komplett leer zwischen den Schichten, die Tischreihen standen still und mit makellos wei?en Tischtuchern gedeckt da. Es war schwer zu glauben, dass wir achtzehn Monate nicht hier gewesen waren. Molly und ich setzten uns gegenuber hin und ich bemerkte plotzlich, dass ich nicht die geringste Ahnung hatte, was ich sagen sollte. Was sagen Sie, wenn die Frau, die Sie lieben, stirbt?

»Es ist nicht, als hatten wir das nicht schon gehabt«, sagte Molly freundlich. »Erinner' dich daran, als du von der seltsamen Materie befallen warst und dachtest, du hattest nur ein paar Tage zu leben? Wir haben auch nicht herumgesessen und haben uns die Augen aus dem Kopf geheult, wir haben einfach weitergemacht. Wir haben es uberlebt. Wir werden auch das uberleben.«

»Wie fuhlst du dich?«, sagte ich. »Ich meine, wirklich. Fuhlst du dich … irgendwie anders?«

»Ich kann etwas … anderes in mir spuren«, sagte sie langsam. »Wie nach einem ausgiebigen Essen. Ein Gefuhl der Volle. Als ware ich auf einmal mehr. Meine ublichen magischen Schutzmechanismen hullen es fur den Moment ein.« Sie lachelte kurz. »Aber auf der anderen Seite wurde ich das ja sagen, oder? Wenn ich vom Verstand oder dem Korper her schon eine Drohne der Abscheulichen ware.«

»Nein. Ich kenne den Unterschied. Ich konnte unterscheiden, ob du … du bist.«

»Ja«, sagte sie. »Du konntest das vielleicht.«

»Lass uns uber etwas anderes reden. Wenigstens vorlaufig. Gib uns eine Chance, dem Hauptproblem wenigstens nahe zu kommen. Vielleicht losen wir es ja sogar.«

»In Ordnung. Was hast du im Sinn, Eddie?«

»Naja … was war das da mit dem Himmel und der Holle und dem Satz: Ich bin halt ein bisschen rumgekommen?«

»Ah«, erwiderte sie. »Ja, ich hatte befurchtet, dass das irgendwann rauskommt. Du bist wirklich gut gewesen, Eddie, wirklich. Du hast nie viele Fragen gestellt, was ich getan habe und was ich versprochen habe, um meine magischen Krafte zu bekommen. Vielleicht weil du Angst vor den Antworten hattest. Nein, entspann dich, Su?er, ich habe meine Seele an niemanden verkauft. Ich habe im Lauf der Jahre eine ganze Reihe Abkommen und Handel abgeschlossen, mit verschiedenen Machten. Einige hollisch, andere himmlisch, ein paar au?erirdisch. Und ich habe mit Lebensjahren fur diese Magie bezahlt. Sieh mich nicht so an, Eddie, ich wollte nie wirklich alt werden. Obwohl - jetzt sieht es ja so aus, als ware das sowieso irrelevant. Ich habe meine verschiedenen Schuldner mit Lebensjahren meines moglichen Alters bezahlt, und jetzt scheint es so, als wurde ich gar nicht so weit kommen. Das Ding, das in mir wachst, wird mich wohl lange vor meiner Zeit umbringen.«

»Nicht, solange es mich gibt«, sagte ich. »Ich werde dich nie aufgeben, Molly. Es muss etwas geben, das wir tun konnen. Das ist das Droodsche Herrenhaus, wir wirken die ganze Zeit Wunder fur alle Welt. Da habe ich das Recht, auch eines fur mich zu erwarten. Wei?t du, ich konnte dir einen Torques besorgen. Genau genommen ist es fur jeden, in dem kein Droodsches Blut flie?t, verboten, aber ich bin sicher, dass Seltsam uns helfen wurde. Ich musste wahrscheinlich nicht mal erklaren, warum. Er ist sehr verstandnisvoll - fur ein unverstandliches, andersdimensionales Wesen.«

»Das ist ein netter Gedanke, Eddie, aber ich glaube nicht, dass das funktionieren wurde. Der Torques hat Sebastian auch nicht geholfen … nur dabei, seine Lage zu verstecken.«

»Okay, vergiss die Idee. Was ist mit dem Waffenmeister? Er hat genugend Wunder fur die Familie erfunden, er kann auch eines fur mich erfinden. Fur dich.«

»Aber dann mussen wir's ihm sagen, alles. Konnen wir ihm vollig vertrauen? Ich will nicht in einem Kafig enden wie die anderen. Nicht, solange es noch Arbeit gibt.«

»Kannst du im Feld kampfen?«, fragte ich.

»Wenn nicht, dann wei?t du, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. Korperlich fuhle ich mich gut. Kein bisschen anders. Meine Magie schutzt mich vor allem, was da anfangen konnte, sich zu andern. Geistig …« Molly legte den Kopf schief, als wurde sie auf etwas lauschen. »Es ist, als ware da eine andere Stimme in meinem Kopf, sehr weit weg, aber doch deutlich, schwach, aber hartnackig.«

»Und was sagt sie?«, fragte ich so beilaufig ich konnte.

»Rauch Crack und bete Satan an. Nein, ich wei? es nicht. Sie ist zu weit weg. Sie klingt nicht wie etwas … Boses.«

Plotzliche Hilflosigkeit durchflutete mich. Ich wollte aufstehen und im Raum herumlaufen, die Tische und Stuhle umschmei?en und in der Gegend herumwerfen. Ich musste etwas tun, irgendetwas … Aber ich zwang mich sitzen zu bleiben, still und ruhig. Ich konnte Molly nicht zeigen, wie besorgt ich war. Also sa?en wir nur da, und sahen uns uber den leeren Tisch hinweg an.

»Was sollen wir tun?«, fragte ich endlich. »Wir konnen es keinem sagen. Wir konnen keinem vertrauen. Nicht in dieser Sache.«

»Wir bleiben ruhig und konzentriert«, sagte Molly. »Eigentlich glaube ich, dass ich ganz gut damit zurechtkomme, meinst du nicht? Ich dachte, ich hatte schon Panikattacken, oder wurde hyperventilieren. Du bist derjenige, der aussieht, als wurde er gleich einen hysterischen Anfall kriegen.«

Ich lachelte knapp. »Ich kann nichts vor dir verbergen, oder?«

Molly streckte ihre Hande nach mir aus und ich nahm sie in meine. Sie sah mich ernst an. »Du musst fur mich stark bleiben, Eddie, damit ich stark sein kann. Wir konnen damit fertig werden. Wir konnen.«

»Wei?t du«, sagte ich ein wenig sehnsuchtig, »als ich meine Familie vor dem Herz gerettet und den ganzen alten Bosartigkeiten ein Ende gesetzt hatte, dachte ich wirklich, die Dinge werden besser. Ich hatte es besser wissen mussen. Was sollen wir nur tun, Molly?«

»Wir zerstoren die Abscheulichen und all ihre Werke«, sagte Molly bestimmt und druckte fest meine Hande. »Und unterwegs werden wir die Augen nach etwas aufhalten, das eine Heilung sein konnte. Wenn wir das nicht schaffen, dann … wirst du mich toten, solange ich ich selbst bin. Bevor ich etwas werde, was wir beide hassen wurden.«

»Ich konnte das nie tun«, sagte ich.

»Du musst, Eddie. Nur fur den Fall, dass ich nicht stark genug bin, es selbst zu tun.«

Wir sahen uns fur eine lange Weile an und hielten uns aneinander fest wie Ertrinkende an einem Strohhalm.

»Warum hast du mich nicht verraten?«, fragte Molly schlie?lich. »Warum hast du nicht jedem gesagt, dass ich infiziert und eine Gefahr fur die Familie bin? Du wei?t, das hattest du tun sollen. Es ist deine Pflicht.«

»Ich entscheide, was meine Pflicht ist und was nicht. Das Wichtigste fur mich ist, dich zu retten. Ich habe dich hierhergebracht, das Geschehen erst moglich gemacht; also ist es meine Schuld.«

»Oh, Eddie. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so schnell bereit ist, sich selbst die Schuld fur die Probleme anderer zu geben!«

»Ich werde tun, was notig ist, um dich zu retten, Molly. Wenn du sonst nichts glaubst, glaub das. Es muss eine Antwort geben.«

»Und wenn es keine gibt?«

»Dann werde ich eine schaffen.«

Wir sprachen noch eine Weile, aber sagten nichts Wichtiges mehr. Nur die ublichen, beruhigenden Dinge, die man sich sagt, wenn man im Dunkeln Angst hat. Und am Ende mussten wir gehen, sodass ich meine Arbeit aufnehmen konnte. Die ganze Familie verlie? sich auf mich, nicht nur Molly. Und ich habe immer schon meine Pflicht gegenuber der Familie geachtet. Verfluchte Bande. Ich schickte Molly hinunter zum Waffenmeister, zu Onkel Jack. Mit ihm konnte sie uber das Problem im Allgemeinen reden und sehen, was er dazu zu sagen hatte.

Und ich … ging zu meiner Gro?mutter.

Laut Harry war sie krank; zu krank, um irgendjemanden empfangen zu konnen. Aber das war ein alter Trick der Matriarchin, den sie anwandte, wenn sie mit niemandem sprechen wollte. Also machte ich mich auf den Weg zu ihrer privaten Suite im obersten Stock, und war uberhaupt nicht uberrascht, als ich dort zwei weitere von Harrys muskelstrotzenden Schlagern die Tur bewachen sah. Sie sahen mich kommen und beide rusteten sofort hoch. Es schien, als sei auch schon zu ihnen gedrungen, was ich mit den anderen Dumpfbacken angestellt hatte. Ich schlenderte auf sie zu und tat mein Bestes, um beilaufige Sorglosigkeit auszustrahlen. Beide bewegten sich minimal, aber deutlich, um sich mir in den Weg zu stellen.

»Tut mir leid«, sagte der Linke. »Die Matriarchin darf nicht gestort werden. Wir haben unsere Befehle.«

»Sie darf uberhaupt nicht gestort werden«, sagte der Rechte. »Unter keinen Umstanden.«

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