Quellen fuhlte sich schwindlig. Er wu?te, da? Brogg uberall kleine Maschinen versteckt hatte, die im Falle seines Verschwindens zum Hauptquartier kommen wurden. In ihnen waren Bander mit Hinweisen auf Quellens Verbrechen. Die kleinen Roboter mu?ten schon seit gestern abend auf ihren Federbeinen unterwegs sein. Ich bin erledigt, dachte Quellen, wenn Brogg nicht den Anstand besessen hatte, die Roboter vor seiner Abreise abzustellen. Er hatte es ohne gro?e Schwierigkeiten tun konnen. Die Roboter reagierten auf Telefonanrufe. Ein einziger Hinweis hatte sie zum Schweigen gebracht. Aber ob Brogg das getan hatte? Wenn nicht, wu?te die Hohe Regierung in diesem Augenblick schon Bescheid uber Joseph Quellens Verbrechen.

Aber Quellen hatte noch heute morgen mit Koll gesprochen, und Koll hatte ihm zu seiner Beforderung gratuliert. Koll konnte sich verstellen, aber nicht in diesem Ma?e. Er ware sicher einer der Empfanger gewesen, und er hatte seine Wut uber Quellens Frechheit nicht verbergen konnen.

So hatte Brogg die Roboter vielleicht doch abgeschaltet. Oder er war gar nicht unter die Zeitreisenden gegangen.

Stirnrunzelnd druckte Quellen auf die Interkomtaste und sagte: »Ich mu? Brogg sprechen.«

»Tut mir leid, Untersekretar Brogg ist heute nicht erschienen.«

»Hat er nicht hinterlassen, wo er sich befindet?«

»Wir haben nichts von ihm gehort, Sir.«

»Rufen Sie in seiner Wohnung an. Und dann im Distrikthauptquartier. Wenn er in einer Viertelstunde nicht gefunden ist, mu? eine Televektorsuche eingeleitet werden. Ich will wissen, wo er sich aufhalt.«

Lanoy lachte. »Sie werden ihn nicht finden, Quellen. Glauben Sie mir, er ist in Rom. Ich habe die Zeitverschiebung selbst eingestellt — zeitlich und raumlich. Wenn alles klappt, landete er irgendwo im Suden der Stadt, vielleicht auf der Via Appia.«

Quellens Mund zuckte. Er umkrampfte den Schreibtisch, bis sich seine Finger in das warmeempfindliche Material eingruben. »Wenn Sie jemanden so weit zuruckschicken konnen, weshalb hat man dann nur immer etwas bis zum Jahre 1979 gehort?«

»Das hat viele Grunde!«

»Wie zum Beispiel?«

»Erstens war die Methode bis vor kurzem nur fur etwa funfhundert Jahre zuverlassig. Wir haben sie inzwischen verbessert. Jetzt konnen wir Menschen ein paar tausend Jahre zuruckschicken und wissen, da? sie ankommen.«

»Die Schweine im zwolften Jahrhundert?«

»Ja«, sagte Lanoy. »Das waren unsere Experimente. Zweitens mu? man sagen, da? in den Zeitraum der letzten funfhundert Jahre so viele Menschen geschickt wurden, da? es der Regierung auffiel. Die Leute, die aus Versehen fruher landeten, wurden fur verruckt erklart oder wegen Hexerei verurteilt. So versuchten wir die Zeitreisenden dahin zu schicken, wo sie als solche erkannt wurden. Nur auf besonderen Wunsch weiteten wir den Bereich aus — oder durch ein Versehen.«

»Und Brogg ging also nach Rom?« fragte Quellen duster.

»Ja. Fur einen Preis. Und nun ist es besser, wenn Sie mich gehen lassen und die Ergebnisse der Untersuchung fur sich behalten. Sonst verrate ich Ihr kleines Spiel. Man wird von Ihrem Versteck in Afrika erfahren.«

»Ich konnte Ihnen einen Strahl durch den Kopf jagen«, sagte Quellen kuhl. »Ich konnte sagen, Sie hatten mich angegriffen.«

»Hat keinen Sinn, Quellen. Erstens will die Hohe Regierung wissen, wie die Zeitmaschine funktioniert. Wenn Sie mich toten, erfahrt sie es nie.«

»Wir konnten es herausbringen, indem wir Ihr Nervensystem genau untersuchen.«

»Unmoglich, wenn Sie mich durch den Kopf schie?en«, meinte Lanoy. »Au?erdem wurde dadurch auch die Sache mit Afrika herauskommen. Und noch eines: Wu?ten Sie nicht, da? Brogg Ihr Gestandnis auf eine Anzahl von Robotern aufnehmen lie?, die im Falle seines Todes zum Hauptquartier kommen wurden?«

»Ja, aber …«

»Er hat sie vor seiner Abreise auf mich ubertragen. Ihr Geschick ist fest mit dem meinen verbunden, Quellen. Sie konnen mir nichts tun. Deshalb ist es besser, wenn Sie mich moglichst schnell freilassen.«

Quellens Gesichtsmuskeln wurden schlaff, als er die ganze Schlauheit des Planes durchschaute. Wenn er Lanoy nicht auslieferte, mu?te er mit einer Degradierung rechnen. Wenn er Lanoy hier behielt, wurde ihn dieser blo?stellen. Und au?erdem konnte er den kleinen Mann nicht so einfach freilassen. Spanner wu?te, da? Lanoy mit den Zeitreisen zu tun hatte. Koll ebenfalls. Quellen konnte die Aufzeichnungen nicht einfach vernichten. Wenn er versuchte, Lanoy zu decken, verstrickte er sich sicher in Lugen.

»Bekomme ich, was ich will?« fragte Lanoy.

Ein machtiger Adrenalinstrom durchzuckte Quellen. Er war gefangen, und ein Gefangener nimmt oft zu ungewohnlichen Mitteln Zuflucht. Plotzlich hatte er unerwartete Kraftreserven.

Er konnte eines versuchen, etwas unerhort Kuhnes. Vielleicht mi?lang es. Aber es war besser, als sich von Lanoy immer tiefer verstricken zu lassen.

»Nein«, sagte er. »Sie bekommen es nicht. Ich lasse Sie nicht frei, Lanoy. Ich werde Sie zur Verurteilung bringen.«

»Sind Sie verruckt?«

»Ich glaube nicht.« Quellen klingelte nach den Technikern. »Bringt den Mann zuruck in den Haft-Tank«, sagte er hart. »Und la?t ihn drinnen, bis ich wiederkomme.«

Lanoy wurde schimpfend und protestierend weggebracht.

Und jetzt mu?te sich Quellen noch seinen Koder sichern. Er druckte auf die Interkom-Taste. »Bringen Sie mir die Donald-Mortensen-Akte.«

Man brachte ihm die Spule. Er lie? sie durch den Projektor laufen und uberflog Broggs Nachforschungen. Mortensens Gesicht sah ihn an, jugendlich und rosig. Er wirkte mit seinen hellen Haaren fast wie ein Albino. Aber Albinos hatten doch rote Augen, oder? Mortensens Augen waren blau. Ein reinblutiger Nordlander. Wie sich der Stamm hatte erhalten konnen?

Quellen sah sich die Wortaufzeichnungen an. Mortensen stritt oft mit seiner Frau. Er hatte vor ein paar Wochen Lanoy aufgesucht. Und nun war er eifrig dabei, das Geld fur den Zeitsprung zusammenzukratzen. Die Daten endeten mit Broggs Notiz: UNTERSUCHUNG AUF BEFEHL VON OBEN EINGESTELLT.

Quellen klingelte nach einem Labortechniker. Er gab die Nummer des Horchers an, den man Mortensen verpa?t hatte und fragte, ob er immer noch funktionierte.

»Der Horcher wurde abgeschaltet, Sir«, bekam er zur Antwort.

»Ich wei?. Aber konnte man ihn wieder einschalten?«

Sie pruften es nach. Ein paar Minuten spater erhielt er die Nachricht, da? der Horcher sich schon vor etwa zwei Tagen aufgelost hatte. Quellen war enttauscht, aber der Ruckschlag war nicht wesentlich. Er ordnete eine Televektorsuche nach Mortensen an und hoffte nur, da? er Appalachia nicht verlassen hatte.

Quellen hatte Gluck. Mortensen befand sich in einer Traumbar keine zehn Meilen von Quellens Buro entfernt. Ausgezeichnet, dachte Quellen. Er wurde die Verhaftung selbst vornehmen. So etwas konnte er einem Untergebenen nicht uberlassen.

Quellen nahm ein Schnellboot und postierte sich vor der Traumbar. Er wartete, bis Mortensen auftauchte. Menschen drangten sich um Quellen. Er gab sich Muhe, seine Unbehaglichkeit zu verbergen.

Und dann tauchte Mortensen auf.

Quellen hatte schon lange keine Verhaftung mehr vorgenommen. Er war ein Buromensch, der solche Dinge seinen Untersekretaren uberlie?. Dennoch fuhlte er sich ganz ruhig. Er war gut bewaffnet. Im Innern der Handflache war eine Betaubungsnadel angebracht, die blitzschnell ins Fleisch des Opfers gestochen werden konnte. Und in der Achselhohle hatte er ein Nervenspray. Er trug auch eine Laserpistole bei sich, aber er hatte nicht vor, sie bei Mortensen zu benutzen.

Als der Mann auf die Stra?e trat, klopfte ihm Quellen auf die Schulter und sagte: »Gehen Sie ruhig weiter, Mortensen. Sie sind verhaftet.«

»Was, zum Teufel …«

»Ich komme vom Kriminalsekretariat. Und ich habe den Befehl, Sie hinzubringen. In meiner Hand befindet sich eine Spritze, die ich beim geringsten Widerstand anwenden werde. Gehen Sie ruhig bis zur Schnellbootrampe vor mir her. Wenn Sie tun, was ich sage, geschieht Ihnen nichts.«

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