sich, versichert er, da? ein neben einer Lagune dieser Gegend lagerndes Reiterregiment sich vierzehn Tage lang ausschlie?lich von solchen Wildenten ernahrt habe, ohne da? nur eine Abnahme der Schaaren dieser Vogel bemerkt worden ware.
Die Jager von der »Gallinetta« und der »Maripare« verminderten ebensowenig wie das Reiterregiment die Legionen dieses Geflugels. Sie begnugten sich, davon einige Dutzend zu erlegen, die dann mittels der Curiares von der Wasserflache aufgefischt wurden. Dem jungen Mann gelangen einige recht gluckliche Schusse, zur gro?en Genugthuung des Sergeanten Martial, und da dieser sich sagte, da? eine Hoflichkeit eine andre werth sei, ubersandte er Herrn Miguel und seinen Gefahrten, die damit schon reichlich genug versehen waren, einen Theil der Jagdbeute. Er wollte gegen die andre Gesellschaft keine Verbindlichkeiten haben.
Am nachsten Tage hatten die Fuhrer der Piroguen ofters Gelegenheit, ihre Gewandtheit in der Vermeidung von Felsenvorsprungen zu beweisen. Stie?en sie gegen einen solchen an, so bedeutete das, bei dem infolge des Regens hohen Wasserstande, den Verlust des ganzen Fahrzeugs. Das Manover erforderte nicht allein eine ganz sichere Handhabung der Pirogue am Hintertheile, sondern es galt daneben auch, auf abschwimmende Baumstamme zu achten und ihnen aus dem Wege zu gehen. Diese Baume ruhrten alle von der Insel Zamuro her, deren stuckweiser Zerfall schon vor einigen Jahren begonnen hatte. Die Insassen der Piroguen konnten sich durch den Augenschein uberzeugen, da? die genannte, vielfach unterspulte Insel ihrer ganzlichen Zerstorung entgegenging.
Die Falcas lagen die Nacht uber an der stromaufwarts gerichteten Spitze der Insel Casimirito fest. Sie fanden hier hinreichenden Schutz gegen einzelne Windsto?e, die sich mit ungeheurer Gewalt entfesselten. Einige leere, gewohnlich von Schildkrotensangern benutzte Hutten dienten den Passagieren als sichrerer Schutz, als ihn das Deckhauschen bot. Hier ist aber nur von den Passagieren der »Maripare« die Rede, denn die von der »Gallinetta« gingen trotz erhaltener Aufforderung nicht mit ans Land.
Uebrigens war es vielleicht nicht einmal klug, die Insel Casimirito zu betreten, die au?er von vielen Affen auch von Pumas und Jaguaren bevolkert ist. Zum Gluck nothigte der Sturm die Raubthiere, sich in ihre Schlupfwinkel zu verkriechen, wenigstens wurde das nachtliche Lager nicht angegriffen. Wenn es in der Luft einmal ruhiger war, vernahm man wohl dann und wann ein wildes Brullen und larmendes Geschrei einer Affenart, die den Namen Heulaffen, den ihnen die Naturforscher gegeben haben, grundlich verdient.
Am folgenden Morgen zeigte der Himmel ein etwas freundlicheres Gesicht. Die Wolken hatten sich noch mehr gesenkt, und an Stelle des in hohen Luftschichten gebildeten Platzregens rieselte es ganz sein, wie Wasserstaub, hernieder, und auch das horte mit Tagesanbruch bald auf. Dann und wann blickte die Sonne durch das Gewolk und eine Nordostbrise frischte auf, bei der die Piroguen ihr Segel voll ausnutzen konnten, da der Strom hier und jenseits Buena Vista nach Westen abbiegt, ehe er sich mehr nach Suden wendet.
Das Bett des jetzt sehr breiten Orinoco bot da einen Anblick, uber den Jean von Kermor und der Sergeant Martial als Nanteser wohl stutzen mochten. Das veranla?te den alten Soldaten auch zu der Bemerkung:
»He, lieber Neffe, sieh' Dich doch einmal um, wo wir heute sind.«
Aus dem Deckhause tretend, begab sich der junge Mann nach dem Vordertheile des Fahrzeugs, dessen Segel sich hinter ihm blahte. Die sehr klare Luft lie? uberall den entfernten Horizont der Ilanos erkennen.
Da vervollstandigte der Sergeant Martial noch seine Worte.
»Sollten wir etwa gar nach unsrer geliebten Bretagne zuruck versetzt sein? sagte er.
- Ich verstehe Dich, antwortete Jean, hier gleicht der Orinoco ganz der Loire.
- Ja, Jean, unsrer Loire oberhalb wie unterhalb Nantes'. Siehst Du dort die gelben Sandbanke? Wenn hier ein halbes Dutzend Kustenfahrer mit ihrem gro?en viereckigen Segel einer im Kielwasser des andern dahinzogen, wurd' ich glauben, wir mu?ten bald in Saint-Florent oder in Mauves ankommen!
- Du hast recht, mein guter Martial, die Aehnlichkeit ist frappierend. Die weiten Ebenen, die sich langs der beiden Ufer ausdehnen, erinnern mich jedoch eher an die Wiesenflachen der untern Loire, wie bei Pellerin oder bei Paimboeuf.
- Richtig, lieber Neffe, mir ist's auch so, als mu?te jeden Augenblick der Dampfer von Saint-Nazaire auftauchen - der Pyroscaph, wie man da unten mit einem Worte sagt, das mir aus dem Griechischen, das ich nie begreifen konnte, zu stammen scheint.
- Und wenn der Pyroscaph auch kame, lieber Onkel, antwortete der junge Mann lachend, wurden wir uns seiner doch nicht bedienen, sondern ihn voruberrauschen lassen. Nantes ist jetzt da, wo mein Vater ist. nicht wahr?
- Ja, da wo mein wackrer Oberst weilt; und wenn wir ihn gefunden haben, wenn er erst wei?, da? er auf der Welt nicht allein steht, dann. dann fahrt er mit uns den Strom wieder hinunter, erst in einer Pirogue, dann mit dem »Simon Bolivar«. und schlie?lich besteigen wir den Dampfer von Saint-Nazaire, aber nur, um begluckt nach Frankreich heimzukehren.
- Moge Gott Dich horen!« murmelte Jean.
Und bei diesen Worten irrte sein Blick stromaufwarts hinaus nach den Cerros, deren entfernte Silhouette sich im Sudosten zeigte.
Dann kam er wieder auf die ubrigens ganz richtige Bemerkung zuruck, die der Sergeant Martial uber die Aehnlichkeit der Loire und des Orinoco in diesem Theile seines Laufes gemacht hatte.
»Ja, meinte er, was man aber zu gewissen Zeiten auf den Sandstrecken hier beobachten kann, das wurde man auf der obern wie auf der untern Loire doch niemals sehen.
- Und was ware das?
- Das sind Schildkroten, die jedes Jahr hierherkommen, ihre Eier abzulegen und sie in den Sand zu vergraben.
- Ah so. hier giebt es also Schildkroten.
- Zu Tausenden! Der Rio, den Du dort am rechten Ufer siehst, hie? auch Rio Tortuga, ehe er den Namen Rio Chaffanjon erhielt.
- Und wenn er Rio Tortuga hie?, hatte er diesen Namen gewi? verdient. Bisher inde? sah ich keine.
- Nur Geduld, Onkel Martial; obgleich die Legezeit schon lange voruber ist, wirst Du Schildkroten noch in unglaublicher Menge zu sehen bekommen.
- Wenn sie aber nicht mehr legen, werden wir auch ihre Eier nicht kosten konnen, die, wie mir gesagt wurde, herrliche Leckerbissen sein sollen.
- Ganz vorzugliche! Das Fleisch des Thieres ist aber ebenso wohlschmeckend. Ich hoffe doch, da? unser Schiffer Valdez einige fur unsre Suppenschussel fangen wird.
- O, eine Schildkrotensuppe! rief der Sergeant Martial, mit der Zunge schnalzend.
- Ja, und hier wird sie nicht wie in Frankreich mit Theilen vom Kalbskopf bereitet.
- Es ware auch, erwiderte der Sergeant Martial, eine so weite Reise nicht werth, wenn man hier nur ein einfaches Kalbsragout zu essen bekame!«
Der junge Mann tauschte sich nicht in der Annahme, da? die Piroguen nach den Gegenden kommen wurden, wo jene Schildtrager die Indianer der Nachbargebiete herbeilocken. Wenn diese Eingebornen jetzt hier nur zur Fangzeit erscheinen, so hausten sie dagegen fruher in gro?er Menge auf dem
Uferlande des Stromes. Die Taparitos, die Panares, die Yaruros, die Guamos und die Mapoyos bekriegten einander lange Zeit mit gro?ter Bitterkeit, um sich den Besitz dieser Landereien zu sichern. Vor den Genannten wohnten hier auch fruher jedenfalls die jetzt in alle Winde verstreuten Otomacos.
Nach den Berichten Humboldt's waren diese Indianer, die von steinernen Vorfahren abzustammen behaupteten, unermudliche Ballspieler und als solche noch gewandter als die nach Venezuela eingewanderten Basken europaischer Abkunft. Man zahlte sie ferner den Geophagen zu, das hei?t den Volkerschaften, die zur Zeit, wo es an Fischen fehlte, halbfeuchte Kugeln aus Lehm oder reinem Thon verzehrten. Das ist ubrigens eine Gewohnheit, die auch heute noch da und dort besteht. Diese Unsitte - von etwas Anderem kann man dabei doch kaum reden - eignen sich die Leute schon in fruher Kindheit an und konnen spater unmoglich davon ablassen. Die Geophagen verschlingen Erde, wie die Chinesen Opium rauchen - beide konnen dem Verlangen danach nicht widerstehen. Chaffanjon hat mehrere solcher Elenden getroffen, die sogar den Lehm von ihren Strohhutten abnagten.
Am Nachmittage hatten die Falcas mit tausenderlei Schwierigkeiten zu kampfen, die den Mannschaften viel Muhe bereiteten. Die Stromung war in diesem Theile des von hereinragenden Sandbanken eingeengten Bettes ungemein schnell.
Bei einem mit schweren Wolken bedeckten Himmel und mit Elektricitat geschwangerter Luft, horte man von