»Abgrenzen und schützen…«, flüsterte ich die Hauptlosung der Nachtwache.
»Richtig. Abgrenzen und schützen. Und zwar nicht Menschen vor Dunklen, sondern Menschen vor Anderen überhaupt.«
Ich lachte. Sah in den Nachthimmel hinauf und lachte, erinnerte mich daran, wie ich selbst gewesen war, vor nicht allzu langer Zeit, als ich eine dunkle Straße entlangging, den Vampiren entgegen. Mit heißem Herzen, sauberen Händen und einem leeren, kühlen Kopf…
»Wie oft haben wir darüber gesprochen, wodurch wir uns von den Dunklen unterscheiden…«, sagte Swetlana leise. »Einmal bin ich auch auf folgende Formulierung gestoßen: Wir sind die guten Hirten. Wir kümmern uns um die Herde. Das ist vermutlich nicht mal wenig. Nur sollten wir weder uns selbst noch andern etwas vormachen. Niemals werden alle Menschen Andere werden. Niemals werden wir uns den Menschen zu erkennen geben. Und niemals werden wir den Menschen erlauben, eine mehr oder weniger anständige Gesellschaft aufzubauen. Kapitalismus, Kommunismus - darum geht es doch gar nicht. Was wir wollen, ist eine Welt, in der die Menschen sich einzig um die Größe der Futtertröge und die Qualität des Heus Sorgen machen müssen. Denn sobald sie den Kopf aus dem Futtertrog ziehen, sich umsehen und uns erblicken, wäre das unser Ende.«
Ich sah in den Himmel - und streichelte Swetlanas Hand auf meinen Knien. Nur ihre Hand, diese warme und schlaffe Hand - die vor kurzem Blitz und Donner gegen eine schädliche verräterische Hexe geschleudert hatte…
Die hilflose Hand einer Großen Zauberin, in der nur halb so viel Magie steckte wie in mir.
»Und wir könnten nichts machen«, flüsterte Swetlana. »Die Wachen werden die Menschen niemals aus dem Stall lassen. In den Staaten gibt es große und gut gefüllte Futtertröge, in die du gern den Kopf steckst. In Uruguay gibt es nur ab und an etwas Grün an einem Abhang, sodass dir keine Zeit bleibt, in den Himmel zu schauen. Alles, was wir tun können, ist, einen möglichst freundlichen Viehstall auszusuchen und ihn in einer fröhlichen Farbe anzustreichen. »
»Was, wenn du das den Anderen erzählst?«
»Die Dunklen schert das nicht. Die Lichten würden sich damit abfinden. Ich habe etwas erfahren, was ich nie erfahren wollte, Anton - und mich damit abgefunden. Vielleicht sollte ich dir nichts davon erzählen? Aber das wäre nicht fair. Es würde dich quasi zu einem Teil der Herde machen.«
»Sweta…«Ich sah zu dem schwachen Schein des Nachtlichts im Fenster hinüber. »Sweta, welche magische Temperatur hat unsere Nadjuschka?«Sie zögerte, bevor sie antwortete. »Null. »
»Die Größte der Großen…«, sagte ich.
»Absolut frei von jeder Magie…«, versicherte Swetlana noch einmal. »Was sollen wir jetzt tun?«
»Leben«, sagte Swetlana bloß. »Ich bin eine Andere… und es ist zu spät, die Unschuldige zu mimen. Ich kriege meine Kraft von den Menschen, ziehe sie aus dem
»Ich gehe zu Geser, Sweta. Gleich jetzt. Ich verlasse die Wache. »
»Ich weiß. Fahr.«
Ich erhob mich, hielt die schaukelnde Hängematte an. Es war dunkel, nicht einmal Swetlanas Gesicht konnte ich erkennen.
»Fahr, Anton«, wiederholte sie. »Es wird uns schwer fallen, einander in die Augen zu sehen. Wir werden Zeit brauchen, um uns daran zu gewöhnen. »
»Was ist dort? In der fünften Schicht?«, fragte ich. »Das solltest du besser nicht wissen. »
»Gut. Dann frage ich Geser. »
»Soll er dir antworten… wenn er will.«
Ich beugte mich vor und berührte ihre Wange - die tränenfeucht war.
»Es ist widerwärtig…«, flüsterte sie. »Widerwärtig… ein Parasit zu sein. »
»Halte durch…»
»Das tu ich.«
Als ich in den Schuppen ging, fiel eine Tür zu. Swetlana war ins Haus gegangen. Ohne Licht anzuschalten, setzte ich mich ins Auto und schlug die Tür hinter mir zu.
Was hatte Onkel Kolja hier wohl angestellt? Ob ich losfahren konnte? Der BMW sprang sofort an, leise und ruhig surrte der Motor.
Ich schaltete die Scheinwerfer an und fuhr aus dem Schuppen. Die Regeln der Maskierung?
Scheiß drauf. Was soll sich ein Hirte vor seinem Schaf verstecken!
Mit leichten Passes öffnete ich das Tor, ohne aus dem Auto zu steigen. Ich fuhr auf die Straße und gab Gas. Das Dorf wirkte leer und tot. Man hatte den Schafen Schlafmittel ins Futter geschüttet…
Das Auto ließ den Ort hinter sich. Ich schaltete das Fernlicht ein, drückte weiter aufs Gas. Durch das offene Fenster schlug der Wind herein. Ich tastete auf dem Armaturenbrett nach der Fernbedienung, stellte den MD-Player ein.
Vor mir, an der Autobahneinfahrt, brannte ein Licht. Mit zusammengekniffenen Augen spähte ich durchs
An der Sperre hielt ich an, wartete, bis der Polizist zu mir kam, der eine Maschinenpistole vor die Brust gepresst hielt. Die Inquisition hat noch nie Probleme damit gehabt, bei der Abrigelung eines Gebiets Menschen einzusetzen.
Ich hielt dem Polizisten meinen Führerschein und die Fahrzeugpapiere hin und stellte den Ton ab. Dann sah ich mir die Anderen an.
Den einen Inquisitor kannte ich nicht, ein hagerer, älterer Asiat. Ich würde schätzen, er