„Nein!“ wandte einer der Ianer ein.

„Niemals!“ bekraftigte der andere.

Naturlich klangen die Antworten uber den Translator ausdruckslos, aber allein die Lautstarke, mit der sie ubertragen wurden, lie? alle anderen in der Kantine erschrocken aufblicken.

Einige Minuten spater war Conway wieder allein. Die Ianer hatten um Erlaubnis gebeten, sich den legendaren EPLH einmal ansehen zu durfen, und waren gleich darauf voller Ehrfurcht, angsterfullt und neugierig zugleich davongeschwirrt. Conway empfand Ianer als angenehme Wesen, obgleich er der festen Uberzeugung war, da? Salat nur etwas fur Kaninchen war. Mit einer ubertriebenen Gebarde schob er seinen kaum angeruhrten Rohkostteller angeekelt beiseite und bestellte sich ein gro?es Steak mit doppelter Beilage.

Allem Anschein nach sollte dies ein langer und harter Arbeitstag werden.

Die beiden Ianer waren bereits wieder verschwunden, als er ins Beobachtungszimmer zuruckkehrte, und der Zustand des Patienten hatte sich nicht verandert. Der Lieutenant beschutzte noch immer die diensthabende Schwester — wobei er ihr anscheinend keinen Zentimeter von der Seite gewichen war —, und aus irgendeinem Grund errotete er. Conway nickte mit nachdenklicher Miene und entlie? die Krankenschwester. Als er gerade den Bericht der Pathologie ein zweites Mal durchlas, kam Dr. Prilicla herein.

Prilicla war ein spinnenartiges, unglaublich zerbrechlich wirkendes Wesen. Die Gravitation auf seinem Heimatplaneten Cinruss betrug nicht einmal ein Zwolftel der Erdanziehungskraft, und um die uberschussige Anziehungskraft zu neutralisieren, hatte der GLNO einen Gravitationsgurtel angelegt, weil er sonst am Boden regelrecht zermalmt worden ware. Neben der Tatsache, ein sehr fahiger Arzt zu sein, war er die beliebteste Personlichkeit im Hospital, zumal seine empathischen Fahigkeiten es dem kleinen Wesen fast unmoglich machten, irgend jemandem bose zu sein. Prilicla besa? ein Paar gro?er, nicht ganz verkummerter Flugel, und obwohl er mit deren Hilfe wahrend der Mahlzeiten zwar ahnlich wie die Ianer uber dem Teller zu schweben pflegte, mochte Conway dieses obskure Wesen doch sehr, zumal er seine Spaghetti immerhin mit einer Gabel a?.

Er beschrieb Prilicla in kurzen Worten den gegenwartigen Zustand des EPLH und was ihm sonst noch uber ihn bekannt war und schlo?: „… ich wei? zwar, da? Sie von einem bewu?tlosen Patienten nicht viel herausbekommen konnen, aber schon die geringsten Informationen konnten mir sehr dienlich sein.“

„Es scheint sich hierbei um ein Mi?verstandnis zu handeln, Doktor“,

unterbrach ihn Prilicla, wobei seine sorgsame Wortwahl darauf schlie?en lie?, da? er Conway eigentlich sagen wollte, er irre sich gewaltig. „Der Patient ist namlich bei Bewu?tsein.“

„Um Himmels willen! Dann gehen Sie sofort zuruck!“

Sowohl durch Conways emotionale Ausstrahlung als auch durch dessen eindringliche Warnung alarmiert, wich Prilicla augenblicklich au?er Reichweite zuruck; die knocherne Keule des Patienten hatte seinen empfindlichen Korper mit einem einzigen Hieb schlichtweg zertrummern konnen.

Der Lieutenant hingegen trat einen Schritt vor, sein Blick haftete auf dem noch immer regungslosen Tentakel, der wie ein gewaltiger Schlagstock aussah. Einen Augenblick lang herrschte Totenstille, und niemand ruhrte sich vom Fleck; alle starrten nur wie gebannt auf den nach au?en hin bewu?tlos wirkenden Patienten. Schlie?lich blickte Conway Prilicla fragend an; er mu?te ihm erst gar nichts sagen.

„Ich nehme emotionale Ausstrahlungen wahr, die nur von einem Verstand herruhren konnen, der sich seiner selbst bewu?t ist. Die Gehirnstrome selbst sind relativ trage und in Anbetracht der korperlichen Gro?e des Patienten recht schwach. Im einzelnen strahlt er Gefuhle der Angst, Hilflosigkeit und Verwirrung aus; trotzdem gibt es auch Hinweise auf eine gewisse Entschlu?kraft.“

Conway seufzte.

„Also simuliert er nur“, murmelte der Lieutenant grimmig vor sich hin.

Der Umstand, da? der Patient die Bewu?tlosigkeit nur vortauschte, scherte Conway weniger als den Monitor. Trotz der vielen ihm zur Verfugung stehenden Diagnosegerate war er der festen Uberzeugung, da? bei der Bekampfung einer Krankheit und fur eine erfolgreiche Behandlung ein gesprachsbereiter und mitarbeitender Patient die beste Hilfe fur einen Arzt war. Aber wie sollte man ein Gesprach mit einem Wesen beginnen, das fast eine Gottheit war.?

„Wir. wir wollen Ihnen helfen“, stammelte er verlegen. „Verstehen Sie,

was ich sage?“

Wie zuvor blieb der Patient vollkommen regungslos.

„Es gibt keinerlei Anzeichen, da? er Sie horen kann“, bemerkte Prilicla.

„Aber wenn er bei Bewu?tsein ist, dann.“, begann Conway, unterbrach den Satz aber mit einem hilflosen Achselzucken.

Er bereitete wieder seine Instrumente vor. Diesmal untersuchte er den EPLH aber mit Priliclas Unterstutzung, wobei seine besondere Aufmerksamkeit den Seh- und Hororganen galt. Wahrend der Untersuchung gab es jedoch trotz des grellen Lichts und des haufigen Einsatzes verschiedenster Sonden keinerlei physische oder emotionale Reaktionen seitens des Patienten. Bei keinem der Sinnesorgane konnte Conway irgendwelche Fehlfunktionen feststellen, und dennoch schien der EPLH auf samtliche au?ere Reize in keiner Weise zu reagieren. Korperlich schien er bewu?tlos zu sein und nichts von dem mitzubekommen, was um ihn herum geschah — Prilicla aber behauptete das Gegenteil.

Was fur ein verruckter Halbgott! Ein total verdrehter Typ! fluchte Conway in Gedanken. Es war typisch O’Mara, stets ihm die schragsten Vogel im Hospital anzuvertrauen. Laut sagte er: „Die einzige Erklarung, die ich fur diese merkwurdige Geschichte hab, ist die, da? die von Ihnen empfangenen geistigen Strahlungen von einem Gehirn stammen, dessen Kontakt zu samtlichen sensorischen Organen abgeschnitten oder blockiert ist. Ursache dafur ist aber nicht der korperliche Zustand des Patienten, folglich mu? es sich um ein psychologisches Problem handeln. Ich wurde meinen, das Wesen bedarf dringend psychiatrischen Beistands.

Trotzdem sollten wir uns zunachst darauf konzentrieren, die erkrankten Hautstellen zu behandeln“, fuhr er nach einer kurzen Denkpause fort, „zumal unsere Seelenklempner mit einem korperlich gesunden Patienten sehr viel mehr anfangen konnen als mit einem erkrankten.“

Im Orbit Hospital war langst ein Mittel gegen die Form von Epitheliomie entwickelt worden, an der der Patient erkrankt war, und die Pathologie hatte bereits verlauten lassen, es sei auch fur den Metabolismus des EPLH

geeignet und habe bei vorschriftsma?iger Anwendung keine schadlichen Nebenwirkungen. Conway brauchte nur wenige Minuten, um eine erste Testdosis abzumessen und subkutan zu injizieren. Prilicla begab sich rasch an seine Seite, um den Patienten besser sehen zu konnen. Wie beide wu?ten, handelte es sich hierbei um eines der seltenen „Wundermittel“, dessen Wirkung innerhalb weniger Sekunden eintrat.

Aber nach zehn Minuten war noch immer nichts zu sehen.

„Ganz schon zaher Bursche“, murmelte Conway und injizierte daraufhin die maximal zulassige Dosis.

Fast im selben Augenblick nahm die betroffene Hautstelle eine dunkle Farbung an und verlor ihr trockenes, bruchiges Aussehen. Die dunkle Stelle breitete sich zusehends aus, und einer der Tentakel zuckte leicht.

„Was sagt sein Verstand?“ fragte Conway.

„Fast genau dasselbe wie vorher“, antwortete Prilicla, „allerdings kann ich seit der letzten Injektion zunehmende Besorgnis bei dem Patienten feststellen, und er strahlt Gefuhle aus, als fasse er irgendeinen Entschlu?. irgendeinen Entschlu?.“

Prilicla begann heftig zu zittern; ein eindeutiges Indiz dafur, da? die emotionale Ausstrahlung des Patienten starker geworden war. Conway setzte gerade zu einer Frage an, als ein scharfes, rei?endes Gerausch seine ganze Aufmerksamkeit wieder auf den Patienten lenkte. Der EPLH zerrte und ri? an den Gurten, mit denen seine Tentakel an den OP-Tisch gefesselt worden waren. Zwei Riemen waren bereits aus ihren Verankerungen gerissen worden, und der EPLH hatte jetzt einen Tentakel vollig frei — und zwar ausgerechnet den mit der Keule.

Conway konnte sich gerade noch rechtzeitig ducken, denn die Keule — das „Nonplusultra“ aller stumpfen Waffen — hatte ihm fast den Kopf abgeschlagen, verfehlte ihn aber um Haaresbreite. Der Lieutenant hatte allerdings weniger Gluck: Der knocherne Streitkolben krachte am Ende der ausholenden Bewegung mit aller Gewalt gegen seine Schulter und schleuderte ihn mit solcher Wucht quer durch den Raum, da? er von der gegenuberliegenden Wand fast wieder ins Zimmer zuruckprallte. Prilicla, dessen angeborene Feigheit lebensnotwendig war, haftete bereits dank seiner mit Saugnapfen versehenen Fu?e an der Decke, dem einzig sicheren Zufluchtsort im ganzen Raum.

Conway lag flach auf dem Boden und horte nur, wie weitere Riemen zerrissen wurden. Dann sah er, da? ein zweiter und ein dritter Tentakel umherzutasten begannen. Er wu?te, da? sich der Patient binnen weniger Minuten

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