seine Rasse war unbestimmbar. Ich zog die Vorhange wieder zu und wollte mich ins warme Bett zuruckziehen. Da aber wachte die beste Ehefrau von allen auf und fragte: „Was ist los?' „Ein junger Hund' antwortete ich mi?mutig. „Lebt er?' „Ja. ' „Dann la? ihn herein. '

Ich offnete die Terrassentur. Das sehr junge Hundchen trottete in unser Schlafzimmer und pinkelte auf den roten Teppich. Ich mag es nicht, wenn jemand auf den Teppich pinkelt, deshalb packte ich den kleinen Hund und setzte ihn etwas unsanft wieder in den Garten. Meine stille Hoffnung war, da? sich irgend jemand um ihn kummern wurde.

Doch ich hatte mich getauscht, es kam niemand. Vielmehr fing das Hundchen an, durchdringend zu jaulen und zu jammern, was zur Folge hatte, da? aus dem Nachbarhaus Frau Kaminski herbeieilte. Sie war noch im Morgenrock, und was sie uns zu sagen hatte, war nicht besonders freundlich. Das anderte sich jedoch schlagartig, als ihr Blick auf die Ursache des morgendlichen Larms fiel. Nun versuchte sie uns mit vielen Worten davon zu uberzeugen, da? wir uns um den armen kleinen Hund kummern mu?ten. Sie wies darauf hin, da? der Hund ein treues Tier sei; ja, er sei nicht nur treu, sondern auch besonders klug und reinlich. „Der Hund ist der beste Freund des Menschen', erklarte sie uns. „Wenn das so ist, Frau Kaminski', erlaubte ich mir einzuwerfen, „warum nehmen Sie den kleinen Hund dann nicht zu sich?' „Ich bin nicht verruckt', antwortete sie, „ich habe schon genug Sorgen. ' So kam es, da? das sehr kleine, sehr junge Hundchen bei uns blieb. Wir beriefen sofort den Familienrat ein und beschlossen, ihn Mischko zu taufen. Mischko fuhlte sich bei uns bald zuhause, und alle hatten ihn gern. Er war leicht zu verkostigen, weil er alles fra?, was in seine Reichweite kam. Vor allem aber fra? er Knopfe und immer wieder Knopfe. Auch liebte er es, kleine tote Mause aus dem Nachbargarten in unseren zu tragen. Er war sehr anhanglich und wedelte jedesmal mit seinem kurzen Schwanzchen vor Freude, wenn wir ihn riefen. Das allerdings nur unter der Voraussetzung, da? wir ein Stuck Salami in der Hand hielten. Auch hatte ich ihm in erstaunlich kurzer Zeit beigebracht, meinen Befehlen zu gehorchen. Dafur einige Beispiele: „Sitz!' Mischko spitzt die Ohren und leckt mir uber das Gesicht. „Spring!' Mischko kratzt sich am Bauch. „Gib Pfotchen!' Mischko starrt mich an und ruhrt sich nicht. Ich konnte noch eine Reihe weiterer Beispiele anfuhren, aus denen hervorgeht, da? Mischko kein blodsinnig dressierter Hund war, sondern da? er einen sehr starken eigenen Willen besa?. Es war nur schade, da? er immer auf den roten Teppich pinkelte. Und er pinkelte ausschlie?lich auf den roten Teppich. Warum? Ich wei? es nicht. Vielleicht ist er in einem Mohnfeld auf die Welt gekommen und mu? deshalb immer pinkeln, sobald er einen roten Teppich sieht.

Ich wollte mich mit Mischkos Pinkelgewohnheiten nicht abfinden und begann deshalb ein wohldurchdachtes Erziehungsprogramm: „Es ist verboten, auf den Teppich zu pinkeln', sagte ich langsam und deutlich zu ihm mit erhobenem Zeigefinger. „Verboten, horst du? Pfui!' Jedesmal, wenn Mischko wieder auf den Teppich pinkelte, wurde meine Stimme strenger. Hatte er aber sein Geschaft einmal irrtumlich im Ziergarten gemacht, uberschuttete ich ihn mit Lob, Liebkosungen und Leckerbissen.

Wahrscheinlich zog Mischko aus meinem Verhalten den Schlu?, da? diese zweibeinigen, bald wutenden, bald zartlichen Geschopfe sehr launisch waren. Wer kennt sich schon mit Erwachsenen aus? Da Mischko auf meine Erziehungsversuche uberhaupt nicht reagierte, mu?te ich mir etwas anderes einfallen lassen. Als erstes wollte ich ihn daran gewohnen, nicht auf rote Teppiche zu pinkeln, sondern auf andersfarbige. Dann wollte ich ihn aus dem Haus locken, damit er sein Geschaft im Freien verrichtete; am liebsten im Nachbargarten. Mit diesem Ziel vor Augen legte ich uber unseren roten Teppich einen grauen. Als Belohnung setzte ich eine Bratwurst als Pramie aus.

Nach etwa zwei Wochen hatte sich Mischko an den grauen Teppich gewohnt, ich konnte ihn wieder wegnehmen. Mischko, der gerade im Garten war, kam freudig bellend herbeigesaust und pinkelte auf den roten Teppich. Hunde sind bekanntlich sehr treu. Aber mein Vorrat an Erziehungsma?nahmen war noch immer nicht erschopft. Ich beschlo? nun, seine Liebe zur Natur zu wecken, und kaufte eine lange grune Leine, um mit ihm jede Nacht im nahegelegenen Park spazierenzugehen. Mischko hielt sich wahrend der langen Spaziergange zuruck. Erst kurz vor unserem Haus wurde er unruhig. Und kaum hatte ich die Tur geoffnet,

sprang er mit einem Satz ins Schlafzimmer, auf den roten Teppich und verrichtete sein Geschaftchen. Ich wurde immer unruhiger. Was sollte ich nur tun? Da kam mir Frau Kaminski zu Hilfe. Wieder einmal war sie mit einigen Knochen fur den Hund herubergekommen. Verzweifelt erzahlte ich ihr von Mischkos Schwierigkeiten. Da bekam ich folgendes zu horen: „Sie haben den Hund schlecht erzogen, weil Sie nicht wissen, wie man mit Hunden umgeht. Sie mussen jedesmal, wenn er auf den roten Teppich pinkelt, seine Schnauze hineinstecken, ihm einen Klaps geben und ihn zum Fenster hinauswerfen. So macht man das. ' Obwohl ich kein Freund von korperlichen Strafen bin, handelte ich entsprechend Frau Kaminskis Anweisungen. Mischko kam, sah und pinkelte. Ich steckte seine Schnauze hinein, gab ihm einen Klaps und warf ihn aus dem Fenster. Diese Prozedur wiederholte sich mehrmals am Tag, aber ich lie? nicht locker. Ich hatte mir fest vorgenommen, Mischko seine schlechten Pinkelsitten abzugewohnen. Langsam, sehr langsam begann sich meine Geduld bezahlt zu machen. Er hatte sich einiges gemerkt und manches abgewohnt, stellte ich nicht ohne Genugtuung fest.

Sicher, Mischko pinkelt noch immer auf den Teppich. Aber nachher springt er jetzt immer ganz von selbst aus dem Fenster, ohne die geringste Hilfe von meiner Seite, und wartet drau?en auf mein Lob und meine Leckerbissen. Immerhin ein kleiner Erfolg.

Wer nicht fragt, lernt nichts

Es ist wichtig, da? die Kinder Vertrauen zu ihren Eltern haben. Und sie mussen davon uberzeugt sein, da? Vater und Mutter alles wissen. Letzthin wollte mich mein Sohn Amir wieder einmal auf die Probe stellen. Er stand vor meinem Schreibtisch. In der einen Hand hielt er das farbige Album „Die Wunder der Welt', in der anderen den Klebstoff, mit dem er die Bilder in die betreffenden Quadrate einkleben wollte.

„Papi' fragte er, „stimmt es, da? sich die Erde um die Sonne dreht?'

„Ja', antwortete ich, „naturlich. '

„Und woher wei?t du das?' fragte er weiter.

„Jeder Mensch wei? das', erklarte ich ihm geduldig. „Das lernt man in der Schule. '

„Und was hast du daruber in der Schule gelernt', bohrte Amir weiter.

Da hatte ich es nun. Mir fiel beim besten Willen keine passende Antwort ein. Das einzige, woran ich mich noch aus meiner Schulzeit erinnerte, war, da? unser Physiklehrer immer eine Krawatte mit blauen Tupfen trug und da? er minutenlang ohne Pause reden konnte. Au?erdem hatte er schadhafte Zahne. Seine obere Zahnreihe stand etwas vor, wir nannten ihn deswegen Pferd. „Also, woher wei?t du das', fragte Amir beharrlich weiter. „Frag nicht so dumm' antwortete ich ihm. „Es gibt unzahlige Beweise dafur. Wurde sich die Sonne um die Erde drehen, dann hie?e es nicht Sonnensystem, sondern Erdensystem. ' Ich wischte mir den Schwei? von der Stirn. Amir dagegen schien keineswegs von meiner Antwort uberzeugt. Ich mu?te ihm also eindrucksvollere Beweise liefern. Daher griff ich nach einem wei?en Radiergummi und hielt ihn hoch. „Schau her, Amir. Nehmen wir an, das ist der Mond, und die Schachtel mit den Rei?nageln ist die Erde. Die Schreibtischlampe bleibt stehen, sie ist die Sonne. Mit dem Radiergummi und den Rei?nageln kreise ich jetzt langsam um die Sonne... Siehst du den Schatten? Wenn der Radiergummi gerade in der Mitte der Bahn ist, dann liegt die Schachtel mit den Rei?nageln im Schatten. « „So?' Die Stimme meines Sohnes klingt zweifelnd. „Die Schachtel liegt aber auch im Schatten, wenn du die Lampe hin und her drehst und die Schachtel auf dem Tisch liegen bleibt. ' Man sollte nicht glauben, wie dumm ein Kind manchmal fragen kann. „Konzentrier dich gefalligst', fahre ich Amir an. „Du willst nicht verstehen, was ich meine!'

Da fallt mir die Schachtel mit den Rei?nageln aus der Hand. Ich bucke mich, um die uberall verstreuten Nagel wieder aufzusammeln. Dabei fallt mein Blick auf Amirs Socken, die wie immer bis zu den Schuhen herunterhangen.

„Du siehst wieder wie ein Landstreicher aus', bemerke ich tadelnd. Wahrend ich mich weiter mit den am Boden liegenden Rei?nageln befasse, versuche ich, mich krampfhaft daran zu erinnern, wie das mit der Sonne und der Erde wirklich ist. Da mir nichts einfallt, schicke ich Amir aus dem Zimmer und empfehle ihm, uber seine

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