hätten.
»Ja ja, sagte sich Vin Mod, der Flig Balt hat recht, er wird schon im geeigneten Augenblick gegen sie auftreten!«
Nach Beendigung des Verhörs mit dem Hauptangeklagten und seinem Mitschuldigen, wurde der erste Zeuge zu seiner Aussage aufgerufen.
Das war Karl Kip, und als er sich erhob, ging ein leises Flüstern durch die Reihen der Zuhörerschaft.
Karl Kip gab zuerst seinen Familiennamen nebst Vornamen und seine Nationalität zu Protokoll: ein Holländer aus Groningen gebürtig; Stand: Offizier in der Handelsflotte, nachdem er wenige Wochen an Bord des »James-Cook« als Kapitän tätig gewesen war, Obersteuermann auf dem nach Hamburg bestimmten Dampfer »Skydnam«.
Nach Erledigung dieser Vorfragen drückte sich Karl Kip mit solchen Worten und einer so erkennbaren Aufrichtigkeit über alles weitere aus, daß an seinem guten Glauben kein Zweifel aufkommen konnte.
»Mein Bruder und ich, sagte er, waren vorher Passagiere der 'Wilhelmina' wir sind von der Insel Norfolk gerettet worden, wohin wir uns nach erlittenem Schiffbruche geflüchtet hatten, und zwar gerettet durch Herrn Hawkins und den Kapitän Gibson. Ich kann auch an dieser Stelle nicht unterlassen, den edelmütigen und menschenfreundlichen Herren, die so viel für uns getan haben, den wärmsten und aufrichtigsten Dank auszusprechen.
»Während der Fahrt des 'James-Cook' von Norfolk nach Port-Praslin habe ich vielfach Gelegenheit gehabt, das Verhalten des Bootsmannes zu beobachten. Er flößte mir von Anfang an ein Mißtrauen ein, das sich später nur allzu gerechtfertigt erwies, und es wunderte mich, daß der Reeder und der Kapitän noch eine so gute Meinung von ihm hatten. Da mich das aber nichts anging, habe ich in dieser Beziehung still geschwiegen. Daneben gewann ich jedoch auch die Überzeugung, daß Flig Balt seinen Obliegenheiten sehr wenig gewachsen war. Überließ der Kapitän Gibson ihm zuweilen Manöver, wie solche gewöhnlich Sache des Bootsmannes sind, so wurden diese so schlecht angeordnet, daß ich mich fast zum Eingreifen versucht fühlte. Da sie aber die Sicherheit des
Schiffes nicht weiter in Gefahr brachten, enthielt ich mich, mit dem Kapitän darüber zu sprechen.
»Am 20. November ankerte der 'James-Cook' in Port-Praslin, um seine Fracht zu löschen und einige Reparaturen zu erfahren. Sein Aufenthalt dauerte neun Tage, dann segelte er nach Kerawara, der Hauptstadt des Bismarck-Archipels ab.
»Dort war es, wo der unglückliche Kapitän Gibson am Abend des 2. Dezembers unter den Streichen bisher noch unentdeckter Mörder erlag.«
Karl Kip äußerte diese Worte mit so schmerzlichem Ausdrucke, daß sich der Zuhörerschaft eine deutliche Erregung bemächtigte.
Gleichzeitig erhob sich Flig Balt, der dem Berichte gesenkten Kopfes gelauscht hatte, von der Bank, als ob auch er sich gar nicht zu fassen vermöchte.
Der Vorsitzende fragte ihn, ob er dem Gerichte etwas mitzuteilen hätte.
»Nein. nichts!« antwortete der Bootsmann.
Damit setzte er sich wieder nach einem flüchtigen, auf Vin Mod gerichteten Blick, der, sehr mutlos erscheinend, bereits eine lebhafte Ungeduld verriet.
Gleichzeitig warf aber auch Karl Kip einen so durchdringenden Blick auf Flig Balt, daß dieser betroffen die Augen niederschlug.
Dann fuhr der Holländer in seiner Aussage fort. Nach dem Ableben Harry Gibsons machte es sich natürlich nötig, die Führung des Schiffes jemand anderem anzuvertrauen. Weder in Port-Praslin, noch in Kerawara fand sich ein englischer Kapitän, der Gibsons Stelle hätte übernehmen können, es lag also nahe, diese dem bisherigen Bootsmanne zu übertragen. Nach Karl Kips Ansicht war der »James-Cook« damit freilich einem unfähigen und nicht ehrbaren Mann in die Hand gegeben.
»Herr Hawkins, fuhr er fort, konnte unter den gegebenen Umständen kaum anders handeln, und Flig Balt wurde damit betraut, die Brigg nach Port-Praslin zurückzuführen. Nachdem der 'James-Cook' dann in Kerawara seine Fracht eingenommen hatte, ging er wieder in See und vervollständigte schließlich seine Ladung.
Hier war es, wo dem Bootsmanne die Funktionen des Kapitäns dann ausdrücklich übertragen wurden.
Am 10. Dezember lichtete die Brigg die Anker und verließ die Inselgruppe. In den ersten Tagen und bei der Fahrt durch die Louisiaden ging alles ohne Störung vor sich. Wir hatten günstigen Wind, der keine Segelmanöver nötig machte, nur glaubte ich schon damals zu bemerken, daß der 'James-Cook' allmählich mehr nach Osten abwich. statt den geraden Kurs nach Süden einzuhalten.
Das erschien mir auffällig. Ich sprach darüber mit meinem Bruder und dieser riet mir, Herrn Hawkins davon Mitteilung zu machen, denn auch er mißtraute dem neuen Kapitän. Ich schwieg indes, da mir jede Denunziation verhaßt war. Dagegen unterließ ich es nicht, die Fahrtrichtung der Brigg so genau wie möglich zu beobachten, was Flig Balt jedenfalls bemerkte, denn vielleicht erschwerte es ihm die Ausführung eines geheimen Planes.«
Da Karl Kip mit der weiteren Ausführung seines Gedankens zu zögern schien, nahm der Vorsitzende das Wort.
»Sie haben beobachtet, Herr Kip, daß Flig Balt aus dem richtigen Kurse weichen zu wollen schien?. In welcher Absicht sollte er das versucht haben?
- Das kann ich unmöglich sagen, antwortete Karl Kip, mir war aber die Sache selbst nicht zweifelhaft. Flig Balt sachte die Brigg mehr nach Osten, nach den berüchtigten Inselgruppen steuern zu wollen, wo die Sicherheit eines Schiffes erfahrungsgemäß immer gefährdet ist. Da Flig Balt außerdem versuchte, eine Meuterei an Bord zu veranlassen, glaube ich, seine Absicht lief darauf hinaus, sich des 'James-Cook' zu bemächtigen.«
Diese unverhüllte Beschuldigung schien den Angeklagten sehr wenig zu berühren, und er begnügte sich, darauf nur leicht die Achseln zu zucken.
»Wie dem auch sei, fuhr Karl Kip fort, ein Sturm, der uns an der Grenze des Korallenmeeres überfiel, mußte eine solche Absicht unterstützen, da er unser Schiff seitwärts weit hinaus verschlug. Meiner Erfahrung nach hätte man sich da dem wütenden Westwinde gerade entgegenlegen sollen. Der neue Kapitän war dieser Ansicht aber nicht. Er ergriff vielmehr die Flucht, indem er nach der verrufenen Gegend der Salomonsinseln zu steuerte, und das unter einer Segelentfaltung, die die Sicherheit der Brigg arg gefährdete. Ich sah den Augenblick kommen, wo sie vom Meere verschlungen werden mußte, denn sie nahm immer gewaltige Sturzseen über und steuerte überhaupt nicht mehr. Da packte ich das Ruder. Mich trieb die Empfindung, daß wir verloren wären, wenn ich nicht eingriffe. Die Mannschaft starrte mich an, Flig Balt erschöpfte sich in unzusammenhängenden Befehlen.
»Laßt mich nur machen!« rief ich. Herr Hawkins hatte mich verstanden und sagte zu mir: »Tun Sie Ihr Bestes!« - Ich übernahm also den Befehl; die Matrosen gehorchten mir; es gelang mit genauer Not, die Brigg zu wenden, und als am nächsten Morgen der Sturm nachließ, konnten wir leicht unter dem Lande Schutz suchen.
»Daraufhin übergab Herr Hawkins den Befehl mir, nachdem er ihn Flig Balt entzogen hatte. Dieser erhob Einspruch, ich zwang ihn, sich zu fügen. Jetzt hatte ich ja Gelegenheit, mich durch Ergebenheit und Pflichteifer gegen Herrn Hawkins ein wenig abzufinden.
Sobald es sich tun ließ, schlug der 'James-Cook' seinen Kurs nach Süden wieder ein, und wir befanden uns schon gegenüber Sydney, als die Meuterei am Abend des 30. Dezembers zum Ausbruche kam. Der ehrlose Bootsmann machte mit den Meuterern gemeinsame Sache. Er trieb seine
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