Weder Frau Gibson noch deren Sohn wollte in dieser Zeit in Hobart-Town bleiben; beide gedachten erst nach dem traurigen Abschluß der Angelegenheit dahin zurückzukehren. Als Nat diese Absicht gegen Hawkins äußerte, begnügte sich der Reeder zu antworten.

»Du hast recht, Nat. es ist besser so!«

Seit der Urteilsverkündung war Hawkins wiederholt den Matrosen Hobbes, Wickley und Burnes, sowie dem Schiffsjungen Jim begegnet. Die wackeren Leute hatten sich noch nach keiner neuen Anmusterung umgesehen, und vielleicht wollten sie sogar warten, bis der »James-Cook« unter einem neuen Kapitän wieder auslaufen sollte.

Sie wußten übrigens, daß sie auf Herrn Hawkins rechnen konnten, wenn dieser für die Brigg oder ein anderes Schiff seines Hauses neue Mannschaft suchte. Es versteht sich von selbst, daß sie mit Flig Balt, Vin Mod und mit ihren anderen Genossen von der alten Besatzung der Brigg jeden Verkehr abgebrochen hatten.

Der 19. März war herangekommen; in der Stadt begann man sich zu wundern, daß der Befehl zur Hinrichtung noch immer nicht eingetroffen war, ein Umstand, der Flig Balt und Vin Mod in deren persönlichem Interesse natürlich beunruhigte. Übrigens hatten sie, wenn die Hinrichtung für längere Zeit aufgeschoben würde, den Entschluß gefaßt, Hobart-Town zu verlassen, und im Hinblick hierauf suchten sie schon nach einem bald zum Auslaufen fertigen Schiffe.

Da traf im Laufe des 25. eine vom Lord chief-justice abgesandte Depesche an Se. Exzellenz den Gouverneur von Tasmanien ein.

Dessen Gesuch hatte vor Ihrer Majestät der Königin von England und Kaiserin von Indien Gnade gefunden: die über die Gebrüder Kip verhängte Todesstrafe war in die zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verwandelt worden.

Achtes Kapitel.

Port-Arthur

Einen Monat nach dem Tage, wo den zum Tode Verurteilten eine Strafverwandlung zugebilligt worden war, arbeiteten zwei Männer unter der Fuchtel der Profose der Strafanstalt von PortArthur.

Die beiden Gefangenen gehörten nicht derselben Rotte an. Einer von dem anderen getrennt und verhindert, auch nur zwei Worte oder einen Blick zu wechseln, gehörten sie nicht einmal derselben Tischgenossenschaft an und teilten auch nicht dieselbe Zelle. Sie gingen, jeder nach seiner Seite, bekleidet mit der schimpflichen Jacke des Galeerensträflings zu ihrer Arbeit hinaus, immer überhäuft von dem Schmähen und den Beleidigungen jenes Haufens von Banditen, die Großbritannien nach seinen kolonialen Strafanstalten verschickt. Jeden Morgen verließen sie das Bagno und kehrten, erschöpft von der Anstrengung und nur unzureichend mittels grober Nahrung erhalten, erst am Abend dahin zurück. Dann sachte jeder sein Feldbett zur Seite eines anderen, mit Ketten gefesselten Sträflings auf und bemühte sich - meist vergeblich - sein Elend in einigen Stunden unruhigen Schlafes zu vergessen. Brach der junge Tag an, so gingen sie, jetzt in der erstickenden Hitze des Sommers, später in der furchtbaren Kälte des Winters, aufs neue an die Arbeit, bis zu der ersehnten Stunde, wo der Tod sie einst aus diesem elenden Leben erlösen würde.

Die beiden Männer waren die Gebrüder Kip, die man vor drei Wochen nach der Strafanstalt von Port-Arthur übergeführt hatte.

Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts war Tasmanien bekanntlich von den niedrigst stehenden Völkerschaften der Erde bewohnt, von Leuten, die sozusagen auf der Grenzlinie zwischen Menschheit und Tierreich standen.

Die ersten Europäer aber, die nach dieser großen Insel kamen, waren kaum mehr wert, als jene wilden Urbewohner. Nach ihnen trafen aber Auswanderer ein. deren Fleiß mit der Zeit das traurige Land zu einer der blühendsten Kolonien umschuf.

Jener Zeit hatte Großbritannien schon eine gleichartige Anstalt in Botany-Bai an der Ostküste Australiens, des späteren Neusüdwales, gegründet. Da es nun vermuten konnte, daß die Franzosen beabsichtigten, eine ähnliche Strafanstalt auf tasmanischem Boden zu errichten, beeilte es sich, ihnen ebenso zuvorzukommen, wie das später auf Neuseeland geschah.

Gegen Mitte des Jahres 1803 landete John Bowin, der Sydney mit einer Abteilung Kolonialtruppen verlassen hatte, am linken Ufer des Flusses Derwent, zwanzig Seemeilen oberhalb seiner Mündung an einer Stelle, die »Ridens« genannt wurde. Er brachte dahin eine Anzahl Verurteilter, deren Zahl im folgenden Jahre, unter Leutnant-Colonel Collins, auf vierhundert anstieg.

Dieser Offizier verließ aber Ridens wieder und legte den Grund zu Hobart- Town am anderen Ufer des Derwent, an einer Stelle, wo ein Flüßchen Süßwasser lieferte, und im Hintergrunde der Bai Sullivan Cove, worin selbst Schiffe von großem Tonnengehalt einen vortrefflichen Ankerplatz fanden. Die neue Stadt gewann schnell an Ausdehnung, und zwischen den Wohn- und Geschäftsgebäuden, die sehr bald entstanden, erhob sich gleich zu Anfang das Bagno, das von vier hohen Mauern aus granitharten Steinen umschlossen wird.

Dreierlei Elemente trifft man in der Bevölkerung Tasmaniens an: die Freien, das sind Einwanderer, Kolonisten, die das Vereinigte Königreich freiwillig verlassen haben; Freigelassene, das sind die Deportierten, denen man auf Grund besonders guten Verhaltens einen Teil der Strafe geschenkt hatte oder deren Strafzeit abgelaufen war, und endlich die Sträflinge, das sind die Deportierten, die von der Stunde ihrer Ausschiffung an unter der Bewachung des Oberaufsehers oder Kommissars der Anstalt stehen.

Die Sträflinge umfassen wiederum drei Kategorien: 1. die zu den schwersten Strafen verurteilten Verbrecher, die im Bagno selbst wohnen müssen und unter der Aufsicht von Konstablern zu Zwangsarbeiten, besonders zur Herstellung von Landstraßen, herangezogen werden; 2. die wegen leichterer Vergehen Verurteilten - die englischen Gerichte werfen oft unverhältnismäßig hohe Strafen aus - denen es gestattet wird, ohne jeden Lohn in den Dienst der Kolonisten zu treten, die ihnen dafür geeignete Unterkunft und nach der Anstaltsvorschrift bereitete Nahrung bieten und sie des Sonntags auch zur Erfüllung ihrer kirchlichen Pflichten anhalten müssen; 3. die Verurteilten, denen es als Anerkennung musterhaften Verhaltens erlaubt ist, für eigene Rechnung zu arbeiten, und von diesen haben es manche zu einer unabhängigen Stellung und zu Vermögen gebracht. Freilich kann, trotz dahin zielender Bemühungen der Gouverneure, keiner von ihnen in der Gesellschaft der freien Bürger wieder zu seinem früheren Range aufsteigen.

Der Art waren also die ersten Maßnahmen bei der Gründung und Verwaltung der Strafkolonie, und das die verschiedenen Klassen der - männlichen und weiblichen - Gefangenen. Nach einer Mitteilung Dumont d'Urvilles, als dieser 1840 nach

Tasmanien gekommen war, waren die Bestrafungen je nach der Schwere der Vergehen in folgender Weise bemessen: die einfache Rüge, die Verurteilung, das Rad einer Mühle eine gewisse Zeit lang zu drehen, ferner Zwangsarbeiten am Tage und Einzelhaft in der Nacht, schwerere Zwangsarbeit beim Wegebau, Zwangsarbeit unter der Rotte der Gefesselten und Verschickung nach der Strafanstalt von Port-Arthur.

Bezüglich der letzterwähnten Anstalt ist daran zu erinnern, daß schon 1768 eine Strafanstalt nach der Insel Norfolk verlegt worden war, nach derselben Insel, wo Karl und Pieter Kip, die Schiffbrüchigen von der »Wilhelmina«, vom »James-Cook« aufgenommen worden waren. Seit 1805 hatte die Regierung diese aber wieder aufgelassen, weil es wegen Mangels jedes Hafens gar zu schwierig war, an der Insel zu landen. Später wurde diese aber doch noch einmal zum Sitze einer Strafkolonie, nach der die Verwaltungen von Tasmanien und Neusüdwales die gefährlichsten Verbrecher überführen ließen. Noch später, 1842, wurde sie gänzlich aufgegeben und durch Port-Arthur ersetzt.

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