schicken, das er angeblich in der Wuste gefunden hat.« »Was? In der Wuste?«

»Er ist vielleicht nicht ganz richtig im Kopf. Behauptet, ein Polizist zu sein, und quasselt dauernd von einem toten ITC-Angestell-ten.« »Er soll es an unsere E-Mail-Adresse schicken«, sagte Chris. »Schau's dir mal an.«

Er schaltete das Funkgerat ab. Bellin sah auf seine Uhr, schnalzte noch einmal mit der Zunge und schaute dann zum Auto hinuber, wo Johnston und Delvert ihre Kopfe in Unterlagen steckten. »Ich habe noch Termine«, sagte er betrubt. »Wer wei?, wie lange das hier noch dauert.«

»Ich glaube«, entgegnete Chris, »nicht sehr lange.«

Zwanzig Minuten spater fuhr Bellin mit Miss Delvert davon, und Chris und der Professor standen da und winkten zum Abschied. »Ich glaube, das lief ziemlich gut«, sagte Johnston. »Was hat sie dir gezeigt?«

»Einige Grunderwerbsurkunden fur das Umland hier. Aber das Material ist nicht sehr uberzeugend. Funf Parzellen wurden von einer deutschen Investmentgruppe gekauft, uber die nur wenig bekannt ist. Zwei Parzellen wurden von einem britischen Anwalt gekauft, der behauptet, hier seinen Ruhestand verbringen zu wollen, eine aridere von einem niederlandischen Bankier fur seine erwachsene Tochter, und so weiter und so fort.«

»Briten und Niederlander kaufen seit Jahren im Perigord Land«, sagte Chris. »Das ist nichts Neues.«

»Genau. Aber sie hat die fixe Idee, da? alle Grundstuckskaufe zu ITC zuruckverfolgt werden konnen. Die Argumentation ist jedenfalls ziemlich dunn. Man mu? schon daran glauben.«

Das Auto war verschwunden. Sie drehten sich um und gingen zum Flu?. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, es wurde allmahlich hei?. Vorsichtig bemerkte Chris: »Charmante Frau.« »Ich glaube«, sagte Johnston, »sie ist zu sehr auf ihren Job fixiert.« Sie stiegen in das Boot, das am Flu?ufer vertaut lag, und Chris ruderte sie hinuber nach Castelgard.

Sie lie?en das Boot am Ufer liegen und stiegen den Hugel zum Ort hinauf. Bald kamen die ersten Teile der Burgmauern in Sicht. Auf dieser Seite war von den Mauern nichts mehr ubrig als ein paar grasbewachsene Walle, die in langen Narben aus freiliegendem, zerbrockelndem Gestein endeten. Nach sechshundert Jahren sah es fast so aus wie ein naturlicher Teil der Landschaft. Tatsachlich aber waren es die Uberreste einer Mauer.

»Wei?t du«, sagte der Professor, »wogegen sie eigentlich was hat, ist Firmensponsoring. Aber archaologische Forschung war schon immer von externen Wohltatern abhangig. Vor hundert Jahren waren diese Wohltater noch Privatpersonen: Carnegie, Peabody, Stanford. Heutzutage ist das gro?e Geld bei Firmen und Konzernen, deshalb finanziert Nippon TV die Sixtinische Kapelle, British

Telecom finanziert York, Philips Electronics finanziert das castrum in Toulouse, und ITC- finanziert uns.«

»Wenn man vom Teufel spricht«, sagte Chris. Als sie die Kuppe uberquerten, sahen sie die dunkle Gestalt von Diane Kramer, die sich mit Andre Marek unterhielt.

Der Professor seufzte. »Der Tag ist im Eimer. Wie lange hat sie vor zu bleiben?«

»Ihr Flugzeug steht in Bergerac. Der Ruckflug ist fur heute nachmittag drei Uhr geplant.«

»Tut mir leid wegen dieser Frau«, sagte Diane Kramer, als Johnston zu ihr kam. »Sie nervt jeden, aber wir konnten nichts gegen sie tun.« »Bellin sagte mir, Sie wollten, da? ich mit ihr spreche.« »Wir wollen, da? alle mit ihr sprechen«, sagte Kramer. »Wir tun, was wir konnen, um ihr zu zeigen, da? wir nichts zu verbergen haben.« »Sie schien hochst besorgt daruber«, bemerkte Johnston, »da? ITC hier in der Gegend Land aufkauft.«

»Landkaufe? ITC?« Kramer lachte. »Der Witz ist mir neu. Hat sie Sie auch nach Niob und Atomreaktoren gefragt?«

»Wenn Sie's genau wissen wollen, ja. Sie behauptete, ITC hatte eine Firma in Nigeria gekauft, um den Bedarf zu decken.« »Nigeria«, wiederholte Kramer mit einem Kopfschutteln. »Ach du meine Gute. Unser Niob kommt aus Kanada. Niob ist nicht gerade ein seltenes Metall, wissen Sie. Funfundsiebzig Dollar das Pfund.« Sie schuttelte den Kopf. »Wir haben ihr eine Fuhrung durch unsere Einrichtungen angeboten, ein Interview mit unserem Prasidenten, sie hatte einen Fotografen und eigene Experten mitbringen durfen, was immer sie will. Aber nein. Das ist moderner Journalismus: La? dir die Tatsachen nicht in die Quere kommen.«

Kramer drehte sich um und deutete uber die Ruinen von Castel-gard. »Wie auch immer«, sagte sie, »ich bin eben in den Genu? von Dr. Mareks ausgezeichneter Fuhrung gekommen, im Hubschrauber und zu Fu?. Es ist offensichtlich, da? Sie hier absolut spektakulare Arbeit leisten. Sie kommen gut voran, die Arbeit ist von hochster akademischer Qualitat, die Aufzeichnungen sind erstklas-sig, Ihre Leute sind zufrieden, Organisation und Verwaltung funktionieren. Einfach gro?artig. Ich konnte nicht glucklicher sein. Aber Dr. Marek sagt mir, da? er zu spat kommt fur seine — was ist es gleich wieder?«

»Meine Breitschwertstunde«, sagte Marek.

»Seme Breitschwertstunde. Ja. Ich glaube, da sollte er unbedingt hingehen. Es klingt nicht wie etwas, das man einfach verlegen kann wie eine Klavierstunde. Konnen wir unterdessen ein wenig uber das Gelande spazieren?« »Naturlich«, sagte Johnston.

Chris' Funkgerat klickte. »Chris? Sophie will dich sprechen.« »Ich rufe sie zuruck.«

»Nein, nein«, sagte Kramer. »Machen Sie nur. Ich spreche allein mit dem Professor.«

»Normalerweise habe ich Chris immer dabei, damit er sich Notizen macht«, sagte Johnston schnell.

»Ich glaube nicht, da? wir heute Notizen brauchen.«

»Okay. Gut.« Er wandte sich an Chris. »Aber gib mir dein Funkgerat,

nur fur den Fall.«

»Kein Problem.« Er hakte das Funkgerat vom Gurtel und gab es Johnston. Als Johnston es in die Hand nahm, druckte er, fur Chris sichtbar, die Sprechtaste. Dann hakte er es sich an den Gurtel. »Danke«, sagte Johnston. »Und jetzt soutest du besser Sophie anrufen. Du wei?t, da? sie es nicht mag, wenn man sie warten la?t.« »Okay«, sagte Chris.

Wahrend Johnston und Kramer langsam durch die Ruinen schlenderten, rannte er uber die Wiese zu dem steinernen Bauern-haus, das ihnen als Hauptquartier diente.

Knapp hinter den brockelnden Mauern des Ortes Castelgard hatte das Team ein heruntergekommenes steinernes Lagerhaus gekauft, das Dach erneuert und das Mauerwerk ausgebessert. Hier waren ihre gesamte Elektronik, die Laborausrustung und die Archivierungscomputer untergebracht. Unbearbeitete Aufzeichnungen und Artefakte lagerten neben dem Bauernhaus unter einem weiten grunen Zeltdach. Chris betrat das Lagerhaus, ursprunglich ein einziger gro?er

Raum, den sie in zwei kleine unterteilt hatten. Im linken Abteil sa? Elsie Kastner, die Linguistin und Graphologieexpertin des Teams, uber Pergamente gebeugt. Chris ignorierte sie und ging direkt in den anderen Kaum, der gesteckt voll war mit elektronischem Gerat. Dort sa? David Stern, der dunne, bebrillte Technikexperte des Projekts, und sprach in ein Telefon.

»Na ja«, sagte Stern eben. »Sie mu?ten Ihr Dokument mit einer ziemlich hohen Auflosung einscannen und es uns schicken. Haben Sie einen Scanner?«

Hastig wuhlte Chris in dem Geratedurcheinander auf dem Klapptisch nach einem Funkgerat. Er fand keins, alle Ladestationen waren leer. »Die Polizei hat keinen Scanner?« fragte Stern eben uberrascht. »Ach, Sie sind nicht im Revier — aber warum gehen Sie nicht hin und benutzen den Polizeiscanner?«

Chris klopfte Stern auf die Schulter. Funkgerat, formte er mit den Lippen.

Stern nickte und hakte das Funkgerat von seinem Gurtel. »Ja, der Krankenhausscanner tut's auch. Vielleicht gibt es da ja jemanden, der Ihnen helfen kann. Wir brauchen zwolf-achtzig mal zehn-vier-undzwanzig, abgespeichert als JPEG-Datei. Dann schicken Sie uns das...«

Chris lief nach drau?en und schaltete dabei die Funkkanale durch. Von der Tur des Lagerhauses konnte er das gesamte Gelande uberblicken. Er sah, da? Johnston und Kramer am Rand des Plateaus entlanggingen, von wo man zum Kloster hinuntersah. Sie hatte ihr Notizbuch aufgeschlagen und zeigte ihm etwas. Und dann fand er sie auf Kanal acht.

»- deutliche Beschleunigung der Forschungsarbeiten«, sagte sie eben. Und der Professor sagte: »Was?«

Johnston starrte die Frau, die vor ihm stand, uber seine Drahtbrille hinweg an. »Das ist unmoglich«, sagte er.

Sie atmete tief ein. »Vielleicht habe ich es nicht gut erklart. Sie machen doch schon einige Rekonstruktionen. Nun, Bob hatte gern, da? Sie diese Arbeiten zu einem vollstandigen Wiederaufbauprogramm ausweiten.« »Ja. Und das ist unmoglich.« »Sagen Sie mir, warum?«

»Weil wir noch nicht genug wissen, darum«, erwiderte Johnston verargert. »Schauen Sie: Rekonstruiert haben wir bis jetzt ausschlie?lich aus Sicherheitsgrunden. Wir haben Mauern nur wiederaufgebaut, damit sie

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