unentmutigte Männer, Burke und Casey, waren. Diese wurden in London verhaftet und in das Gefängnis von Clerkenwell abgeführt. Ihre Freunde und Gesinnungsgenossen konnten sie aber nicht ihrem Schicksal überlassen. Entschlossen, die Gefangenen zu befreien, sprengten sie am 13. Dezember die Mauern des Gefängnisses in die Luft, eine Explosion, die gegen vierzig getötete und verletzte Opfer forderte: Burke, dem trotzdem die Flucht nicht gelang, wurde wegen Hochverrats zu fünfzehnjähriger Zwangsarbeit verurteilt.
Verhaftet wurden bei dieser Gelegenheit sieben Feniers: William und Timothy Desmond, English, O'Krese, Michel Baret und eine Frau, Anna Justice.
Bei der folgenden Gerichtsverhandlung hatten sie zum Verteidiger den berühmten Bright, der schon im Parlamente die Rechte Irlands verfochten hatte.
Die Bemühungen des großen Redners hatten aber keinen durchschlagenden Erfolg. Man stellte die Angeklagten im April 1868 vor das Oberste Kriminalgericht. Hier wurde gegen einen davon, gegen den siebenundzwanzigjährigen Michel Baret, ein Todesurteil gefällt, dessen Vollziehung auch Bright nicht zu hindern vermochte.
Hatte sich der Fenianismus durch die Explosion von Clerkenwell auch in der öffentlichen Meinung arg geschadet, so vermochten doch alle Verfolgungen nicht, die Sucht nach Vergeltung einzudämmen. Immer blieb die Furcht bestehen, daß die irische Angelegenheit die Männer, die diese in der Hand hatten, zu einem verzweifelten Schritte treiben könnte. Dank dem kräftigen Auftreten Brights im Ober- und im Unterhause, wurde mit der Bill von 1869 wenigstens ein Schritt vorwärts getan. Diese Bill sprach die Gleichberechtigung der irischen und der anglikanischen Kirchen aus unter der Zusage eines Gesetzes über das Grundeigentum, das allen Forderungen nach gleichmäßiger Behandlung Rechnung tragen und damit den Namen »Vereinigtes Königreich«, unter dem doch England, Schottland und Irland zu verstehen sind, endlich zur Wahrheit machen sollte.
Die Polizei erlahmte deswegen aber nicht in ihrer Tätigkeit und die Feniers wurden nach wie vor ohne Gnade verfolgt. Es gelang ihr auch, mehrere Verschwörungen zu entdecken, deren
Rädelsführer vor Gericht gestellt und zur Deportation verurteilt wurden.
Unter diesen befanden sich, bei einem Aufstandsversuche 1879 verhaftet, die beiden Irländer O'Brien und Macarthy, zur Verwandtschaft jenes Farcy gehörig, der bei den Ereignissen von 1867 beteiligt gewesen war.
Da die Namen der Empörer verraten worden waren, zog die Polizei die Verschworenen ein, ehe diese ihre Absicht ausführen konnten.
O'Brien und Macarthy ließen sich niemals herbei, ihre weiteren Genossen zu nennen. Sie nahmen die Verantwortlichkeit für die Verschwörung ganz allein auf sich; der Gerichtshof erwies sich außergewöhnlich streng. Er verurteilte sie zu lebenslänglicher Deportation, und danach wurden sie in die Strafanstalt von Port-Arthur geschafft.
Sie waren also nur politische Verbrecher; solche enthielt Port-Arthur aber schon, als es Dumont d'Urville 1840 besuchte. Gewiß war das England belastende Urteil des französischen Seefahrers über das hier geübte barbarische Verfahren richtig, als er damals schrieb: »Die Strafen, die hier Diebe, Fälscher und ähnliche Verbrecher erleiden, sind gegenüber denen der politischen Verbrecher wahrlich nicht zu hart, denn diese erklärt man für unwürdig, ferner unter ihresgleichen zu leben, und pfercht sie mit Räubern und Mördern, mit den unverbesserlichsten Schurken zusammen«.
Hierher waren also 1879, schon vor acht langen Jahren, die beiden Irländer O'Brien und Macarthy eingeliefert worden. Das Reglement des Bagno lastete auf ihnen in all seiner Härte, inmitten des unsauberen Schwarmes der anderen.
O'Brien war früher Werkmeister in einer Dubliner Fabrik, Macarthy aber Hafenarbeiter gewesen. Beide, mit außergewöhnlicher Energie begabt, hatten auch einige Bildung genossen. Familienbande, Erinnerungen und Beispiele hatten sie zur Fahne der Feniers getrieben. Das Leben aufs Spiel setzend, hatten sie dabei ihre Freiheit verloren. Konnten sie wohl noch hoffen, daß ihr Strafaufenthalt je ein Ende finden, daß eine Begnadigung ihnen erlauben werde, den Bagno zu verlassen?, Nein, darauf rechneten sie nicht mehr, und wenn es ihnen nicht gelang zu entfliehen, schleppten sie dieses entsetzliche Leben bis ans Ende ihrer Tage.
Ob ihnen wohl eine Flucht gelingen sollte? Wäre ein Entweichen von der Halbinsel Tasman denn ganz unmöglich?
Nein, das wiederum nicht, unter der Bedingung, daß dazu eine Hilfe von draußen kam, und schon seit einigen Jahren hatten die Feniers in Amerika über verschiedene Mittel nachgedacht, ihre Brüder aus der Hölle von Port-Arthur zu erlösen.
Gegen Ende des jetzigen Jahres waren O'Brien und Macarthy auch auf Schleichwegen benachrichtigt worden, daß ihre Freunde in San Francisco einen Versuch zu ihrer Befreiung unternehmen würden. Wenn die Stunde dazu kam, sollten sie weitere Nachricht erhalten, um zur Flucht vorbereitet zu sein.
Der Leser wird verwundert fragen, wie ihnen in der Strafanstalt die erste Benachrichtigung habe zugehen können und wie sie die zweite erhalten sollten. Ihnen gegenüber konnte an ein Nachlassen der Überwachung ja kaum gedacht werden, da sie sich Tag und Nacht, draußen und drinnen, unter den Augen der Aufseher befanden.
Unter diesen Aufsehern gab es jedoch einen Irländer, der mit seinen Landsleuten, so gut es ging, einige Beziehungen unterhielt. Aus Ergebenheit für die Sache des Feniertums und um dessen letzte Opfer zu retten, hatte sich dieser Irländer -Farnham mit Namen - der von Amerika nach Tasmanien geschickt worden war, eine Stellung als Aufseher in der Strafanstalt von Port-Arthur zu verschaffen gewußt, nur zu dem Zwecke, das Entweichen der hier gefangenen Genossen zu unterstützen. Er spielte da ein sehr gewagtes Spiel, wenn das Unternehmen mißglückte und es offenbar wurde, daß er mit O'Brien und Macarthy unter einer Decke steckte. Solche Beispiele von mutiger Opferwilligkeit stehen übrigens nicht vereinzelt da; unter den Feniers herrscht eine Solidarität, die auch vor dem Opfer des eigenen Lebens nicht zurücktritt.
Erst wenige Jahre vorher waren sechs, wegen politischer Vergehen Deportierte aus Australien entflohen, dank den von einer Strecke zur anderen errichteten Hilfsposten, die es ihnen ermöglichten, die Küste zu erreichen und sich auf dem »Catalpa« einzuschiffen, der sie nach einem Scharmützel mit dem Polizei-Wachtschiffe nach Amerika brachte.
Jetzt versah Farnham schon seit achtzehn Monaten und zur großen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten seine Stellung als Aufseher, während seine Landsleute vor seiner Anwesenheit hier bereits sechs Jahre in der Anstalt schmachteten. Bald ließ er sich unter die Aufseher ihrer Rotte einreihen, so daß jene immer unter seinen Augen waren und er sie nach außen begleiten konnte. Da die beiden Irländer ihn aber nicht kannten, kostete es ihm nicht wenig Mühe, ihnen Vertrauen einzuflößen, um nicht vielleicht gar für einen Spion gehalten zu werden. Schließlich gelang ihm jedoch alles aufs beste und zwischen den dreien herrschte das vollste Einvernehmen.
Farnhams größte Sorge war es gewesen, keinen Verdacht gegen sich aufkommen zu lassen, und deshalb mußte er gegen die Sträflinge seiner Rotte ebenso schonungslos auftreten, wie die übrigen Aufseher. Es hätte auch niemand beobachten können, daß er O'Brien und Macarthy duldsamer als andere behandelte. Die beiden unterwarfen sich freilich auch ohne Widerstand der eisernen Disziplin der Anstalt, so daß Farnham niemals Anlaß geboten wurde, mit Strafen gegen sie vorzugehen.
Anderseits hatte es den Gebrüdern Kip bei mehreren Gelegenheiten nicht entgehen können, daß dieser Aufseher sich vor den anderen durch ein weniger gemeines, weniger brutales Verhalten auszeichnete; diese Beobachtung hatte ihnen aber niemals den Gedanken eingegeben, daß Farnham nur hier war, um eine gewisse Rolle zu spielen. Übrigens hatten sie der von diesem beaufsichtigten Rotte niemals angehört, und seit ihrem Eintritt in die Bureaux begegneten sie ihm fast gar
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