»Nein«, erwiderte Chris und runzelte die Stirn.

Schweigend begannen sie nun, ihm die Rustung anzulegen. Zuerst dicke Filzbeinlinge und ein gepolstertes, langarmeliges und vorne zu knopfendes Untergewand. Sie baten ihn, die Arme zu beugen. Er schaffte es kaum, so dick war das Tuch.

»Es ist noch steif vom Waschen, aber das gibt sich«, sagte einer. Chris glaubte nicht so recht daran. O Gott, dachte er, ich kann mich kaum ruhren, und sie haben mir noch nicht einmal die Rustung angelegt. Jetzt schnallten sie ihm Metallplatten auf Oberschenkel, Schienbeine und Knie. Dann kamen die Arme dran. Nach jedem Stuck baten sie ihn, das entsprechende Glied zu bewegen, um zu kontrollieren, ob die Riemen nicht zu fest sa?en.

Als nachstes wurde ihm ein Kettenhemd uber den Kopf gestreift. Es lag ihm schwer auf den Schultern. Wahrend der Brustpanzer umgelegt wurde, stellte ihm der Oberknappe eine Reihe Fragen, die er alle nicht beantworten konnte.

»Sitzt Ihr aufrecht oder an den Hinterzwiesel gelehnt?« »Legt Ihr die Lanze ein oder stutzt Ihr sie auf?« »La?t Ihr Euch am Knauf einhangen oder sitzt Ihr frei?« »Die Steigbugel tief oder nach vorne?«

Chris murmelte nur unverbindlich. Unterdessen wurden ihm weitere

Rustungsteile angelegt und weitere Fragen gestellt.

»Beweglicher Barlatsch oder fester?«

»Unterarmschiene oder Seitenplatte?«

»Breitschwert links oder rechts?«

»Stahlhaube unter dem Helm oder nicht?«

Mit jedem Stuck kam er sich schwerfalliger vor, und jedes Gelenk, das mit Metall umhullt wurde, machte ihn unbeweglicher. Die Knappen arbeiteten schnell, und nach wenigen Minuten war er fertig. Sie traten zuruck und begutachteten ihn. »Gut so, Squire?« »Ja, gut«, sagte er.

»Nun den Helm.« Er trug bereits eine Art metallener Haube, und jetzt brachten sie den Helm mit der spitzen Schnauze und stulpten ihn Chris uber den Kopf. Plotzlich war er in Dunkelheit getaucht, und er spurte das Gewicht des Helms auf seinen Schultern. Durch den horizontalen Augenschlitz konnte er nur sehen, was direkt vor ihm war. Sein Herz begann zu hammern. Er bekam keine Luft. Er zerrte an dem Helm, versuchte, das Visier zu heben, aber es bewegte sich nicht. Er war gefangen. Die Metallwande des Helms warfen das Gerausch seines Atems zuruck. Durch die Atemluft wurde es hei?er und hei?er in dem engen Helm. Er erstickte. Keine Luft. Er packte den Helm, versuchte, ihn sich vom Kopf zu heben.

Die Knappen nahmen ihm den Helm ab und sahen ihn neugierig an. »Ist alles in Ordnung, Squire?«

Chris hustete und nickte nur, weil er sich nicht zu sprechen traute. Er wollte dieses Ding nie mehr auf dem Kopf haben. Aber sie fuhrten ihn bereits aus dem Zelt, zu einem wartenden Pferd. Mein Gott, dachte er.

Das Pferd war riesig und mit noch mehr Metall umhullt als er. Uber dem Kopf hatte es eine verzierte Platte und weitere Platten vor der Brust und an den Flanken.Trotz der schweren Rustung war das Pferd nervos und temperamentvoll, es schnaubte und ri? am Zugel, den ein Knappe hielt. Es war ein echtes Schlachtro? und viel lebhafter als jedes Pferd, das er je geritten hatte. Aber das war es gar nicht, was ihm Sorgen machte. Was ihm wirklich Sorgen machte, war die Gro?e — das verdammte Pferd war so riesig, da? er nicht uber den Widerrist sehen konnte. Und der holzerne Sattel war erhoht, was es noch gro?er machte. Die Knappen sahen ihn erwartungsvoll an. Aber was wollten sie von ihm? Wahrscheinlich sollte er aufsteigen. »Wie komme ich, ah...«

Sie rissen uberrascht die Augen auf. Der Oberknappe trat vor und sagte olig: »Legt Eure Hand hier drauf, Squire. Auf das Holz, und schwingt Euch hinauf...«

Chris streckte die Hand aus, aber er konnte den Knauf kaum erreichen, ein geschnitztes Holzdreieck an der Spitze des Sattels. Er schlo? die Finger um das Holz, hob dann das Knie und stellte den Fu? in den Steigbugel.

»Ahm, ich glaube, der linke Fu?, Squire.«

Naturlich. Der linke Fu?. Er wu?te das, er war nur nervos und verwirrt. Er schlenkerte den rechten Fu?, um ihn aus dem Steigbugel zu bekommen. Aber der Stahlschuh hatte sich darin verfangen; er beugte sich ungelenk vor und versuchte, ihn mit der Hand zu befreien. Aber der Schuh steckte noch immer fest. Und als er sich schlie?lich aus dem Steigbugel loste, verlor Chris das Gleichgewicht und fiel neben den Hinterhufen des Pferds auf den Rucken. Die entsetzten Knappen zerrten ihn schleunigst weg.

Sie stellten ihn wieder auf die Fu?e, und dann halfen sie ihm alle gemeinsam in den Sattel. Er spurte Hande an seinem Hintern, wahrend er wackelig in die Hohe stieg, das rechte Bein uber den Pferderucken schwang - mein Gott, war das schwer — und mit einem Scheppern im Sattel landete.

Chris schaute zu Boden, der tief unter ihm war. Er kam sich vor wie in drei Meter Hohe. Kaum sa? er, fing das Pferd an zu wiehern und den Kopf zu schutteln, es verdrehte ihn seitwarts und versuchte, nach Chris' Waden zu schnappen. Dieses verdammte Pferd will mich bei?en, dachte er.

»Die Zugel, Squire. Ihr mu?t es zugeln.«

Chris zog an den Zugeln. Das riesige Pferd achtete uberhaupt nicht darauf, es senkte immer wieder den Kopf und wollte ihn noch immer bei?en.

»Zeigt es ihm, Squire. Mit Kraft.«

Chris ri? so heftig an den Zugeln, da? er befurchtete, er wurde dem Tier den Hals brechen. Doch das Pferd schnaubte nur noch einmal kurz auf und schaute dann, plotzlich beruhigt, nach vorne. »Gut gemacht, Squire.«

Posaunen erklangen, mehrere langgezogene Tone.

»Das ist der erste Ruf an die Waffen«, sagte der Knappe. »Wir mussen zum Turnierplatz.«

Sie nahmen das Pferd bei den Zugeln und fuhrten Chris auf die Wiese.

36:02:00

Es war ein Uhr morgens. Von seinem Buro im ITC-Gebaude blickte Robert Doniger auf den Eingang zur Hohle hinunter, der von den Blinklichtern von sechs dort abgestellten Krankenwagen flackernd erhellt wurde. Die Funkgerate der Sanitater knisterten. Menschen kamen aus dem Tunnel, unter ihnen auch Gordon mit diesem jungen Wissenschaftler, Stern. Keiner von beiden schien verletzt zu sein. Gespiegelt in der Glasscheibe sah er Kramer, die gerade sein Buro betrat. Sie war leicht au?er Atem. Ohne sich zu ihr umzudrehen, fragte er: »Wie viele wurden verletzt?« »Sechs. Zwei relativ schwer.« »Wie schwer?«

»Splitterwunden. Und Vergiftungen vom Einatmen der Dampfe.« »Dann mussen Sie wohl ins UH.« Er meinte das University Hospital in Albuquerque.

»Ja«, sagte Kramer. »Ich habe ihnen eingescharft, was sie sagen durfen. Laborunfall und so weiter. Und ich habe Whittle im UH angerufen und ihn an unsere letzte Spende erinnert. Ich glaube nicht, da? es da ein Problem gibt.«

Doniger sah zum Fenster hinaus. »Vielleicht doch«, sagte er. »Die PR-Leute werden damit fertig.« »Oder auch nicht.«

In den letzten Jahren hatte ITC eine PR-Abteilung aus sechs-undzwanzig Leuten aufgebaut, die auf der ganzen Welt operierten. Ihre Aufgabe war es nicht, der Firma Publicity zu verschaffen, sondern die Aufmerksamkeit der Offentlichkeit eher abzulenken. ITC, so erklarten sie jedem, der nachfragte, sei eine Firma, die supraleitende Quantenvorrichtungen fur Magnetometer und medizinische Scanner herstelle. Diese Vorrichtungen bestanden aus einem komplexen elektromechanischen Element von etwa funfzehn Zentimeter Lange. Die entsprechenden Pressemitteilungen waren umwerfend langweilig, vollgestopft mit quantentechnologischen Details. Falls dennoch einmal ein Reporter interessiert war, zeigte ITC Begeisterung und veranstaltete fur ihn eine Fuhrung durch die Anlage in New Mexico. Man prasentierte ihm ausgewahlte Forschungslabore. Und dann zeigte man ihm in einer gro?en Montagehalle, wie diese Vorrichtungen zusammengebaut wurden — wie die Spulen der Neigungsmesser in den Kryostaten eingebaut wurden, wie die supraleitende Abschirmung montiert und wie die Stromkabel nach au?en gefuhrt wurden. Erklarungen bezogen sich auf die MaxwellGleichungen und die Bewegungen der elektrischen Ladung. An diesem Punkt gab so gut wie jeder auf. Einer meinte einmal: »Das ist ungefahr so interessant wie ein Montageband fur Haartrockner.« Auf diese Art hatte Doniger es geschafft, die au?ergewohnlichste wissenschaftliche Entdeckung des spaten zwanzigsten Jahrhunderts unter Verschlu? zu halten. Zum Teil diente dieses Stillschweigen der Selbsterhaltung: Andere Firmen, wie etwa IBM und Fujitsu, hatten mit eigener Quantenforschung begonnen, und obwohl Doniger einen vierjahrigen Vorsprung hatte, lag es in seinem Interesse, da? sie nicht wu?ten, wie weit er schon gekommen war.

Er war sich au?erdem bewu?t, da? sein Plan noch nicht vollendet war, und Geheimhaltung war dringend

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