noch so schwache Gerausch, die Geruche waren voller und kraftiger.
Er hatte Hunger und fragte sich, was er essen sollte. Auf den Feldern lag naturlich das Futter, aber es handelte sich ganz offenkundig um Privatbesitz, und der hohe Stacheldraht verhinderte, da? man sich beilaufig bediente.
Er erreichte eine kleine Kreuzung, an der eine Nebenstra?e zu einem gro?en Komplex von Gebauden fuhrte. Sie waren einige Stockwerke hoch, mit runden Dachern aus Stroh oder einem ahnlichen Material uber stabilen Holzbauten. Er fragte sich, woher das Holz stammte; von hier war es jedenfalls nicht.
Er beschlo?, es dort zu versuchen. Als er das Haus fast erreicht hatte, sah er das erste Wesen seiner Art aus der Nahe.
Sie — es gab keinen Zweifel, da? es eine Sie war — glattete einen Pfluggriff mit dem Hobel. Sie war gro?er als er, der Kopf war kleiner, der Hals langer und biegsamer. Die Horner sahen kurzer aus und waren weniger spitz. Vom Gesicht her glich sie wirklich einer Kuh, obwohl der Kopf nicht dazu pa?te. Sie sah mehr aus wie die vermenschlichte Kuh eines Witzzeichners. Auch ihre Arme unterschieden sich auffallend von den seinen — sie waren ungeheuer lang mit einem doppelten Ellenbogen, der offenbar in alle Richtungen bewegt werden konnte. Und sie trug einen riesengro?en, lederartigen Schurz um die Huften. Er wolbte sich vorne ein wenig, und Yulin glaubte zunachst, sie sei schwanger, aber als sie sich zur Seite drehte, konnte er erkennen, da? der Schurz ein gro?es, rosiges Euter verbarg, das sich knapp uber der Taille befand.
Sie hatte ihn immer noch nicht gesehen. Er uberlegte, ob er sich rauspern sollte, wu?te aber nicht genau, wie er das anzustellen hatte, so da? er beschlo?, einfach ein Gesprach anzufangen.
»Hallo?«sagte er hoffnungsvoll.
Sie zuckte zusammen und fuhr herum. Eine Tauschung war nicht moglich: Sie war entsetzt. Sie kreischte auf, lie? ihr Werkzeug fallen und lief durch eine gro?e Tur in das Haus.
Er konnte sie im Inneren schreien horen, andere Stimmen fielen ein, aber er beschlo?, auszuharren.
Was nun geschah, nahm genau drei?ig Sekunden in Anspruch. Die Holztur sprang mit solcher Wucht auf, da? das ganze Gebaude erzitterte. Vor ihm stand, eine machtige Eisenstange in den Handen, der Herr des Hauses.
Er war ein wenig kleiner als Yulin, die Horner aber waren riesengro?, gewolbt und spitz. Der Kopf sa? massiv, scheinbar ohne Hals, auf den Schultern. Der Herr des Hauses trug von den Huften bis knapp unter den Knien einen Kilt aus weichem Stoff. Seine gro?en, runden Augen spruhten Feuer.
»Was, zum Teufel, willst du hier, Kuhmann?«fauchte er.»Wenn ich dir den Schadel einschlagen soll, brauchst du nur noch zehn Sekunden stehenzubleiben!«Er hob drohend die Stange.
In Yulin stieg Panik hoch, aber er beherrschte sich.
»Augenblick!«sagte er.»Ich habe nichts Boses im Sinn.«
»Was denkst du dir dann dabei, splitternackt hier aufzutauchen und anstandige Frauen zu erschrecken?«fuhr ihn der andere an.
»Ich bin ein Neuzugang!«schrie Yulin.»Ich bin gerade in einem Feld aufgewacht und habe nicht die geringste Ahnung, wo oder was ich bin oder was ich tun soll!«
Der gro?e Minotaurus dachte nach.
»Neuzugang?«schnob er.»Wir haben bisher nur zwei Neuzugange gehabt, von denen ich wei?, und das waren beides Kuhe. Da? ein Stier auftauchen soll, ergibt keinen Sinn.«
Trotzdem zogerte er und lie? die Stange ein wenig sinken.
»Ich bin Ben Yulin, ich brauche Hilfe.«
»Na gut«, sagte der Farmer.»Ich will dir das mal glauben. Aber wenn du Dummheiten machst, bringe ich dich um. Komm rein, damit wir dir wenigstens etwas anziehen und nicht die halbe Herde hinter dir herrennt.«
Yulin ging auf die Tur zu, und der Farmer hob erneut die Eisenstange.
»Nicht
Yulin tat es und benutzte einen anderen Eingang zu einem Anbau. Es war eine Wohnung — Wohnzimmer mit kleinem Kamin, ein riesengro?er Schaukelstuhl aus poliertem Hartholz, Fenster, die auf die Farm hinausgingen, und zu seiner Uberraschung Kunstwerke und Lesestoff.
Die weiblichen Figuren zeigten ihm, was er vermutet hatte — die Kuhe besa?en gro?e Euter —, und ein paar von den Skizzen oder Zeichnungen waren geradezu pornographisch. Auf einem Tisch neben dem Schaukelstuhl stand ein seltsam aussehendes mechanisches Gerat, mit dem er nichts anfangen konnte. Es war ein Kasten mit horizontaler runder Platte, die offenbar mit Hilfe einer federgetriebenen Kurbel an der Seite in Drehung versetzt werden konnte. Ein kompliziertes Messinggestell auf einem Drehpunkt war an der Seite angebracht, und von der Ruckseite ragte ein riesiges hornartiges Gebilde herauf. Auch vorne schien ein zweites Horn angebracht werden zu konnen. Yulin vermochte sich den Zweck nicht vorzustellen.
Der Mann ging in einen anderen Raum und schien mit einer Hand eine Art Holztruhe offnen zu wollen, wahrend er den Besucher gleichzeitig im Auge behielt. Yulin beschlo?, regungslos stehenzubleiben und gar nichts zu tun.
Der andere Raum war offenkundig ein Schlafzimmer. Ein Holzrahmen war mit strohartigem Material gefullt, au?erdem gab es ein paar hingeworfene Decken und ein riesengro?es, ausgestopftes Objekt, das ein Kissen sein mochte. Yulin dachte an seine Horner und fragte sich, was wohl geschah, wenn man sich im Schlaf umdrehte.
Der Farmer warf ihm ein gro?es Tuch hin, und er fing es auf. Es schien aus Rupfen zu sein, viel rauher und grober als das, was der andere trug. Man konnte es mit einer Schnur zuziehen, und Yulin begriff schnell, wie man es anlegen mu?te.
Am Boden lag ein dunner, einfacher Teppich.
»Da mu?t du dich hinsetzen«, sagte der Farmer.»Ich bekomme nicht viel Besuch.«
Er lie? sich im Schaukelstuhl nieder.
»Konnen Sie mir sagen, wie es weitergeht?«fragte Yulin.
»Als erstes erzahlst du mir von dir. Wer du bist, was du warst, wie du hergekommen bist. Wenn es vernunftig klingt, helfe ich dir.«
Yulin berichtete und lie? nur das aus, was ihn in einem schlechten Licht erscheinen lie?. Er stellte sich als Gil Zinders Gehilfe dar, den der bose Antor Trelig gezwungen hatte, seinen Willen auszufuhren. Es klang uberzeugend. Als er zum Absturz im Norden kam, leuchteten die Augen des Farmers auf.
»Im Norden gewesen, wie? Das ist fur fast alle Leute hier im Suden etwas Romantisches. Exotisch und geheimnisvoll.«Er schien sich zu beruhigen.»Mein Name ist Cilbar«, erklarte er.»Das ist meine Farm. Sie sind in Dasheen. Das ist der Name des Landes und der Leute hier. Sie sind Pflanzenfresser, also konnen Sie nie verhungern, obwohl Sie als zivilisierter Mann feststellen werden, da? das rohe Zeug zwar den Hunger stillt, Gekochtes aber besser schmeckt. Das Hexagon ist nichttechnologisch, also funktionieren Maschinen hier nicht, wenn sie nicht von Muskelkraft angetrieben werden. Die Muskeln haben wir, wie Ihnen aufgefallen sein wird.«
Yulin gab es zu.
»Sie werden vielleicht bemerkt haben, da? wir nicht wie die Kuhe aussehen«, fuhr der Farmer fort.»Das liegt nicht nur am Euter. Wir sind kleiner, gedrungener, haben kurzere Arme mit nur einem Ellenbogen, gro?ere, andere Kopfe und so weiter.«
»Das ist mir aufgefallen.«
»Wir sind also wirklich anders. Warum, wei? ich nicht. Als erstes gibt es fur
Yulin nickte. Um so bemerkenswerter, als er in der Form einer Frau durch den Schacht gegangen war.
»Jedenfalls sind schon vom Gesellschaftlichen her die Manner wichtiger als die Frauen. Es gibt nicht so viele von uns, also sind wir nicht entbehrlich. Uberdies sind wir viel kluger.«
»Wie denn das?«fragte Yulin verblufft.
»Einige Wissenschaftler aus anderen Sechsecken wollten einmal beweisen, da? das nicht stimmt. Sie haben nur das Gegenteil nachweisen konnen. Die Gehirne der Frauen sind weniger entwickelt. Versuchen zu wollen, ihnen das Lesen beizubringen, ist genauso, als wollte man es mit dem Stuhl hier probieren. Einfache Tatigkeiten, ja, das machen sie stundenlang. Pflugen, ernten, Zimmermannsarbeiten, Lasten schleppen und so weiter. Sie