seltene Pflanze. und er war daruber so erfreut, da? er ein kleines Bild von uns mit einer Maschine herstellen wollte. unser Bild auf einem kleinen Spiegel.

- Jedenfalls eine Photographie, sagte Herr Felipe.

- Wurden Sie sie uns zeigen?« fragte Herr Miguel.

Das Madchen verlie? ihren Platz neben ihrem Freunde Jean, offnete einen der auf der Erde stehenden Canastos und entnahm ihm »das kleine Bild«, das sie dem jungen Manne brachte.

Es war in der That eine Photographie. Der Indianer zeigte darauf seine beliebte Haltung und hatte den Basthut auf dem Kopfe und die Cobija um die Schultern geworfen; rechts von ihm stand seine Frau im langen Hemd, mit Glasperlenschmuck an Armen und Beinen, links das Kind mit einem Lendenschurz und Gesichtszugen wie ein lustiger kleiner Affe.

»Wissen Sie etwa auch, was aus jenen beiden Franzosen geworden ist?. fragte Herr Miguel den Indianer.

- Ich wei? nur, da? sie uber den Strom gesetzt sind, um nach la Urbana zu gelangen, wo sie ihre Pirogue zuruckgelassen haben, wahrend sie selbst nach der Seite der aufgehenden Sonne zu durch die Ilanos weiter gegangen sind.

- Waren sie allein?

- Nein, sie hatten einen Fuhrer und drei Mapoyos-Indianer mit sich.

- Und seit ihrer Weiterreise haben Sie nichts mehr von ihnen gehort?

- Hierher sind keine Nachrichten uber sie gekommen.«

Was mochte nun aus den beiden Reisenden, den Herren Jacques Helloch und Germain Paterne, geworden sein? Lag nicht die Befurchtung nahe, da? sie auf ihrem Wege im Osten des Orinoco umgekommen, vielleicht von den Indianern verrathen worden seien? In jenen wenig bekannten Gebieten waren sie Unfallen gewi? leicht genug ausgesetzt. Jean wu?te nur zu gut, welche Gefahren Chaffanjon von Seiten seiner Begleitmannschaft gedroht hatten, als er zur Erforschung des Caura auszog, und da? er sein Leben nur dadurch zu retten vermochte, da? er den verratherischen Fuhrer durch eine Kugel niederstreckte. Den jungen Mann beunruhigte daher nicht wenig der Gedanke, da? auch seine Landsleute, wie so viele andre Forscher in diesem Theile Sudamerikas, den Tod gefunden haben konnten.

Kurz nach Mitternacht beruhigte sich das Unwetter, und unter stromenden Regengussen klarte sich der Himmel allmahlich auf. Einzelne Sterne erglanzten scheinbar ganz feucht, als ob das himmlische Na? das ganze Firmament uberschwemmt hatte. Das ganze Meteor nahm dann ein plotzliches Ende - eine Erscheinung, die man in diesen Gegenden nach Entladungen elektrischer Unwetter sehr haufig beobachten kann.

»Das giebt morgen schones Wetter,« prophezeite der Indianer, als seine Gaste sich zuruckzogen.

Jetzt erschien es in der That am rathsamsten, wieder auf die Falcas zu gehen, da die Nacht ruhig und trocken zu bleiben versprach. Auf einer Estera im Deckhause schlief es sich immer noch besser, als auf dem blanken Erdboden der indianischen Strohhutte.

Am andern Tage waren die Passagiere schon fruhzeitig bereit, Buena Vista zu verlassen. Die Sonne stieg nicht allein am ganz reinen Horizont auf, auch der Wind wehte in gunstiger Richtung aus Nordost, so da? die Segel an Stelle der Palancas benutzt werden konnten.

Bis nach la Urbana war ubrigens nur eine kurze Strecke zuruckzulegen, und dort sollte vierundzwanzig Stunden Halt gemacht werden. Wenn die Fahrt ohne Unfall abging, konnten die Falcas noch am Nachmittage daselbst eintreffen.

Herr Miguel und seine Freunde, sowie der Sergeant Martial und Jean von Kermor nahmen von dem Indianer und seiner Familie Abschied. Dann drangen die »Gallinetta« und die »Maripare« mit vollen Segeln in die schmalen Wasserstra?en ein, die lange Sandbanke zwischen sich freilie?en. Es hatte nur eines wenig starkeren Wasserwuchses bedurft, um alle diese Banke zu bedecken und dem Strome eine Breite von mehreren Kilometern zu geben.

An Bord ihrer Pirogue hatten sich der Sergeant Martial und der junge Mann vor dem Deckhause niedergesetzt, um die kostliche, frische Morgenluft zu genie?en. Das Segel schutzte sie vor den Strahlen der Sonne, die freilich schon wieder recht hei? herniederbrannte.

In Erinnerung an das Gesprach in der letzten Nacht, von dem er doch das und jenes verstanden hatte, begann der Sergeant Martial zu Jean:

»Sage mir einmal offen, ob Du an alle die Geschichten des Indianers glaubst?

- Welche denn?

- Nun, von den Tausenden und Abertausenden von Schildkroten, die hier in der Umgebung umherziehen sollen wie eine Feldarmee.

- Warum sollte das nicht wahr sein?

- Es kommt mir gar zu wunderbar vor. Eine Legion von Ratten - gut, das lass' ich mir gefallen - die hat man gelegentlich gesehen, doch die Legionen jener fast ein Meter langen, gro?en Thiere.

- Hat man auch schon gesehen.

- Wer denn?

- Nun, in erster Linie jener Indianer selbst.

- Pah! Das durften Indianerflausen sein!

- Dann sprechen davon auch die Reisenden, die an der andern Seite, von la Urbana aus, den Orinoco hinausgegangen sind.

- Ach was, in Buchern kann gar manches stehen! erwiderte der Sergeant Martial, der Reiseberichten gegenuber nun einmal ein unglaubiger Thomas war.

- Du hast unrecht, lieber Onkel. Die Sache ist nicht nur sehr glaubhaft, sondern sogar gewi? richtig.

- Na, meinetwegen! Wenn es aber wahr ist, glaub' ich doch in keinem Falle, was der Herr Miguel behauptet, da? eine gro?e Gefahr dabei sein kann, noch so vielen Schildkroten unterwegs zu begegnen.

- O, wenn sie nun den Weg ganzlich versperren?.

- Nun, zum Kuckuck, dann geht man eben uber die Burschen hin.

- Und setzt sich dabei der Gefahr aus, zerdruckt zu werden, wenn man bei einem unglucklichen Sturze mitten unter die Thiere gerath.

- Das mu? ich denn doch erst sehen, um es zu glauben.

- Dazu kommen wir etwas zu spat hierher, antwortete Jean, doch vor vier Monaten, in der Legezeit, hattest Du Dich mit eignen Augen uberzeugen konnen.

- Nein, nein, Jean! Das sind alles Erfindungen von Reisenden, die damit nur Leute, welche es vorziehen, hubsch zu Hause zu bleiben, nasfuhren wollen.

- Oho, es giebt sehr wahrheitsliebende Reisende, mein guter Martial!

- Wenn es wirklich in der Gegend hier so viele Schildkroten giebt, wie da behauptet wird, ist es doch seltsam, da? wir keine davon zu Gesicht bekommen. Siehst Du denn etwa die Sandbanke da druben unter ihren Ruckenpanzern verschwinden?. So viel will ich inde? gar nicht verlangen, will die Schildkroten gar nicht nach Hunderttausenden zahlen. nur so etwa funfzig. nur ein Dutzend mocht' ich sehen, vorzuglich, weil ihr Fleisch eine so ausgezeichnete Suppe giebt, und ich wurde zu meinem Brode einmal mit Vergnugen eine solche Bouillon genie?en.

- Die Halfte von Deiner Schussel gabst Du mir doch wohl ab, lieber Onkel?

- Warum ware das nothig?. Mit funf- bis sechstausend dieser Thiere lie?e sich, denk' ich, doch Deine und meine Schussel fullen; doch nicht eine. nicht eine einzige! Wo mogen sie sich versteckt haben?. Jedenfalls im Hirnkasten unsres Indianers!«

Schwerlich hatte einer die Unglaubigkeit weiter treiben konnen, doch wenn der Sergeant Martial keinen von den nomadisierenden Chelidoniern wahrnahm, so lag das nicht an seinem mangelhaften Sehen, denn er brachte das Fernrohr kaum von den Augen weg.

Unter dem Antriebe des Windes fuhren inzwischen die beiden Piroguen in Gesellschaft weiter. So lange sie dem linken Ufer folgen konnten, war der Wind ihnen gunstig und machte die Mithilfe der Palancas unnothig. In dieser Weise verlief die Fahrt bis zur Mundung des Arauca, eines ziemlich bedeutenden Nebenflusses des Orinoco, dem er einen Theil der vielen, am Abhang der Anden entspringenden Gewasser zufuhrt, und der ein so schmales Stromgebiet hat, da? er selbst keinen andern Nebenflu? aufnimmt.

Den ganzen Vormittag ging es stromaufwarts weiter; um elf Uhr mu?te queruber gefahren werden, da la Urbana am rechten Ufer liegt.

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