»Fallt dir dieses Stuck Toast nicht auf?« Er ri? das ihn beleidigende Stuck aus dem Stander und reichte es mir zur Begutachtung.

»Ist es viereckig? Nein. Ist es dreieckig? Auch nicht. Ist es vielleicht rund? Noch weniger. Hat es irgendeine dem Auge gefallige Form? Hat es uberhaupt eine symmetrische Form? Nein.«

»Es wurde von einem Laib Landbrot heruntergeschnitten«, erklarte ich besanftigend.

Poirot warf mir einen vernichtenden Blick zu.

»Wie klug doch mein Freund Hastings ist!« rief er spottisch. »Verstehst du nicht, da? ich mir solch ein Brot verbeten habe — so ein formloses Zufallsbrot, das kein Backer zu backen wagen sollte!«

Ich versuchte seine Gedanken abzulenken.

»Interessantes mit der Post gekommen?«

Poirot verneinte mit unzufriedener Miene.

»Ich sah meine Briefe noch nicht durch, aber heutzutage kommt nichts Interessantes mehr. Es gibt keine gro?en Verbrecher, keine Verbrecher mit Methode. Die Falle, bei denen ich mich in der letzten Zeit betatigte, waren uber alle Ma?en banal. Wirklich, ich war gezwungen, verlorengegangene Scho?hunde eleganter Damen wiederzufinden. Der letzte halbwegs interessante Fall war jene verwickelte Affare mit dem Yardly-Diamanten, und das ist -wie viele Monate mag das zuruckliegen, lieber Freund?«

Verzweifelt schuttelte er den Kopf, und ich lachte laut auf.

»Kopf hoch, Poirot, das Gluck ist wandelbar. Offne deine Briefe. Wer kann wissen, ob nicht vielleicht eben jetzt ein bedeutender Fall am Horizont erscheint.«

Lachelnd ergriff Poirot das hubsche, kleine Papiermesser, mit dem er seine Briefe zu offnen pflegte, und durchschnitt den oberen Rand mehrerer Briefumschlage, die neben seinem Teller lagen.

»Eine Rechnung. Aha! Hier ist eine Nachricht von Japp.«

»Ja?« Ich spitzte die Ohren. Der Polizeiinspektor von Scotland Yard hatte uns schon oft interessante Falle zugetragen.

»Er dankt mir nur auf seine Art fur den kleinen Fingerzeig, den ich ihm in der Angelegenheit Aberystwyth gab, und der ihn auf die richtige Spur wies. Ich bin heilfroh, da? ich ihm diesen Dienst erweisen konnte.«

»Wie dankt er dir?« fragte ich neugierig, denn ich kannte Japp. »Er ist so gutig, mir zu sagen, da? ich fur mein Alter erstaunlich tuchtig und da? es ihm ein Vergnugen sei, mir Gelegenheit zur Betatigung bieten zu konnen.«

Das war so typisch fur Japp, da? ich ein Kichern nicht unterdrucken konnte. Gelassen las Poirot seine Briefe weiter.

»Eine Anregung zu einer Vorlesung, die ich unseren jungen Berufskollegen halten soll. Die Grafin von Fanfanock bittet um meinen Besuch, zweifellos wieder ein Scho?hund! Und nun der letzte. Ah!«

Schnell blickte ich auf, da mir der veranderte Tonfall auffiel. Poirot las aufmerksam. Dann reichte er mir das Blatt. »Das ist einmal etwas anderes, mein Freund. Lies selbst.« Der Brief war mit kuhner, charakteristischer Schrift auf fremdlandischem Briefpapier geschrieben: »Villa Genevieve, Merlinville-sur-mer, Frankreich.

Werter Herr!

Ich bin genotigt, die Dienste eines Detektivs in Anspruch zu nehmen und mochte aus Grunden, die ich Ihnen spater erklaren werde, mich nicht an die offizielle Polizei wenden. Ich horte von verschiedenen Seiten von Ihnen, und alle Berichte stimmen darin uberein, da? Sie nicht nur ein Mann von ausgesprochener Begabung, sondern auch diskret und verschwiegen sind. Ich mochte der Post keine Einzelheiten anvertrauen, aber ich bin in einer Lage, die mich taglich um mein Leben zittern la?t. Ich bin davon uberzeugt, da? mir unmittelbar Gefahr droht, und bitte Sie daher, keine Zeit zu verlieren und sofort nach Frankreich heruberzukommen. Wenn Sie mir die Stunde Ihrer Ankunft drahten, schicke ich Ihnen einen Wagen nach Calais. Ich ware sehr dankbar, wenn Sie alles aufgaben, was Sie zur Zeit beschaftigt, und sich nur meinen Interessen widmen wollten. Ich will fur jeden Ihnen daraus erwachsenden Schaden die Verantwortung tragen. Wahrscheinlich werde ich Ihre Dienste betrachtlich lange in Anspruch nehmen, und es kann sich fur Sie die Notwendigkeit ergeben, nach Santiago fahren zu mussen, wo ich viele Jahre meines Lebens verbracht habe.

Es ware mir sehr angenehm, wenn Sie mir Ihre Bedingungen mitteilen wollten.

Indem ich Ihnen nochmals versichere, da? die. Angelegenheit von gro?ter Dringlichkeit ist, bin ich Ihr ergebener

P. T. Renauld.«

Unterhalb der Unterschrift befand sich noch eine hastig hingeworfene, beinahe unleserliche Zeile: »Um Gottes Barmherzigkeit willen, kommen Sie!«

Ich gab Poirot den Brief zuruck, und meine Pulse schlugen schneller.

»Endlich«, sagte ich, »da ist etwas ganz Au?ergewohnliches.«

»Ja, wirklich«, sagte Poirot nachdenklich.

»Du fahrst doch«, fuhr ich fort.

Poirot nickte Er war in tiefes Nachdenken versunken. Endlich schien er einen Entschlu? gefa?t zu haben und blickte nach der Uhr. Sein Gesicht war ernst geworden.

»Lieber Freund, da ist keine Zeit zu verlieren. Der Continental-Expre? geht um elf Uhr von Victoria Station ab. Rege dich nicht auf. Wir haben reichlich Zeit. Wir konnen uns zehn Minuten gonnen, um es durchzusprechen. Du begleitest mich doch, nicht wahr?«

»Ja, aber -«

»Du sagtest mir doch selbst, da? dein Chef dich in den nachsten Wochen nicht benotigen werde.«

»Ja, das ist richtig. Aber Monsieur Renauld deutet doch ausdrucklich an, da? seine Angelegenheit streng privat sei.«

»Ta - ta - ta. Uberlasse das mir. Ubrigens glaube ich den Namen zu kennen.«

»Es gibt einen bekannten sudamerikanischen Multimillionar Renauld. Ich wei? nicht, ob es derselbe ist.«

»Aber zweifellos. Das erklart die Erwahnung von Santiago. Santiago liegt in Chile und Chile in Sudamerika! Ah, es geht ja herrlich vorwarts!«

»Herrgott, Poirot«, sagte ich in steigender Erregung, »ich ahne - Reichtum. Wenn wir Erfolg haben, machen wir unser Gluck!«

»Sei nicht zu zuversichtlich, lieber Freund. Ein reicher Mann trennt sich nicht so leicht von seinem Geld. Ich sah einmal, wie ein bekannter Millionar einen vollbesetzten Tramwagen raumen lie?, eines halben Pennys wegen, der zu Boden gefallen war.«

Ich gab zu, davon gehort zu haben.

»Jedenfalls«, fuhr Poirot fort, »lockt mich nicht das Geld. Gewi? ist es angenehm, bei unseren Forschungen in jeder Hinsicht Vollmacht zu haben; man ist wenigstens sicher, die Zeit nicht umsonst zu vergeuden, aber das Problem selbst erweckt mein Interesse. Hast du das Postskriptum bemerkt? Was fiel dir daran auf?«

Ich uberlegte.

»Deutlich erkennbar hatte er sich fest in der Hand, wahrend er den Brief schrieb, aber am Schlu? verlor er die Selbstbeherrschung und kritzelte, einer plotzlichen Eingebung folgend, diese verzweifelten Worte.«

Aber energisch schuttelte mein Freund den Kopf.

»Du irrst. Siehst du nicht, da? die Tinte der Unterschrift fast schwarz, das Postskriptum aber ganz bla? ist?«

»Na, und?« fragte ich erstaunt.

»Aber mein lieber Freund, strenge deine kleinen grauen Zellen doch ein wenig an! Ist es nicht klar? Monsieur Renauld schrieb seinen Brief. Ohne ihn zu loschen, las er ihn noch einmal aufmerksam durch. Dann, mit Bedacht, nicht impulsiv, fugte er jene letzten Worte hinzu und trocknete dann das Blatt.«

»Aber weshalb?«

»Parbleu! Damit es auf mich den Eindruck mache, den es auf dich gemacht hat.«

»Welchen?«

»Aber, aber - damit ich um so sicherer komme. Er uberlas den Brief und war unzufrieden. Er war nicht dringlich genug!«

Er hielt inne, in seinen Augen glomm der grune Funke auf, der immer innere Erregung verriet, und leise fugte er hinzu: »Und so, mon ami, da das Postskriptum nicht im Impuls, sondern nuchtern und kaltblutig hinzugefugt wurde, scheint die Dringlichkeit sehr gro? zu sein, und wir mussen so schnell wie moglich seinem Rufe

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