»Na klar«, sagte er. »Woher sonst.«

Kapitel Sechs

Vier Tutoren und ein Friedhof

Janitscharen Jane hatte Armeen von Damonen in unbeschreiblichen Hollendimensionen bekampft und der Blaue Elf hatte zahllose Schlachten mit seinen inneren Damonen ausgefochten - aber beide sahen ausgesprochen besorgt aus, als ich ihnen sagte, dass wir sie allein zum Herrenhaus schickten, wahrend Molly und ich nach weiteren Tutoren suchen wurden. Das Heim meiner Familie hat einen ganz bestimmten Ruf, hauptsachlich weil wir das so wollten. Hei?t: Gaste sind selten und Unbefugte werden gefressen. Also zog ich schlie?lich wieder Merlins Spiegel hervor und offnete ein Tor zwischen einer stillen Ecke im Wolfskopf und der Waffenmeisterei der Familie, um Janitscharen Jane und den Blauen Elf der etwas uberraschten Fursorge des Waffenmeisters zu uberantworten. Tatsachlich sah Onkel Jack ausgesprochen perplex aus, als ich Jane und den Elf durch das gahnende Loch schob und schnell wieder schloss, bevor er protestieren konnte. Ich glaube fest daran, dass jeder mit seinen Problemen allein fertig werden muss.

Molly sah den Spiegel nachdenklich an, als ich ihn wieder in seine normale Form schuttelte. »Das ist ein wahnsinnig nutzliches Ding, Eddie. Mir fallen wirklich viele sinnvolle Verwendungen dafur ein. Was zum Beispiel, wenn wir es zu Hause dafur benutzen wurden, einen Schwarm Piranhas in das Bidet der Matriarchin zu transportieren?«

Ich musste lacheln. »Deine Ideen sind wirklich die besten, Molly.«

»Hei?t das ja?«

Ich drehte der Bar den Rucken zu und winkte den nachsten Barkeeper heran. »U-Bahn Ute und Mr. Stich - sind die in letzter Zeit hier gewesen?«

Der Barkeeper dachte ein wenig nach, wahrend er ein Glas polierte, das es ganz offensichtlich nicht notig hatte. »Nein. Aber wenn ich so daruber nachdenke, habe ich beide schon lange nicht mehr gesehen. Ein paar Wochen mindestens. Und das ist … ungewohnlich.«

»Das ist es verdammt noch mal wirklich!«, sagte Molly naserumpfend. »Ute hat sich sicher zuruckgezogen, nach der Sache mit dem Manifesten Schicksal, aber Mr. Stich? Den bringt doch nichts aus der Ruhe.«

»Irgendeine Idee, wo wir nach ihnen suchen sollen?«, fragte ich.

»Aber naturlich«, antwortete sie sofort. »Ich habe immer Ideen. Ich bin die Ideenfrau! Lass es krachen, Schatzchen, wir gehen in den Untergrund.«

Um genau zu sein, brachte Molly den Spiegel dazu, uns zur U-Bahn-Station Cheyne Walk zu bringen, die eine von U-Bahn Utes Lieblingsplatzen war. Wir traten in die Schatten am Ende des Bahnsteigs und niemand bemerkte das, weil niemand auf irgendjemanden achtet, wenn er auf den Zug wartet.

Molly und ich zogen durch mehrere Tunnel und uber einige Bahnsteige, bis wir U-Bahn Ute endlich auf einem uberfullten Bahnsteig fanden. Ich hatte sie beinahe nicht erkannt. Eine altliche, gebeugte Frau, die in Lumpen und Fetzen von Kleidern von der Fursorge herumlief, schlurfte sie langsam durch die Menge. Die Leute zogen sich zuruck, um nicht mit ihr in Kontakt zu kommen. Sie sah aus wie jede andere Obdachlose, die einen um Wechselgeld anbettelt, und sogar Molly musste zweimal hinsehen, bevor sie ihre alte Freundin erkannte. U-Bahn Ute fuhr herum, als Molly sie rief. Dann zuckte sie zusammen und wandte sich ab, als ob sie nicht wolle, dass Molly sah, was aus ihr geworden war.

Molly griff nach ihrer Schulter und drehte sie entschlossen zu sich um. Dann schnitt sie eine Grimasse und rieb ihre Hand fest an der Hufte, um sie zu saubern. Ich machte ihr keinen Vorwurf. Aus der Nahe roch U-Bahn Ute ziemlich ranzig. Molly starrte ihr bose ins schmutzige Gesicht.

»Du lieber Gott, Ute, was zur Holle ist dir denn passiert?«, sagte Molly so geradeheraus wie immer. »Du siehst schei?e aus.«

»Wenn das die Holle ist, dann stecke ich mittendrin«, sagte U-Bahn Ute. »Ach, die alten Witze sind doch die besten. Hallo, Molly, Edwin. Was macht ihr denn hier unten?«

»Nach dir suchen«, erwiderte ich.

»Na, und da ihr mich jetzt gefunden habt, konnt ihr ja gleich wieder gehen«, meinte U-Bahn Ute bestimmt.

»Nicht, bis du uns erzahlt hast, was los ist«, sagte Molly im gleichen Ton.

U-Bahn Ute seufzte und es klang sehr erschopft. »Mein Gluck hat mich verlassen. Alles davon.«

»Aber du bist ein Glucksvampir«, sagte ich. »Warum hast du dir nicht einfach etwas von jemandem anders gestohlen?«

Sie warf mir einen langen, gequalten Blick zu. »Wenn es nur so einfach ware. So wie ich aussehe, ist es schwierig, nahe und lange genug an jemanden heranzukommen, um ein ernsthaftes Quantchen Gluck aus jemandem herauszusaugen. Und au?erdem - ach, verdammt, ihr werdet nicht abhauen, bis ihr die ganze, traurige Geschichte gehort habt, oder?«

»Naturlich nicht«, sagte Molly.

»Dann kommt mit. Hier konnen wir nicht reden. Nicht vor Zivilisten.«

Sie fuhrte uns ans Ende des Bahnsteigs. Jeder sah hoflich in eine andere Richtung, als ware ihre Armut ansteckend. U-Bahn Ute blieb vor einer unauffalligen Tur stehen, auf der »Zutritt fur Unbefugte verboten« stand, offnete das schwere Vorhangeschloss mit einem ausgesprochen schmutzigen Messingschlussel und fuhrte uns dann in eine Art leere Putzkammer. Sie zog die Tur sorgfaltig hinter uns zu und schob mit der Hand die gegenuberliegende Wand fort. Diese offnete sich plotzlich und gab den Weg in ein weites Gewolbe frei, das nur von einer einzigen Gluhbirne erleuchtet wurde, die bei unserem Eintreten aufleuchtete. Es war U-Bahn-Utes Zuhause.

Es war wirklich nur ein Loch, ausgestattet mit Abfall, den sie gerettet hatte. Es gab leere Dosen und Plastikflaschen, um Wasser aufzubewahren, Plastikboxen fur Uberreste von Lebensmitteln und einen Haufen Decken, um darauf zu schlafen. Der Ort sah aus wie einer, an dem Tiere leben. Molly sah sich um, offenbar war sie zutiefst erschrocken.

»Ute, was ist passiert? Du bist eine der bekanntesten Glucksvampire von London. Ich dachte, du wurdest in dieser herrlichen Wohnung im West End wohnen, in Luxus und mit aller Bequemlichkeit?«

»Das glaubt jeder«, sagte Ute und lie? sich auf ihren Deckenhaufen fallen. »Und fur eine Weile war das auch richtig. Ich hatte das beste Gluck, gestohlen von den Reichen und Machtigen und was ich nicht selber brauchte, habe ich fur viel Geld verkauft, sodass ich mir alles leisten konnte, was ich nur wollte. Aber - ich hab alles verbraucht. Und wenn sich das Gluck erst einmal gegen dich wendet, dann wird es richtig mies. Als ware da irgendeine Balance, die gehalten werden will. Glaubt ihr vielleicht, dass jemand wie ich uberhaupt erst von solchen Leuten wie denen vom Manifesten Schicksal gefangen werden konnte?«

»Ich hatte mich daruber schon gewundert«, meinte ich.

»Einer, den ich kannte, hat mich betrogen«, sagte U-Bahn Ute. »Eigentlich kein Freund, wenigstens das, aber immerhin einer, den ich kannte. Er hat die Luge des Manifesten Schicksals geschluckt und alles geglaubt, was Truman ihm versprochen hat, der Idiot. Er hat sich an mich rangeschlichen, als ich wahrend des Berufsverkehrs abgelenkt war, und hat mir das meiste meines Glucks selbst ausgesaugt, bevor ich wusste, was passiert war. Und dann standen Trumans Gauner schon bereit und haben mich geschnappt.«

»Was ist mit diesem Bastard passiert?«, fragte Molly. »Willst du, dass ich ihn fur dich finde?«

»Nicht notig«, sagte Ute. »Seine Extraportion Gluck ermoglichte es ihm, Trumans Leuten zu entkommen, als sie nach ihm suchen wollten, und er ist seitdem auf der Flucht. Vor ihnen und den anderen seiner Art. Er ist jetzt fur den Rest seines Lebens allein.

Ich habe wirklich das letzte Restchen Gluck aufgebraucht, dass ich hatte, um uns aus Trumans Konzentrationslager rauszuholen. Und als ich endlich da raus war, habe ich den Fehler gemacht, mir etwas Gluck von einem Reisenden zwischen den Dimensionen holen zu wollen, der sich als Mensch getarnt hatte. Der hat es bei der ersten Beruhrung gespurt, und wusste sofort, was ich bin. Es … hat etwas mit mir gemacht, und jetzt habe ich immer Pech.« Sie lachelte freudlos. »Nach all diesen Jahren, in denen ich mich als Obdachlose getarnt habe, damit ich naher an meine Beute rankomme, bin ich jetzt wirklich eine geworden. Das Leben ist schei?e. Was

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