Kapitän an, als ob dieser berechtigt wäre, ihrer Bitte zu willfahren, als ob er es allein in der Hand hätte, Karl Kip der Freiheit wiederzugeben.

Konnte er aber vergessen, wegen welches Verbrechens die zuerst gar zum Tode verurteilten Brüder in die Strafanstalt eingeliefert worden waren? Wie hätte Skirtle, bei seiner Unkenntnis des heimlichen, gemeinen Streiches Flig Balts und Vin Mods an der Schuld der Verurteilten zweifeln können? Hatte auch der eine von ihnen sein Leben eingesetzt, das des kleinen Knaben zu retten, so blieben sie doch noch immer die Mörder des Kapitäns Gibson, die als solche ihre Strafe erlitten.

Die mutige, selbstlose Tat Karl Kips, so rühmenswert sie auch war, konnte das schreckliche Verbrechen doch nicht ungeschehen machen.

»Mein Lieber, begann Frau Skirtle, als ihr Mann, der noch den Arzt zu dem Verwundeten gerufen hatte, in die Villa zurückgekehrt war, was wirst du für den Unglücklichen tun können?

- Nichts, antwortete der Kapitän, nichts anderes, als daß ich ihn dem Wohlwollen der Verwaltung empfehle, den Gefangenen in Zukunft weniger streng zu behandeln und ihn mit gar so schweren Arbeiten zu verschonen.

- Nun, wenigstens muß der Gouverneur von dem heutigen Vorfalle unterrichtet werden.

- Er wird noch vor heut Abend alles erfahren, antwortete Skirtle. Höchstens ist danach aber eine Milderung, doch keine Abkürzung der Strafe zu erwarten. Karl Kip und sein Bruder haben ihm schon viel zu verdanken, sehr viel, da er sie vom Galgen gerettet hat.

- Und ich danke dafür dem Himmel ebenso, wie dem wackeren Manne, der nun wieder zum Retter meines armen Kindes wurde.

- Höre, liebe Frau, fuhr der Kapitän fort, ich werde für Karl Kip schon aus Dankbarkeit gewiß alles tun, was in meiner Macht steht. Übrigens haben sich die beiden Brüder seit ihrem Eintreffen in Port-Arthur musterhaft geführt und die ganze Strenge des Reglements eigentlich nie zu kosten bekommen. Vielleicht erreiche ich es bei der vorgesetzten Behörde, daß sie von den Arbeiten im Freien entbunden werden, da diese für Leute dieser Art desto peinlicher sein müssen, und dann könnten sie wohl in den Bureaux der Strafanstalt beschäftigt werden. Das wäre für sie als Sträflinge schon eine große Erleichterung ihres Loses. Du weißt aber, wegen welcher Freveltat sie vor dem Kriminalgerichte gestanden haben und auf Grund welcher unanfechtbaren Beweise sie verurteilt worden sind,

- Liebster Mann, unterbrach ihn Frau Skirtle, sollte ein Mann, der eine so menschenfreundliche Tat ausführte, ein Mörder sein können?

- Und doch, erwiderte der Kapitän, besteht darüber gar kein Zweifel. Den Gebrüdern Kip ist es nicht im geringsten gelungen, ihre Unschuld nachzuweisen.

- Du kennst aber doch, lieber Mann, die Ansicht des Herrn Hawkins.

- Gewiß. Der vortreffliche Mann hält sie für nichtschuldig, er wird dabei aber von gewissen Erinnerungen an andere Dinge beeinflußt, und hat nichts für sie erreichen können, außer durch Vermittlung des Gouverneurs die Umwandlung ihrer Strafe.

- Bedenke nur, fuhr Frau Skirtle fort, um wie viel ungerechter ihm diese Verurteilung erscheinen muß, wenn er hört, was Karl Kip heute getan hat.«

Der Kapitän gab darauf keine Antwort, denn schon, was Hawkins über die beiden Brüder berichtet hatte, hatte auf ihn einen tiefen Eindruck gemacht. Dachte er aber an die greifbaren Beweise, an die Papiere Harry Gibsons, die sich im Besitz Karl und Pieter Kips gefunden hatten, und gar noch an den Kriß, die unzweifelhaft benutzte Mordwaffe, die die Polizei ebenfalls in deren Reisesacke entdeckt hatte, dann konnte er an der Rechtmäßigkeit des Urteilsspruches doch nicht mehr zweifeln.

»In jedem Falle, lieber Mann, nahm Frau Skirtle nochmals das Wort, bitte ich dich um eines, das zu gewähren nur von dir abhängt und das du nicht abschlagen wirst,

- Darum, daß die Brüder nicht mehr getrennt gehalten werden möchten? fragte der Kapitän.

- Ja, du hast mich verstanden! Schon von heute an wirst du Pieter Kip erlauben, bei seinem Bruder zu bleiben, ihn zu pflegen,

- Ja ja, das soll geschehen, erklärte Skirtle.

- Und ich, ich werde den Mann besuchen, sagte Frau Skirtle, werde dafür sorgen, daß es dem Armen an nichts gebricht. Und, wer weiß, später vielleicht,«

Das heiße Verlangen der beiden Brüder sollte also gestillt, ihr Herzenswunsch, wenigstens beisammen zu sein, endlich erfüllt werden.

Von diesem Tage an sahen sich Karl und Pieter nun jede Stunde. Drei Wochen später, als die Wunde Karl Kips vernarbt war und dieser den Krankensaal verlassen konnte, ergingen sich die Brüder zum ersten Male im großen Hofe der Strafanstalt. Sie wohnten jetzt in demselben Raume und verbrachten die Nacht in demselben Schlafsaale. Ebenso waren beide derselben Arbeiterrotte zugeteilt worden. Bald darauf wurden sie nur noch zu Arbeiten im Innern der Anstalt herangezogen, mit der Aussicht, schließlich in deren Bureaux beschäftigt zu werden.

Was die Brüder sich nun zu sagen hatten, um was sich ihr Gespräch unverändert drehte und wie sie der Zukunft entgegensahen, läßt sich wohl leicht vermuten.

Bemerkte der jüngere, daß der ältere befürchtete, die Wahrheit werde niemals an den Tag kommen, so sagte er:

»Nicht verzweifeln, Bruder, das hieße Gott verkennen! Wenn uns das Leben erhalten blieb, so will es auch die Vorsehung, daß die Mörder eines Tages noch entdeckt werden, und daß man uns öffentlich unsere Ehre wiedergibt.

- Möge der Himmel dich hören, Pieter, antwortete dann Karl Kip; ich beneide dich um diese Vertrauensseligkeit!, Doch wer könnten die Mörder des Kapitäns Gibson gewesen sein? Offenbar Eingeborne von Kerawara oder von der Insel York, vielleicht auch von einer anderen Insel des BismarckArchipels.

Wie soll man sie aber unter dieser, überall in jenem Gebiete verstreuten, melanesischen Bevölkerung herausfinden?«

Gleichviel! Daß das schwierig wäre, gestand Pieter Kip ja zu, dennoch blieb er bei seinem Glauben, Konnte sich denn nicht etwas Unerwartetes ereignen, konnten die Herren Zieger und Hamburg nicht weitere Anhaltspunkte entdecken?

»Ist es übrigens, sagte er eines Tages, als er seinen Bruder sich wieder der Verzweiflung hingeben sah, ist es denn ausgemacht, daß Eingeborne die Mörder sein müssen?«

Karl Kip ergriff seine Hände und rief, ihm scharf in die Augen sehend:

»Was willst du damit sagen?, Sprich dich weiter aus!, Meinst du, daß ein Kolonist oder ein Angestellter aus den Faktoreien habe das Verbrechen begehen können?

- Nein, Bruder, nein, das nicht.

- Und wer denn sonst?, Etwa irgendwelche Matrosen?, Im Hafen von Kerawara lagen ja verschiedene Schiffe,

- Und unsere Brigg, der 'James-Cook', doch auch, antwortete Pieter.

- Der 'James-Cook'!«

Karl Kip wiederholte den Namen noch mehrmals und sah dabei seinen Bruder fragend an.

Pieter Kip verkündete ihm daraufhin den Verdacht, dessen er sich nie hatte entschlagen können. Unter der Mannschaft der Brigg waren damals doch reckt verdächtige Gesellen, darunter die in Dunedin angeworbenen Matrosen, die sich ja auch an der von Flig Balt angezettelten Meuterei beteiligt hatten. Einer dieser Leute - Len Cannon zum Beispiel, um nur einen Namen zu nennen - hätte ja

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