Die darin enthaltenen Wäschestücke hoch hebend, steckte er die Papiere, die Piaster und den Dolch darunter und schloß den Sack wieder zu.
»Das wäre geschehen!« murmelte er befriedigt.
Dann stieg er durch das Fenster hinaus, lehnte dessen Flügel wieder an und zog sich über den Balkon hin nach seinem Zimmer zurück.
Nach ganz kurzem Aufenthalte darin schritt Vin Mod jedoch der Treppe zu, trat auf die Straße hinaus und begab sich nach dem Gasthofe zu den Fresh-Fishs, wo ihn Sexton, Kyle und Bryce hatten erwarten sollen.
Es schlug eben halb acht, als er in das gemeinschaftliche Gastzimmer eintrat, wo er seine Genossen fleißig trinkend vorfand.
Sexton und Bryce hatten schon so manche Gläser Whisky und Gin geleert. Wenn auch nicht lärmender und rauflustiger Trunkenheit verfallen, sondern mürrisch gestimmt und eher etwas verdummt, wären sie nicht imstande gewesen, zu begreifen, was Vin Mod ihnen gesagt hätte, wenn er einen von ihnen nötig gehabt hätte.
Kyle dagegen - mit dem er gewohnheitsmäßig überhaupt am liebsten sprach - hatte, wohl auf eine vorherige Warnung Vin Mods hin, die auf dem Tische stehenden Flaschen kaum angerührt.
Als dieser in der Gaststube erschien, ging er ihm sofort entgegen. Vin Mod gab ihm ein Zeichen, jetzt nicht zu sprechen, und beide nahmen nebeneinander Platz.
In dem Raume befanden sich gegen zwanzig zechende Gäste, meist Matrosen, die über ihre Urlaubszeit hinaus unter qualmenden Lampen und in erstickender Luft an einem großen Tische saßen.
Jeden Augenblick taumelten angetrunkene Männer hinaus oder herein. In der Gaststube herrschte ein solcher Lärm, daß man einander getrost etwas ins Ohr raunen konnte, ohne Gefahr zu laufen, daß andere das verständen.
Der Tisch, den Kyle gewählt hatte, stand überdies in der dunkelsten Ecke des Raumes.
»Du bist schon seit einer Stunde hier? begann Vin Mod, der sich dabei seinem Kameraden zuneigte.
- Ja. habe auf dich der Verabredung nach gewartet.
- Und die anderen konnten der Begierde, zu trinken, nicht widerstehen?
- Nein. bedenke doch. eine volle Stunde.
- Und du selbst?.
- Ich. o, ich habe mir nur einmal mein Glas gefüllt, es steht aber noch unberührt da.
- Das wirst du nicht zu bereuen haben, Kyle, denn es ist nötig, daß du alle Sinne beisammen hast.
- Das kann ich versichern, Mod!
- Nun gut; wenn du noch nichts getrunken hast, so wirst du jetzt trinken.
- Auf deine Gesundheit!« antwortete Kyle, der sein Glas ergriff und es zum Munde führte.
Da packte ihn aber Vin Mad am Arme und nötigte ihn, das Glas wieder auf den Tisch zu stellen, ohne die Lippen benetzt zu haben.
»Du willst mich also doch nicht trinken lassen? fragte Kyle verwundert.
- Nein. du sollst dich nur so stellen, als ob du tränkst oder gar schon zu viel genossen hättest.
- So?. Und warum das, Mod?
- Weil du dich, den Betrunkenen spielend, erheben, durch die Gaststube schwanken und mit dem einen oder dem anderen Streit suchen sollst unter der Drohung, alles kurz und klein zu schlagen, bis der Gastwirt Polizisten herbeiruft, die dich wegführen und ins Gefängnis bringen sollen.
- Ins Gefängnis?.«
Kyle konnte nicht begreifen, worauf Vin Mod hinauswollte. Sich stellen, als ob er tränke, das paßte ihm recht wenig, sich wegen Ruhestörung gar einsperren zu lassen, paßte ihm aber gar nicht.
»Höre mich nur an, sagte Vin Mod. Ich brauche dich in einer Sache, die dir viel einbringen wird, wenn du Erfolg hast und geschickt deine Rolle spielst.
- Wobei nichts zu riskieren ist?.
- Ein paar Püffe sind ja zu riskieren, fünf bis sechs Pfund Sterling aber dafür einzuheimsen.
- Fünf bis sechs Pfund? wiederholte Kyle, dem diese Aussicht recht verlockend erschien.
- Und die anderen? fragte er noch mit einem Hinweis auf seine Kameraden.
- Für die ist das nichts, erklärte Vin Mod. Du siehst ja, sie sind in einer Verfassung, in der sie nichts zu verstehen und nichts zu tun vermögen!«
Wirklich hatte keiner von ihnen Vin Mod nicht einmal erkannt, als dieser sich gesetzt hatte. Sie sahen nichts und hörten nichts. Maschinenartig hoben ihre Arme die Gläser und sanken schwer wieder auf den Tisch zurück. Sexton murmelte, wie die meisten Betrunkenen, unzusammenhängende Worte vor sich hin oder sang mit heiserer Stimme ein Seemannslied, das er mit den in der Luft umherfuchtelnden Armen begleitete. Bryce hatte den Kopf gesenkt, die Schultern eingezogen und die Augen schon halb geschlossen. er war dem Einschlafen näher als dem Wachsein.
Inzwischen wurde es im Zimmer immer lauter, Schreie und Zurufe flogen von einer Gruppe zur anderen, und an Herausforderungen um nichts und wieder nichts fehlte es gelegentlich auch nicht.
Der an Kunden dieses Schlages gewöhnte Gastwirt ging überall umher und schenkte fleißig seine abscheulichen Getränke ein.
»Nun also, nahm Kyle, näher an seinen Kameraden heranrückend, wieder das Wort, um was handelt sich's eigentlich?
- Ich habe dem Freunde Flig Balt ein paar Worte mitzuteilen, antwortete Vin Mod, und da Flig Balt im Gefängnisse ist, muß ihn einer dort aufsuchen.
- Diesen Abend?.
- Noch diesen Abend, denn morgen tritt das Gericht zusammen und dann wär' es zu spät. Es ist keine Zeit mehr zu verlieren und ich rechne darauf, daß du den Betrunkenen spielen wirst.
- Ohne etwas genossen zu haben?
- Keinen Tropfen, Kyle! Die Sache ist ja nicht so schwierig. Du stehst auf, fängst an zu schreien, zu brüllen, bändelst mit andern Zechern Streit an, selbst auf die Gefahr hin, den kürzeren zu ziehen.
- Und wenn ich gehörige Schläge bekomme?.
- So verdopple ich die Belohnung!« versprach Vin Mod.
Diese Zusicherung schien bei Kyle jedes Zögern
niederzuschlagen, so daß es ihm auf einige Püffe mehr oder weniger nicht mehr ankam. Er erhob nur noch einen einzigen Einwand.
»Wenn es unbedingt erforderlich ist, mit Flig Balt zu sprechen, sagte er, warum soll ich es unternehmen, zu ihm zu kommen. Warum tust du es nicht selbst?
- Nicht so viele Worte, Kyle! erwiderte Vin Mod, dem schon die Geduld auszugehen drohte. Ich muß unbedingt frei bleiben, muß zur Stelle sein, wenn Flig Balt abgeurteilt wird. Einmal im Loche, kommt man vor achtundvierzig Stunden nicht wieder an die Luft, und ich wiederhole dir, ich muß
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