- Das werden wir ja sehen, Herr Hawkins, antwortete der Kapitän Fork, und ich bezweifle es ja nicht: Herr Karl Kip wird im Verlaufe der Fahrt schon die gute Meinung rechtfertigen, die wir bereits von ihm gewonnen haben. Die Firma Arnemniden wird das zu schätzen wissen, und damit wäre seine Zukunft gesichert.

- Ja, er wird sie rechtfertigen, versicherte Hawkins überzeugten Tones, das weiß ich voraus!«

Man sieht hieraus, daß der Reeder nicht ohne Grund den beiden Brüdern höchst zugetan war.

Was er von dem älteren dachte, dachte er auch von dem jüngeren, da er erkannt hatte, daß Pieter Kip in allen Handelsangelegenheiten bestens erfahren war. Er hegte deshalb auch die Überzeugung, daß er das alte Groninger Haus, dank den mit Tasmanien und Neuseeland angebahnten Verbindungen, bald wieder auf feste Füße stellen werde.

Natürlich fühlten sich die beiden Brüder Herrn Hawkins, der ihnen so große Dienste geleistet hatte, zum aufrichtigsten Danke verpflichtet. Sie kamen mit ihm so häufig wie möglich zusammen und saßen nach vollbrachtem Tagewerk oft mit an seinem Tische. Frau Hawkins teilte die Empfindungen ihres Gatten für die beiden begabten, prächtigen Menschen. Sie liebte es, sich mit ihnen zu unterhalten und über ihre Zukunftspläne zu plaudern. Dann und wann verbrachte auch Nat Gibson den Abend in dem gastfreundlichen Hause. Er interessierte sich lebhaft für alle Schritte, die Pieter Kip unternahm. Nach einigen Tagen sollte der »Skydnam« auslaufen, und ein Jahr würde kaum verstreichen, bis er nach Hobart-Town zurückkehrte. Das sollte ein frohes Wiedersehen werden!

»Und dann, sagte Hawkins, begrüßen mir den Kapitän Kip, den Führer des 'Skydnam', mit hoher Befriedigung als solchen. Ja, der gute Fork ist berechtigt, sich nach dem Eintreffen in Europa zur Ruhe zu setzen. Sie, Herr Kip, werden dann an seine Stelle treten, und unter Ihren Händen wird der 'Skydnam' ja sein, was der 'James-Cook' gewesen ist, ein Schiff unter sicherster Führung!«

Leider erweckte die Nennung des zweiten Namens immer die trübsten Erinnerungen. Hawkins, Nat Gibson und die beiden Brüder sahen sich wieder in Neuirland, in Port-Praslin, in Kerawara, inmitten des dichten Waldes, wo der unglückliche Gibson umgekommen war, und vor dem bescheidenen Friedhofe, in dem der Kapitän seine letzte Ruhestätte gefunden hatte.

Als jener Name ausgesprochen wurde, überfiel Nat Gibson eine Totenblässe. All sein Blut drängte sich zum Herzen und seine Stimme bebte, als er darauf rief:

»Mein Vater, mein armer Vater! Du wirst also nicht gerächt werden!«

Hawkins sachte ihn zu beruhigen; man müsse doch erst die Nachrichten abwarten, die mit dem nächsten Postdampfer aus dem Bismarck-Archipel kämen. Herr Hamburg oder Herr Zieger hätte die Schuldigen vielleicht schon entdeckt. Freilich beständen keine so häufigen Verbindungen zwischen Tasmanien und Neuirland. Wer könne wissen, ob man die Erfolge der Nachforschungen nicht erst nach mehreren Monaten erführe.

Der 19. Januar war herangekommen. In achtundvierzig Stunden sollte die Angelegenheit der Meuterer vom »JamesCook« vor dem Seeamte zur Verhandlung kommen und würde, wenn keine unerwarteten Zwischenfälle einträten, an demselben Tage zu Ende geführt werden.

Drei Tage darauf sollte der »Skydnam« abdampfen und dann hätten die Gebrüder Kip Hobart-Town auf dem Wege nach Hamburg verlassen.

Am Nachmittage des nächsten Tages hätte man Vin Mod um das Hafengefängnis umherschleichen sehen können. Sehr erregt, obgleich er sich sonst so gut zu bemeistern verstand, ging er raschen Schrittes dahin, bemühte sich unbemerkt zu bleiben und ließ zuweilen, von unruhigen Bewegungen unterbrochen, zusammenhanglose Worte fallen, die zu verstehen gewiß sehr interessant gewesen wäre.

Wer konnte wissen, was er erwartete, als der Schurke wiederholt am Tore des Gefängnisses vorbeistrich? Suchte er vielleicht gar in das Haus zu gelangen, um sich mit Flig Balt ins Einvernehmen zu setzen?. Nein, das konnte er nicht erwarten, denn es würde ihm unmöglich sein, durch das Tor einzudringen.

Vielleicht hoffte er aber, den Bootsmann an einem hochgelegenen Fenster des Gebäudes zu erblicken, dessen oberstes Stockwerk die Umfassungsmauer überragte. Das war jedoch auch unwahrscheinlich, mindestens wenn Flig Balt, dem dann bekannt sein mußte, daß die Verhandlung am nächsten Tage bevorstand, nicht auf den Gedanken kam, daß Vin Mod versuchen könnte, ihm auf irgendwelche Weise wichtige Mitteilungen zu machen. Darüber konnte ja zwischen beiden schon vorher eine Verabredung getroffen worden sein.

Unter den gegebenen Umständen, wo der eine draußen, der andere drinnen war, hätte sich der Verkehr zwischen den beiden Männern freilich auf einzelne Zeichen beschränken müssen, und da blieb es doch fraglich, ob eine Bewegung des Kopfes, eine Geste mit der Hand auch richtig verstanden würde.

Wie dem auch sein mochte, jedenfalls blieb Flig Balt von Vin Mod und dieser von Flig Balt unbemerkt. Nach einem letzten, zu dem hohen Gebäude emporgeworfenen Blicke schlich denn Vin Mod auch im Halbdunkel nach seinem Gasthofe zurück.

»Ja ja, murmelte er, immer tief in Gedanken versunken, das ist der einzige Weg, ihm Nachricht zukommen zu lassen, und wenn der nicht gangbar wäre. Doch gleichviel. ich trete ja als Zeuge auf. ich werde sprechen. und was Flig Balt vielleicht nicht sagt, das sage ich. ja. das werde ich sagen und die Gebrüder Kip werden es empfinden!«

An diesem Abend begab sich Vin Mod nicht nach der Spelunke, den Fresh-Fishs, sondern nach dem Gasthofe zum Great Old Man.

Es war jetzt gegen sieben Uhr. Schon seit Mittag rieselte ein seiner, durchdringender Regen nieder. Die Straßen lagen in tiefer Finsternis, die nur da und dort von dem begrenzten Scheine einer Gaslaterne unterbrochen wurde.

Unbemerkt gelangte Vin Mod nach dem Gange, der zu seinem, eine Treppe hoch gelegenen Zimmer führte. Auf dem Balkon angelangt, lugte er durch das Zimmerfenster der Holländer, dessen Jalousien nicht geschlossen waren.

Da er keinerlei Geräusch aus dem Innern vernahm, schloß er mit Recht, daß das Zimmer augenblicklich leer sei.

Gerade an diesem Abend befanden sich Karl und Pieter Kip zum Abendessen bei Herrn Hawkins und kehrten voraussichtlich vor zehn oder elf Uhr nicht in ihr Zimmer zurück.

Vin Mod sah sich also durch den günstigsten Zufall unterstützt, und es konnte ihm weder an Zeit fehlen, sein Vorhaben auszuführen, noch lief er Gefahr, dabei überrascht zu werden.

Er begab sich jetzt zunächst nach seinem eigenen Zimmer, öffnete hier einen Schrank und entnahm diesem verschiedene Papiere, denen er noch eine gewisse Menge Piaster beilegte, und dazu auch den Kriß, womit Flig Balt den Kapitän ermordet hatte.

Wenige Augenblicke später schüpfte Vin Mod in die Wohnung der beiden Brüder, wozu er nicht einmal gezwungen gewesen war, eine Scheibe einzudrücken, da ein Flügel des Fensters nur angelehnt war.

Die Einrichtung dieses Zimmers kannte er ja ganz genau, hatte er doch oft genug hineingeblickt, wenn er sich bemühte, die Gespräche zwischen Karl und Pieter Kip zu belauschen. Er brauchte nicht einmal Licht anzuzünden, was ihn doch hätte verraten können. Er wußte ja, wie die Möbel standen und wo auf einem Schemel der Reisesack lag, der noch von der »Wilhelmina« geborgen worden war.

Von diesem Mantelsack brauchte er nur die Verschlußriemen zu lösen.

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