Fischern von Cabruto erkaufte Fische von der Art der Dorades aufgetragen wurden, verfielen die Passagiere der Piroguen bald in tiefen Schlaf.
Wie der Schiffer Valdez vorausgesagt hatte, legte sich der Wind schon in den ersten Nachtstunden ganz und gar, sprang aber mit Tagesanbruch wieder auf und wehte stetig aus Nordost. Die Segel wurden also gehi?t, und mit dem Winde im Rucken trieben die beiden Falcas ohne Unfall den Strom hinaus.
Capuchino gegenuber zeigte sich die Mundung des Apurito, eines Armes des Apure. Das eigentliche Delta dieses machtigen Nebenflusses wurde erst zwei Stunden spater sichtbar. Auf diesem Nebenflusse dampft der »Simon Bolivar«, nachdem er Caicara verlassen hat, weiter nach den im Westen von den Anden begrenzten Gebieten Columbias.
Mit Bezug hierauf fragte Herr Miguel seine beiden Gefahrten, warum denn der Apure nicht weit eher als der Atabapo oder Guaviare der eigentliche Orinoco sein konne.
»Sapperment! fuhr Herr Felipe auf. Kann denn der Apure uberhaupt etwas anderes sein, als der Zuflu? eines Stromes, der hier fast dreitausend Meter breit ist?
- Und ist sein Wasser nicht trub und wei?lich, rief Herr Varinas, wahrend das hier schon von Ciudad-Bolivar an klar und durchsichtig ist?
- Das geb' ich zu, sagte Herr Miguel lachelnd, wir wollen den Apure also au?er Concurs setzen; unterwegs finden sich schon noch andre Mitbewerber.«
Herr Miguel hatte hier wenigstens anfuhren konnen, da? der Apure unvergleichlich reichere Ilanos als die des Orinoco befruchtet und da? er ihn wirklich nach Westen fortzusetzen scheint, wahrend letzterer, einen scharfen Winkel bildend, von San-Fernando her aus Suden heranstromt. Auf einer Strecke von funfhundert Kilometern, fast bis nach Palmirito, folgen die Dampfer, die von seiner Mundung nicht weiter (den Orinoco) hinausfahren konnen, seinem wasserreichen Laufe. Man hat ihn mit Recht den »Strom der Ilanos« genannt, der weiten, fur jede Cultur geeigneten Flachen, die vorzuglich zur Aufzucht von Schlachtvieh dienen und die kraftigste und arbeitsamste Bevolkerung des innern Venezuela aufweisen.
Hier hatte erwahnt werden konnen - und Jean sollte sich davon mit eignen Augen uberzeugen - da? es in dem weniger durchsichtigen Wasser von Kaimans wimmelt, die sich infolge dieser Eigenschaft ihrer Beute weit leichter nahern konnen. Mehrere solcher ungeschlachter Saurier tummelten sich zuweilen nur wenige Fu? von der »Gallinetta«. Volle sechs Meter lang, kommen diese Riesen vom Krokodilgeschlechte in den Nebenflussen des Orinoco in gro?er Menge vor, wahrend die in den Flu?laufen, die die Ilanos durchschneiden, von geringerer Gro?e sind.
Auf eine bezugliche, von dem jungen Manne gestellte Frage antwortete der Schiffer Valdez:
»Wirklich gefahrlich sind diese Bestien nicht alle, denn es giebt welche - unter andern die Bavas - die nicht einmal einen Badenden angreifen. Die Cebados freilich, das sind die Burschen, die schon Menschenfleisch gekostet haben, wurden nicht zaudern, bis in die Boote zu dringen und Einen mit Haut und Haar zu verzehren!
- Na, sie sollen nur herankommen! rief der Sergeant Martial.
- Nein, sie mogen uns fern bleiben, lieber Onkel!« antwortete Jean, indem er auf eines der ungeheuern Thiere hinwies, dessen machtige Kiefern sich gerauschvoll offneten und schlossen.
Krokodile sind es ubrigens nicht allein, die die Gewasser des Orinoco und seiner Nebenflusse unsicher machen; man trifft auch Cariben, das sind Fische von solcher Korperkraft da? sie die starksten Angelhaken mit einem Schlage zerbrechen, und deren, von dem Worte Caraiba abgeleiteter Name sie als Wasser-Cannibalen kennzeichnet. Au?erdem hat man alle
Ursache, sich vor den Zitterrochen und Zitteraalen zu huten, vor jenen Gymnoten, die hier Trembladors (Erschutterer) genannt werden. Mit einem sehr sinnreich zusammengesetzten (elektrischen) Organe ausgerustet, todten sie andere Fische mit ihren Entladungsschlagen, die auch ein Mensch nicht ungestraft aushalten wurde.
Im Laufe dieses Tages segelten die Falcas an mehreren Inseln voruber, langs deren Ufer die Stromung sehr stark war, so da? zum Fortkommen wiederholt die an einer dicken Wurzel befestigte Espilla zu Hilfe gezogen werden mu?te.
Beim Voruberfahren an der Insel Verija de Mono, die ein fast undurchdringlicher Urwald bedeckt, krachten an Bord der »Maripare« plotzlich mehrere Schusse. Ein halbes Dutzend Wildenten fiel auf das Wasser herunter. Herr Miguel und seine Freunde waren es gewesen, die sich hier als treffliche Schutzen erwiesen hatten.
Bald darauf naherte sich der Curiare der andern Pirogue der »Gallinetta«.
»Zur Abwechslung im gewohnten Speisezettel!« rief Herr Miguel, der ein Paar der schmackhaften Vogel anbot.
Jean von Kermor dankte Herrn Miguel verbindlich, wahrend der Sergeant Martial nur eine Art Dank brummte.
Nachdem er den jungen Mann gefragt, wie er die beiden ersten Reisetage verlebt hatte, und eine befriedigende Antwort erhalten hatte, wunschte Herr Miguel dem Neffen wie dem Onkel noch eine gute Nacht und fuhr in dem Curiare wieder davon.
Mit Anbruch der Nacht wurden die beiden Falcas an der Insel Pajaral vertaut, da das rechte Ufer des Stromes vielfach mit erratischen Blocken bedeckt war, auf denen Chaffanjon zahlreiche Inschriften entdeckt hatte, die von den Strom bereisenden Handlern mit dem Messer eingeritzt waren.
Das Abendessen wurde mit gutem Appetit verzehrt. Die Enten - zubereitet von dem Sergeanten Martial, der sich wie der Cantineninhaber eines Regiments auf die Kochkunst verstand - lieferten ein saftiges, herrlich duftendes Fleisch, das denen der europaischen Arten weit uberlegen ist. Um neun Uhr ging man zu Bett, oder der junge Mann streckte sich wenigstens auf der Estera in dem ihm als Schlafzimmer dienenden Raume des Deckhauses aus, wo ihn der Onkel, seiner Gewohnheit getreu, mit dem Muskitonetze sorgsam umhullte.
Das erwies sich als eine sehr nothwendige Vorsicht. Wie viele Muskitos und was fur Muskitos schwirrten hier umher! Wenn man dem Sergeanten Martial glauben darf, hatte Chaffanjon gewi? nicht ubertrieben, als er behauptete da? diese »vielleicht die gro?te Schwierigkeit bei einer Bereisung des Orinoco bilden«. Myriaden giftiger Stacheln verletzen den Menschen hier ohne Unterla?, und jeder Stich erzeugt eine entzundete Stelle, die noch nach vierzehn Tagen Schmerzen verursacht, wenn sie nicht gar ein heftiges Fieber auslost.
Wie aufmerksam breitete der Onkel aber auch den schutzenden Schleier uber die Lagerstatte des Neffen! Und dazu qualmte seine Pfeife wie ein Schornstein, um die schrecklichen Insecten fur den Augenblick zu vertreiben. Suchten aber einzelne durch schlecht geschlossene Falten des Netzes zu schlupfen, so todtete er sie durch einen Schlag mit der Hand.
»Mein lieber Martial, Du wirst Dir noch die Hand verstauchen! So viele Muhe brauchst Du Dir nicht zu machen; mich hindert schon nichts mehr am Schlafen.
- Nein, antwortete der alte Soldat, ich will nicht, da? eine einzige der abscheulichen Bestien Dir um die Ohren summt!«
Und er setzte sein Morden fort, so lange sich noch ein verdachtiges Schwirren vernehmen lie?. Erst als er sah, da?
Jean wirklich eingeschlummert war, suchte auch er sein Lager auf. Er selbst machte sich ja nichts aus solchen Angriffen. Obwohl er sich aber fur zu »lederhart« hielt, um davon zu leiden, wurde er doch wie jeder Andre tuchtig zerstochen und kratzte sich, da? die ganze Pirogue erzitterte.
Am nachsten Morgen wurden die Haltetaue gelost, und wieder ging es unter Segel weiter. Der Wind war noch gunstig, setzte aber dann und wann aus. Gro?e Haufenwolken hingen niedrig am Himmel. Der Regen sturzte in Stromen herab, und Alle mu?ten im Deckhause bleiben.
Nun galt es noch obendrein, einige Stromschnellen zu uberwinden, die eine Folge der Einengung des Bettes durch mehrere kleine Inseln waren. Schlie?lich mu?te sogar ganz nahe am linken Ufer, wo eine schwachere Stromung stand, hingefahren werden.
Das Uferland hier hatte ein sumpfiges Aussehen mit einem Gewirr von Canalen und Tumpeln. Den gleichen Charakter bewahrt es von der Mundung des Apurito an bis zu der des Arauca auf eine Strecke von hundert Kilometern. Hier ist die Gegend, wo die zahlreichsten Wildenten vorkommen. Wenn sie uber die Ebenen hinflatterten, sah es aus, als ware der Himmel mit schwarzen Flecken ubersaet.
»Wenn es deren auch so viele wie Muskitos giebt, so sind sie doch weniger lastig meinte der Sergeant Martial, ganz abgesehen davon, da? man sie essen kann!«
Die Richtigkeit dieses Ausspruchs durfte wohl niemand bezweifeln.
Sie wurde auch durch ein Vorkommni? erhartet, das Elisee Reclus nach Carl Sachs berichtet. Man erzahlt