bleiben, was auch kommen möge, Ihre Schuldner!«

Hawkins versprach noch, sich um eine Fahrgelegenheit für die beiden Brüder zu bemühen. Er werde sie über das Auslaufen geeigneter Schiffe unterrichten und sich für die Anstellung Karl Kips als Obersteuermann verwenden, was es ihnen ja ermöglichen mußte, nach Europa heimzukehren, ohne - da sie es so wünschten - deshalb jemand anders in Anspruch zu nehmen.

Hierauf trennten sich der Reeder und die Gebrüder Kip, nachdem sie einander noch ihre Ergebenheit und Dankbarkeit in warmen Worten versichert hatten.

Karl und Pieter Kip suchten nun nach einem bescheidenen Hotel, wo sie bis zur Abreise von Hobart-Town wohnen könnten. Das gab ihnen Gelegenheit, diese Stadt eingehender zu besichtigen, nach der der ältere der Brüder bei seinen weiten Seefahrten noch niemals gekommen war.

Unzweifelhaft verdient die Hauptstadt Tasmaniens die Bewunderung der Touristen. Sie ist eine der hübschesten Städte des britischen Australiens. Ihre Straßen sind breit, lustig, gut unterhalten und mit kühlen Schatten spendenden Bäumen geschmückt, und ihre, wenn auch nur kleinen Häuser bieten einen angenehmen Anblick. An grünen, öffentlichen Plätzen fehlt es hier nicht, und dazu kommt noch ein herrlicher, vierhundert Hektar großer Park, östlich vom Mount Wellington, dessen schneeige Gipfel sich dicht daneben in den Wolken verlieren.

Bei ihren Spaziergängen begegneten Karl und Pieter Kip auch wiederholt einigen Matrosen vom »James-Cook«, unter anderen Vin Mod und Bryce. Suchten die auch wieder auf einem

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