versteckten und still lauerten. Was zum Teufel war hier nur los?
Die Soldaten hatten bereits am Lehmpfad auf sie gewartet. Dann waren sie nach Osten gezogen und lauerten jetzt wieder auf sie. Wie war das moglich?
Er sah Kate an, die hinter im kauerte, doch sie machte nur ein verangstigtes Gesicht.
Chris, der ebenfalls kauerte, tippte Marek auf die Schulter. Chris schuttelte den Kopf und deutete mit Nachdruck auf sein Ohr.
Marek nickte und horchte. Zuerst horte er nichts als den Wind. Verwirrt sah er wieder Chris an, der sich nun mit ubertriebener Geste knapp neben dem Ohr an den Kopf tippte.
Schalte deinen Ohrstopsel an, meinte er damit.
Marek tippte sich ans Ohr.
Nach dem ersten kurzen Knistern nach dem Einschalten horte er zunachst gar nichts. Achselzuckend schaute er Chris an, der ihm die erhobenen Handflachen entgegenstreckte: warte. Marek wartete. Erst nach einer Weile horte er das leise, regelma?ige Atmen eines Menschen.
Er sah Kate an und hielt sich den Finger an die Lippen. Sie nickte. Er sah Chris an. Auch er nickte. Sie verstanden beide. Absolut kein Gerausch machen.
Wieder horchte Marek angestrengt. Noch immer horte er in seinem Ohrstopsel das leise Atmen. Aber es kam nicht von ihnen. Sondern von jemand anders.
Chris flusterte: »Andre, das ist zu gefahrlich. Wir sollten den Flu? nicht heute nacht uberqueren.«
»Du hast recht«, flusterte Marek. »Wir gehen zuruck nach Castelgard und verstecken uns uber Nacht vor der Stadtmauer.« »Okay. Gut.« »Dann los.«
In der Dunkelheit nickten sie einander zu und tippten sich dann ans Ohr,
um die Gerate auszuschalten.
Und dann hockten sie sich hin, um zu warten.
Kurz darauf horten sie, wie die Soldaten aufstanden und wieder durchs Unterholz liefen. Doch diesmal den Hugel hinauf, zuruck nach Castelgard.
Sie warteten noch funf oder sechs Minuten. Dann gingen sie weiter den Hugel hinunter, weg von Castelgard.
Es war Chris, der sich schlie?lich alles zusammengereimt hatte. Als er in der Dunkelheit den Hugel hinunterstieg, hatte er sich mit der Hand eine Mucke vom Ohr gewischt und dabei unabsichtlich seinen Ohrstopsel eingeschaltet, und kurz darauf hatte er deutlich jemand niesen horen.
Aber von ihnen dreien hatte keiner geniest.
Wenige Augenblicke spater war ihnen das Schwein uber den Weg gelaufen, und zu der Zeit horte er bereits jemanden vor Anstrengung keuchen. Doch Kate und Marek, die in der Dunkelheit neben ihm standen, bewegten sich uberhaupt nicht.
Zu diesem Zeitpunkt erkannte er, da? noch ein anderer einen Ohrstopsel haben mu?te - und als er jetzt daruber nachdachte, konnte er sich ziemlich gut vorstellen, woher der stammte. Von Gomez. Irgend jemand mu?te Gomez' abgetrenntem Kopf den Stopsel aus dem Ohr gezogen haben. Das einzige Problem mit dieser Theorie war nur — Marek stupste ihn an. Deutete nach vorne. Kate reckte den Daumen in die Hohe und grinste. Flach und leicht gekrauselt platscherte der Flu? durch die Nacht. Die Dordogne war an dieser Stelle sehr breit, sie konnten das andere Ufer, eine Linie aus dunklen Baumen und dichtem Unterholz, kaum erkennen. Bewegungen waren nirgendwo zu sehen. Als Chris flu?aufwarts schaute, sah er gerade noch die dunklen Umrisse der Muhlenbrucke. Er wu?te, da? die Muhle uber Nacht geschlossen war. Muller konnten nur bei Tageslicht arbeiten, weil sogar die
Flamme einer Kerze eine Explosion des Mehlstauhs in der Luft verursachen konnte.
Marek beruhrte Chris am Arm und deutete zum gegenuberliegenden Ufer. Chris zuckte die Achseln, er sah nichts. Marek deutete noch einmal.
Chris kniff die Augen zusammen und konnte gerade noch vier dunne
Rauchsaulen erkennen, die in den Nachthimmel stiegen. Aber wenn der
Rauch von Feuern kam, warum sahen sie dann kein Licht?
Sie gingen am Wasser entlang flu?aufwarts und kamen nach einer Weile zu einem am Ufer festgemachten Kahn. Er knirschte in der Stromung
uber die Steine. Marek schaute zum anderen Ufer. Sie waren jetzt ein ganzes Stuck von den Rauchsaulen entfernt.
Er zeigte auf den Kahn. Sollten sie es riskieren?
Die einzige Alternative war, das wu?te Chris, durch den Flu? zu schwimmen. Aber die Nacht war kuhl, und er wollte nicht na? werden.
Er deutete ebenfalls auf den Kahn und nickte.
Auch Kate nickte.
Sie stiegen ein, und Marek ruderte sie leise uber die Dordogne. Kate, die neben Chris sa?, mu?te an ihre Unterhaltung denken, als sie vor ein paar Tagen den Flu? uberquerten. Wie viele Tage war das her? Nur zwei, erkannte sie. Aber ihr kam es vor wie Wochen. Mit zusammengekniffenen Augen suchte sie das andere Ufer nach Bewegungen ab. Ihr Boot war zwar nur ein dunkler Umri? auf dunklem Wasser vor einem dunklen Hugel, aber wenn jemand in ihre Richtung schaute, waren sie trotzdem sichtbar.
Doch offensichtlich tat das niemand. Das Ufer war jetzt schon sehr nahe, und dann glitt der Kahn leise zischend uber das Gras am Ufer und kam mit einem leichten Knirschen zum Stehen. Sie stiegen aus und entdeckten sofort einen schmalen Lehmpfad, der am Ufer entlangfuhrte. Marek hielt sich den Finger an die Lippen und setzte sich auf dem Pfad in Bewegung. Er ging auf den Rauch zu. Sie folgten ihm vorsichtig.
Ein paar Minuten spater hatten sie die Antwort. Es waren vier Feuer, die in Abstanden am Ufer brannten. Doch die Flammen waren umstellt mit kaputten Rustungsteilen, die
Marek flusterte. »Ein alter Trick. Die Feuer geben die falsche Position an.«
Kate begriff nicht so recht, was mit diesem »alten Trick« erreicht werden sollte. Vielleicht sollten sie eine gro?ere Truppenstarke, als wirklich vorhanden war, vortauschen. Marek fuhrte sie an den unbewachten Feuern vorbei zu einigen anderen, die etwas weiter unten am Ufer brannten. Sie gingen dicht am Wasser und horten das Platschern des Flusses. Als sie zum letzten Feuer kamen, drehte Marek sich plotzlich auf dem Absatz um und lie? sich zu Boden fallen. Auch Kate und Chris gingen zu Boden, und dann horten sie Stimmen, die ein eintoniges Trinklied grolten; der Text ging etwa so: »Wenn ein Mann am Feuer schnarcht, dann war's das Bier, das Bier, wenn ein Mann im Dreck sich suhlt, dann war's das Bier, das Bier...« Es ging endlos so weiter. Beim Zuhoren fuhlte Kate sich an die Sauflieder ihrer Collegezeit erinnert. Und als sie den Kopf hob, sah sie wirklich ein halbes Dutzend Soldaten in Grun und Schwarz, die um mehrere Feuer sa?en, tranken und laut sangen. Vielleicht hatten sie den Befehl, genug Larm zu machen, um die vielen Feuer zu rechtfertigen. Marek bedeutete ihnen umzukehren, und als sie ein Stuck gegangen waren, fuhrte er sie nach links, vom Flu? weg. Sie verlie?en den Schutz des Waldstreifens, der das Ufer saumte, und huschten nun wieder uber offene Felder ohne jede Deckung. Kate erkannte, da? es dieselben Felder waren, uber die sie an jenem Morgen gelaufen waren. Und wirklich sah sie auf der linken Seite schwache gelbe Lichter in den oberen Fenstern des Klosters. Offensichtlich arbeiteten einige Monche bis spat in die Nacht. Direkt vor ihnen erkannte sie die dunklen Umrisse strohgedeckter Bauernhutten.
Chris deutete zum Kloster. Warum gingen sie nicht dorthin? Marek formte mit seinen Handen ein Kissen am Ohr: Alle schlafen. Chris zuckte die Achseln: Na und?
Marek spielte ihnen angstliches Hochschrecken vor. Er schien zu meinen, da? sie betrachtliche Aufregung verursachen wurden, wenn sie mitten in der Nacht dort auftauchten. Chris zuckte die Achseln: Na und?
Marek wackelte mit dem Finger: Keine gute Idee. Mit den Lippen formte er lautlos:
Marek ging an den Hutten vorbei, bis er zu einem ausgebrannten Bauernhaus kam - vier Wande und die schwarzen Uberreste von Balken, die ein Strohdach getragen hatten. Durch eine Tur mit einem roten Streifen quer uber dem Blatt traten sie ein. In der Dunkelheit konnte Kate kaum etwas erkennen.
In der Hutte wuchs hohes Gras, einige Stucke kaputten Steingutgeschirrs lagen herum. Marek suchte das Gras ab, bis er zwei irdene Topfe mit gesprungenen Randern entdeckt hatte. Fur Kate sahen sie aus wie Nachttopfe. Marek stellte sie vorsichtig auf ein verkohltes Fensterbrett. Sie flusterte: »Wo sollen wir schlafen?« Marek zeigte auf den Boden.