seinem Plan zustimmten, blieb einfach nicht mehr genug Zeit, um die Verfolgung aufzunehmen. Quellen mu?te das Projekt vorher starten.

Er hatte fur den Augenblick getan, was er konnte. Fluchtig kam ihm der Gedanke, Brogg den ganzen unangenehmen Fall zu ubergeben und sich nach Afrika zuruckzuziehen. Aber er kam zu dem Entschlu?, da? das eine Herausforderung an das Schicksal ware. So verschlo? er sein Buro und ging nach unten, um das nachste Schnellboot zu seinem Klasse-Sieben-Apartment zu nehmen. Er wu?te, da? er in den nachsten Wochen nur hin und wieder fur ein paar Stunden nach Afrika entfliehen konnte. Er wurde in Appalachia festgehalten, bis die Krise mit den Zeitreisen voruber war.

Als Quellen in sein Apartment zuruckkam, entdeckte er, da? seine Lebensmittelvorrate am Schwinden waren. Und da er die nachste Zeit hier verbringen mu?te, beschlo? er, sie aufzustocken. Manchmal gab Quellen seine Bestellung per Telefon auf, aber heute nicht. Er befestigte das Schild Privat uber seiner Tur und begab sich per Flugrampe zu seinem Lebensmittelladen.

Wahrend er nach unten fuhr, bemerkte er einen blassen Mann in einer losen purpurnen Tunika, der die Rampe in entgegengesetzter Richtung nach oben kam. Quellen kannte ihn nicht, aber das war kein Wunder. In dem Menschengewuhl von Appalachia lernte man nicht viele Leute naher kennen, nur ein paar Nachbarn und Angestellte wie den Ladenbesitzer des Apartmenthauses.

Der blasse Mann sah Quellen neugierig an. Er schien mit seinen Blicken etwas sagen zu wollen. Quellen hatte bei der Begegnung ein unbehagliches Gefuhl. Bei seiner Arbeit hatte er genug uber Leute erfahren, die Fremde auf den Stra?en belastigten. Da gab es die ubliche Annaherung aus sexuellen Grunden, aber auch die, bei der einem irgendeine hollische Droge in die Adern gepumpt wurde. Andere Leute injizierten einem aus Sadismus Krebserreger. Und dann gab es noch die Geheimagenten, die eine Molekulsonde so im Korper des Opfers anbrachten, da? sie von jedem Ort aus jedes Wort mithoren konnten, das man sprach. Solche Dinge waren alltaglich.

»Lesen Sie das«, murmelte der bleiche Mann.

Er schob sich an Quellen heran und druckte ihm eine gefaltete Notiz in die Hand. Quellen konnte die Beruhrung nicht vermeiden. In diesem kurzen Moment hatte ihm der Fremde alles antun konnen. Vielleicht verwandelte sich schon in diesem Augenblick sein Knochenmark in Brei. Aber es schien, als wollte der Mann wirklich nur fur etwas werben. Als er fort war, entfaltete Quellen den kleinen Zettel und las ihn:

KEINE ARBEIT? FRAGEN SIE NACH LANOY

Das war alles. Sofort trat Quellens kriminalistischer Spursinn in Aktion. Wie die meisten Gesetzesbrecher im offentlichen Dienst war er au?erst streng in der Verfolgung anderer Gesetzesbrecher, und irgend etwas an dieser kleinen Notiz roch nach Illegalitat. Hatte dieser Lanoy eine Art Stellenvermittlung? Aber das war doch Sache der Regierung. Quellen drehte sich hastig um. Er dachte daran, den blassen Mann zu verfolgen. Aber er sah nur noch einen Zipfel der purpurnen Tunika. Dann war der Fremde verschwunden.

Keine Arbeit? Fragen Sie nach Lanoy.

Quellen fragte sich, wer Lanoy war und welches Wundermittel er feilbot. Er entschlo? sich, Leeward oder Brogg mit der Untersuchung der Angelegenheit zu beauftragen.

Er verstaute den Zettel sorgfaltig in seiner Tasche und betrat den Laden. Die bleiverkleidete Tur schwang zuruck, um ihn einzulassen. Roboter glitten an den Regalen auf und ab, fullten Waren nach oder erledigten Bestellungen. Der rotgesichtige kleine Mann, der den Laden fuhrte — eigentlich unnotig, aber welche Hausfrau lie? sich schon gern von einem Roboter bedienen? — begru?te Quellen mit ungewohnlicher Liebenswurdigkeit.

»Oh, der Herr Kriminalsekretar! Sie haben uns schon lange nicht mehr die Ehre gegeben, Herr Kriminalsekretar. Ich fragte mich schon, ob Sie umgezogen seien. Aber das ist doch unmoglich, nicht wahr? Sie hatten mir sicher Bescheid gesagt, wenn man Sie befordert hatte.«

»Ja, naturlich, Greevy. Ich war in letzter Zeit nicht viel hier. Eine Menge Nachforschungen.« Quellen runzelte die Stirn. Er wollte nicht, da? man uberall uber seine lange Abwesenheit erfuhr. Schnell und mit fahrigen Bewegungen nahm er den Katalog und begann die Nummern abzulesen. Konservendosen, Pulverkonzentrate, Grundnahrungsmittel. Er ubergab seine Liste einem Roboter, wahrend der Ladenbesitzer wohlwollend zusah.

»Ihre Schwester war gestern hier«, sagte Greevy.

»Helaine? Ich habe sie in letzter Zeit selten gesehen.«

»Sie sieht nicht gut aus, Herr Kriminalsekretar. Schrecklich mager. Ich wollte ihr etwas Starkendes verkaufen, aber sie nahm es nicht. War sie schon bei den Arzten?«

»Ich wei? wirklich nicht«, sagte Quellen. »Ihr Mann hat doch eine medizinische Ausbildung. Er ist zwar kein Arzt, aber doch ein Techniker, und er wurde es erkennen, wenn ihr ernstlich etwas fehlte. Wenn er noch denken kann.«

»Das ist unfair, Herr Kriminalsekretar. Ich bin sicher, da? Mister Pomrath glucklich ware, wenn er Arbeit bekame. Ich wei? es. Niemand legt gern die Hande in den Scho?. Ihre Schwester sagt, da? er sehr unter der Arbeitslosigkeit leidet. Ich sollte es Ihnen zwar nicht sagen —« Er beugte sich flusternd zu ihm heruber — »aber man ist in Ihrer Familie etwas verbittert uber Sie. Man glaubt vielleicht, da? Sie mit Ihrem politischen Einflu? …«

»Ich kann nichts fur sie tun. Uberhaupt nichts!« Quellen merkte, da? er zu laut sprach. Was ging es diesen verdammten Kramer an, ob Norman Pomrath Arbeit hatte oder nicht? Weshalb mischte er sich ein? Quellen beherrschte sich muhsam. Er entschuldigte sich fur seinen Zornesausbruch und verlie? den Laden.

Auf der Stra?e blieb er einen Augenblick stehen und sah der vorbeistromenden Menge zu. Die Kleider glanzten in allen Farben. Man horte alle Sprachen. Die Welt war ein riesiger Bienenstock. Trotz aller Geburtenbeschrankungen schien das Gewimmel taglich starker zu werden. Quellen sehnte sich nach der stillen Oase, die er sich unter so gro?en Opfern erworben hatte. Je mehr er von den Krokodilen sah, desto weniger konnte er den Mob ertragen, der sich durch die uberfullten Stadte schob.

Und dennoch war es eine geordnete Welt. Jeder hatte seine Nummer. Jeder war registriert. Jeder wurde uberwacht. Wie konnte man auch eine Welt von drei?ig Milliarden regieren, wenn man ihr nicht eine gewisse Ordnung gab? Und doch wu?te Quellen aufgrund seiner Stellung, da? unter dieser geordneten Oberflache alle Arten von illegalen Dingen vorkamen — nicht, wie bei ihm selbst, der verstandliche Versuch, aus der Masse auszubrechen, sondern verbrecherische, unverzeihliche, lasterhafte Dinge. Man brauchte nur an die Drogen zu denken. In allen funf Kontinenten waren Labors dabei, neue Zusammensetzungen herzustellen, sobald eine Droge verboten wurde. Gerade jetzt brachten sie wieder ein paar teuflische Alkaloide auf den Markt, und sie machten es auf die gemeinste Art. Da ging ein ahnungsloser Mensch in eine Traumbar und hoffte auf eine halbe Stunde Halluzinationen. Statt dessen handelte er sich eine Sucht ein. Oder eine Frau wurde in einem Schnellboot von einem Mann angerempelt und tat es als plumpe Annaherung ab. Zwei Tage spater mu?te sie entdecken, da? sie suchtig geworden war, und die Arzte hatten alle Muhe, das Gift zu analysieren.

Verbrechen, dachte Quellen. Ha?liche, unmenschliche Dinge. Wir besitzen keine Menschlichkeit mehr. Wir tun anderen grundlos weh, nur aus einem sadistischen Trieb heraus. Und wenn wir Hilfe suchen, sto?en wir auf Angst und Ablehnung. Bleibt mir fern! La?t mich in Ruhe!

Und nun dieser Lanoy. Quellen griff nach dem kleinen Zettel. Irgend etwas war hier faul, aber der Mann ging so vorsichtig vor, da? er bis jetzt noch nicht die Aufmerksamkeit des Kriminalsekretariats auf sich gelenkt hatte. Was sagte der Komputer uber Lanoy? Wie gelang es diesem Lanoy, seine illegale Tatigkeit vor seiner Familie oder seinen Zimmergefahrten zu verbergen? Bestimmt lebte er nicht allein. Ein Gesetzloser befand sich sicher nicht in Klasse Sieben. Lanoy war irgendein schlauer Prolet, der zu seiner privaten Bereicherung ein Schwindelgeschaft betrieb.

Quellen fuhlte eine merkwurdige Verbundenheit zu dem unbekannten Lanoy, so sehr er auch vermied, das zuzugeben. Lanoy mischte also auch im Spiel der Gro?en mit. Sicher lohnte es sich, ihn kennenzulernen.

6

Peter Kloofman lag ausgestreckt in einer gro?en Wanne mit Nahrflussigkeit, wahrend die Techniker seine

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