werden. Der Bericht beschuldigte sie nicht ausdrücklich der tätigen Teilnahme an dem - dank der Energie des neuen Kapitäns - übrigens so schnell unterdrückten Aufruhr. Möglicherweise weilten sie gar nicht mehr in Hobart-Town, wenn die Verhandlung vor dem Gerichte begann, vielleicht hatten sie sich dann schon aufs neue eingeschifft, und das wäre ihnen natürlich am liebsten gewesen.

Was Vin Mod anging, der ja im Grunde die Seele der Meuterei gewesen war, lag mit diesem arglistigen Burschen, dessen verderblichem Einflusse, der Bootsmann erlegen war, der Fall wesentlich anders. Er sachte sich den Folgen seiner Treibereien nicht durch die Flucht zu entziehen. Seine Verabredung mit Flig Balt würde ja die Probe bestehen, und doch, wer kannte wissen, ob dieser nicht, durch Fragen bedrängt und sich selbst verloren sehend, vielleicht gestehen und die Mitschuld Vin Mods entschleiern würde.

Freilich waren sie ja aneinander gekettet wie zwei Galeerensträflinge, verbunden durch das gemeinsam vergossene Blut, das Blut des unglücklichen Harry Gibson.

Da er dem Bootsmanne aber doch eine Schwächeanwandlung zutraute, hatte Vin Mod alles Interesse daran, ihn möglichst zu entlasten, und vielleicht besaß er dazu auch die Mittel. Geistig nicht unbefähigt und um Ausflüchte nie verlegen, wußte er, daß Flig Balt auf ihn rechnete. Gelang es ihm, in der Angelegenheit des »James-Cook« der Gerechtigkeit in den Arm zu fallen, so hatte weder er selbst noch der andere irgend etwas zu fürchten. Wer hätte vermuten können, daß gerade sie die Urheber der Mordtat wären, die in den fernen Gebieten Neuirlands begangen worden war? - Inzwischen konnte Vin Mod in aller Ruhe in Hobart-Town bleiben, und das von dem Kapitän geraubte Geld überhob ihn vorläufig jeder Sorge für seinen Lebensunterhalt.

Übrigens hatte dieser Schurke in Übereinstimmung mit Flig Balt jedenfalls schon vorher einen Plan entworfen, den er gewiß zur Ausführung zu bringen versuchte, da er sich ja völliger Freiheit erfreute. Bei der Unmöglichkeit aber, mit dem Bootsmanne in Verbindung zu treten, sagte er sich, während er seine Idee überdachte und sich seine Absicht vor Augen führte, um jede Störung auszuschließen:

»Wird er mich auch richtig verstanden haben?. Die Sache ist ja so einfach. das würde die Meuterei erklären, würde sie entschuldigen!. O, wenn ich an seiner Stelle wäre!. Freilich wär' ich dann nicht an der meinigen, und da muß ich doch sein. Leider ist er kein Mann von leichtem Begriffsvermögen. man muß ihm alles förmlich eintrichtern!. Doch sollte es denn kein Mittel geben, zu ihm zu gelangen. für mich oder einen anderen, ob Kyle oder Sexton. um ihm zu sagen: Es ist ausgeführt. Es ist freilich notwendig, daß das geschehen ist, spätestens am Tage der Gerichtsverhandlung. Die Brüder würden es dann erst zu spät bemerken. Na. ich werde darüber weiter nachdenken. Vor allem kommt es darauf an, ihn aus der Schlinge zu ziehen. damit rächen wir uns an dem verfluchten Gelegenheits-Kapitän!. Ha, wenn ich den nicht samt seinem Bruder sollte ein Pas de deux am Ende eines Strickes tanzen sehen!«

Und während Vin Mod so für sich grübelte, erbleichte sein Gesicht, seine Augen füllten sich mit Blut und seine Züge verrieten einen unbezähmbaren Haß.

Unzweifelhaft beabsichtigte Vin Mod also einen Schurkenstreich gegen die Gebrüder Kip. Bei dem Zusammentreffen gewisser Umstände erschien es leicht, das in Kerawara begangene Verbrechen so darzustellen, daß auf sie ein schwerer Verdacht fiel. Seit Ankunft der Brigg und seit ihrer Abtakelung hatte Vin Mod deshalb aufmerksam beobachtet, was Karl und Pieter Kip taten. Was es diesen erwünscht sein ließ, so bald wie möglich Hobart-Town zu verlassen und nach Europa zurückzukehren, das war ihm ja bekannt genug. Die Gelegenheit aber, ein Schiff zu finden, das fertig war, in See zu gehen, bot sich, von einem besonderen Zufall abgesehen, sicherlich nicht alle Tage.

Vin Mod wußte überdies, daß Karl Kip eine Anstellung als Obersteuermann suchte und daß Hawkins ihn unterstützte, eine solche zu finden. Das war ein weiterer Anlaß zu Verzögerungen, und jedenfalls würden die beiden Brüder nicht eher abgereist sein, als bis die Seebehörde die Meuterer vom »James-Cook« abgeurteilt hätte. anderenfalls wären Vin Mods Pläne vereitelt gewesen.

Karl Kip mußte bei der bevorstehenden Verhandlung übrigens doch wohl persönlich anwesend sein. Sein Bruder hätte ja vielleicht fehlen können, da zunächst Hawkins, Nat

Gibson und die Matrosen der Brigg vor Gericht ihre Aussagen machen mußten. Die Erklärung des Kapitäns blieb aber doch das wichtigste, und er als Hauptzeuge konnte sich also nicht davon befreien, vor den Richtern zu erscheinen.

Vin Mod verstand es überdies, die beiden Brüder während ihres Aufenthaltes in Hobart-Town nicht aus den Augen zu verlieren. Sobald er sich überzeugt hatte, daß sie in den Gasthof zum Great Old Man gezogen waren, sicherte er sich, durch einen falschen Bart verstellt, dort ebenfalls ein Zimmer, bezahlte es für vierzehn Tage im voraus und schrieb sich unter dem falschen Namen Ned Pat ins Fremdenbuch ein. Seinen wahren Namen Vin Mod gab er dagegen in dem Gasthause zu den Fresh- Fishs an, wo sich Sexton, Kyle und Bryce, in einem anderen Stadtteile am Hafen, eingemietet hatten. Als Ned Pat ging er stets sehr frühzeitig aus, kam erst spät zurück und nahm hier auch keine Mahlzeit ein. alles in der Absicht, Karl und Pieter Kip sein Tun und Treiben möglichst zu verheimlichen. Vor allem hütete er sich, den Brüdern in den Weg zu kommen, obgleich ihn diese jetzt wohl kaum erkannt hätten.

Vin Mod hatte sich im Great Old Man ein Zimmer neben dem ihrigen zu verschaffen gewußt, und durch nach einem gemeinschaftlichen Balkon zu gelegenen Fenster mußte es ihm leicht werden, in das der Brüder einzudringen, was er zur Ausführung seines Planes unbedingt wagen mußte.

Vin Mod konnte sogar jedes Gespräch zwischen Karl und Pieter Kip verstehen, wenn er sich nach Einbruch der Dunkelheit auf den Balkon schlich. Die Holländer, die nicht ahnten, belauscht zu werden, sprachen dann nur von persönlichen und völlig harmlosen Dingen, so daß sie nicht einmal die Vorsicht gebrauchten, ihre Stimmen zu dämpfen. Der starken Hitze wegen stand auch in den meisten Fällen das Fenster hinter den Jalousien halb offen.

Am Abend des 13. belauschte er nun, bei strenger Vorsicht, nicht bemerkt zu werden, eine längere Unterhaltung der Brüder. Es war schon völlig finster, eine Petroleumlampe verbreitete in dem Zimmer ein schwaches Licht, und so konnte Vin Mod nicht nur das Gespräch im Zimmer deutlich hören, sondern auch sehen, was darin vorging.

Das Zimmer war nur sehr bescheiden ausgestattet: zwei eiserne Bettstellen an der Längswand, ein ziemlich roher Schrank, ein Tisch in der Mitte, eine dreibeinige Toilette und drei Stühle aus gebogenem Holz, das war alles; im Kamin lag noch ein Haufen alter Asche.

Ein Schemel trug den vom Wrack der »Wilhelmina« geborgenen Reisesack mit allem, was die beiden Brüder jetzt besaßen und sich zum Teil erst in Hobart-Town, beschafft hatten, wie Wäsche und andere kleine Bedürfnisse, die sie für das von der Firma Hawkins erhaltene Geld eingekauft hatten. Einige in gleicher Weise erworbene Kleidungsstücke hingen an einem Kleiderrechen rechts von der Eingangstür, die sich nach dem, mehreren Zimmern gemeinsamen Vorsaale hin öffnete, an dem auch das Vin Mods lag.

Am Tische sitzend, musterte Pieter Kip eben einige, auf das Kontor in Amboina bezügliche Papiere, als sein Bruder fröhlichen Gesichts eintrat.

»Gelungen, Pieter, rief er mit befriedigter Stimme, es ist mir gelungen. unsere Rückfahrt ist nun gesichert!«

Pieter Kip begriff, daß sich diese Worte auf die seit mehreren Tagen angestellten Versuche bezogen, die Stelle eines Obersteuermannes auf einem der holländischen Schiffe zu erhalten, die sich zu bald bevorstehender Abfahrt von Hobart-Town mit der Bestimmung nach Europa rüsteten.

Pieter Kip drückte seinem Bruder glückwünschend die Hände.

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