unbedingt da sein.«

Als letztes Hilfsmittel griff Vin Mod in die Tasche seiner Jacke, holte ein Goldstück heraus und ließ es dem Matrosen in die Hand gleiten.

»Als Anzahlung, sagte er, das übrige folgt, wenn du wieder herauskommst.

- Und wenn man mich entlassen hat, wo werd' ich dich dann finden?

- Hier. jeden Abend.

- Abgemacht, rief Kyle. Nun aber wenigstens ein Glas Gin, damit ich in Zug komme. Dann spiel' ich den Betrunkenen desto besser.«

Er erhob das mit dem brennend scharfen Branntwein gefüllte Glas und leerte es in einem Zuge.

»Es ist Zeit, die höchste Zeit, drängte Vin Mod, also passe gut auf! - Was ich Flig Balt mitzuteilen habe, hätte ich ja aufschreiben können und du brauchtest ihm dann nur ein Blättchen Papier zu überbringen. Wenn man das aber bei dir fände, wäre die ganze Geschichte verfehlt. Übrigens handelt es sich nur um sehr wenige Worte, die du dir gewiß merken kannst. Sobald dich die Polizei in die Hast abgeliefert hat, bemühe dich, mit Flig Balt zusammenzutreffen. Gelingt dir das nicht heut Abend, so muß es morgen geschehen, ehe man ihn nach dem Seegerichte abholt.

- Ganz recht, Mod, antwortete Kyle, und was soll ich ihm sagen?

- Du wirst ihm sagen, daß die Sache geschehen sei und er könne ohne Bedenken die Anklage vorbringen.

- Gegen wen denn?

- Das weiß er schon.

- Und weiter nichts?

- Nein. weiter nichts.

- Gut, Mod, erwiderte Kyle, und nun wirst du mich betrunken sehen, als wäre ich der schlimmste Zechbruder von den Untertanen Ihrer Majestät!«

Kyle erhob sich dabei schwerfällig, schwankte im Fortgehen, fiel einmal hin und richtete sich mit Mühe wieder auf, indem er sich an den ersten besten Tisch anklammerte. Er bedrohte die Zecher, die ihn mit kräftiger Faust zurückstießen. Dann schimpfte er auf den Wirt, weil dieser ihm nichts mehr zu trinken geben wollte und versetzte ihm einen Stoß vor die Brust, daß der Mann durch die offen stehende Tür bis zur Straße hinaustaumelte.

Ganz - hier in doppeltem Sinne - außer sich, rief der Gastwirt um Hilfe. Zwei bis drei Polizisten kamen herbeigeeilt und fielen über Kyle her, der nur schwachen Widerstand leistete, um sich schmerzhafte Schläge zu ersparen.

Schließlich wurde er leicht gefesselt, mitten durch einen gröhlenden Haufen abgeführt und im Hafengefängnis eingesperrt.

Vin Mod war ihm nachgefolgt, und als er sah, daß sich das Tor der Anstalt hinter Kyle geschlossen hatte, kehrte er befriedigt nach dem Gasthofe zu den Fresh-Fishs zurück.

Viertes Kapitel.

Vor dem Seegerichte

Es kann nicht wundernehmen, daß die bedauerlichen Vorkommnisse auf der letzten Fahrt des »James-Cook« in Hobart-Town Aufsehen erregt hatten und eifrig besprochen wurden. Die unter noch unaufgeklärten Umständen erfolgte Ermordung des Kapitäns Harry Gibson einerseits, die von Flig Balt versuchte und von Karl Kip unterdrückte Meuterei anderseits. mehr bedurfte es nicht, unter den Einwohnern der Hafenstadt eine hochgradige Erregung zu schüren.

Von dem ruchlosen Morde hatte man nicht eher etwas gewußt, als bis die Brigg mit der Flagge in Schau wieder im Hafen eingelaufen war.

Was die Meuterei betraf, war man einstimmig der Ansicht, daß das Seegericht Flig Balt und seinen Helfershelfer schuldig sprechen und den Bootsmann zu harter Strafe verurteilen werde, das umsomehr unter Berücksichtigung der Verhältnisse, worunter sich das Schiff befunden hatte. Unter zehn bis fünfzehn Jahren Bagno könnte Flig Balt nicht wegkommen.

Die Hauptzeugen, Hawkins, Nat Gibson, Karl und Pieter Kip, sowie die Matrosen Burnes, Wickley und Hobbes nebst dem Schiffsjungen Jim, waren schon in der Voruntersuchung vernommen worden. Die von dem Angeschuldigten genannten anderen, Vin Mod, Sexton, Kyle, Bryce und der Koch Koa, sollten als Entlastungszeugen abgehört werden.

Ohne unvorhergesehene Zwischenfälle sollte die schnell erledigte Angelegenheit nur eine einzige Sitzung in Anspruch nehmen.

Der Gerichtssaal war am Verhandlungstage von Zuhörern überfüllt. Von neun Uhr vormittags ab drängte sich die Menge nach dem ihr überlassenen Raume, Kaufleute, Reeder, Offiziere der Handelsflotte und Journalisten bunt durcheinander, daneben aber auch viele Matrosen, die aus den benachbarten Schenken kamen und wahrscheinlich mehr zu Gunsten der Angeklagten gestimmt waren.

Hawkins und Nat Gibson erschienen vor der Zuhörermenge und nahmen auf der für die Zeugen bestimmten Bank Platz.

Wenige Minuten nach ihnen betraten die Gebrüder Kip den Saal und wechselten mit den beiden ersten einen warmen Händedruck.

Am heutigen Tage war die Anwesenheit Karl Kips an Bord des »Skydnam« nicht nötig. Die Verladung des Getreides war am Abende vorher beendigt worden. Von Reparaturen waren nur noch einige Anstricharbeiten zu vollenden. Die Bunker lagen voller Kohlen; die Maschine war im Stande, die Mannschaft hatte ihren Dienst angetreten. Nach drei Tagen sollte der Dampfer am frühen Morgen zur Abfahrt klar machen.

Am heutigen Abend gedachten die Gebrüder Kip noch den Gasthof zum Great Old Man zu verlassen und ihre Kabinen auf dem Schiffe zu beziehen.

Auf einer Bank hinter ihnen saßen die Matrosen Hobbes, Wickley und Burnes nebst dem Schiffsjungen Jim, die von Hawkins und Nat Gibson alle freundlich begrüßt wurden.

Auf einer anderen Bank befanden sich Vin Mod, Sexton, Bryce mit dem Koche Koa, dessen breites schwarzes Gesicht sich grinsend verzog, jedenfalls vor Verwunderung, daß er nicht mit zu den Angeklagten gehörte.

Nur Kyle fehlte. Kyle war noch nicht freigelassen und das erfolgte voraussichtlich auch nicht vor Ablauf von achtundvierzig Stunden. er hatte seine Rolle als Schwerbetrunkener gar zu gut gespielt, als er sich gegen die Polizisten verteidigte.

Seine etwaigen Aussagen konnten auch nicht von besonderer Bedeutung sein. Vin Mod beunruhigte sich nur ein wenig darüber, ob Kyle im Gefängnisse mit Flig Balt zusammengetroffen sein und diesem gesagt haben werde, was er ihm aufgetragen hatte. Diese Unruhe zerstreute sich jedoch vielleicht, wenn der Bootsmann und er sich erst gegenüberstanden. War Flig Balt benachrichtigt worden, so genügte ein unauffälliges Zeichen, schon ein Blick, das zu bestätigen, und wenn der rechte Augenblick gekommen war, würde Flig Balt aus einem Angeklagten zum Ankläger werden.

In Erwartung des Eintritts der Gerichtsbeisitzer sprach Hawkins noch mit den Gebrüdern Kip und meldete ihnen, daß an diesem Morgen Nachrichten von Neuirland eingegangen wären.

»Ein Brief von Herrn Zieger? fragte Pieter Kip.

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