Unterdrucker-Anlage uberzeugt, dass er einer Spezies angehorte, die ausgerottet werden musste.
Sylveste verabscheute das, wozu die Amarantin geworden waren, und er hasste sich selbst dafur, dass er der Beschaftigung mit ihnen so gro?e Teile seines Lebens geopfert hatte. Aber was konnte er daran jetzt noch andern? Fur solche Bedenken war es viel zu spat.
Der Tunnel war breiter geworden, und er befand sich — immer noch ohne seinen Anzug bewusst steuern zu konnen — in einem Raum mit vielfach geschliffenen Wanden, der ebenfalls in diesen faulig blauen Schein getaucht war. Uberall hingen seltsame Gebilde, die ihn an Rekonstruktionen vom Innern einer menschlichen Zelle erinnerten. Geradlinige Formen herrschten vor, mehrfach ineinander verschlungene Rechtecke, Quadrate und Parallelogramme bildeten Hangeskulpturen, die keiner bekannten asthetischen Richtung zuzuordnen waren.
»Was ist das?«, flusterte er.
»Sieh sie als Puzzles«, sagte Sonnendieb. »Sie sollen in einem intelligenten Forschungsreisenden den Drang wecken, sie zu vervollstandigen, aus den Formen die geometrischen Konfigurationen zu bilden, die in den Teilen angelegt sind.«
Sylveste verstand, was Sonnendieb meinte. Gleich bei der nachsten Figur lie?en sich zum Beispiel die Formen mit wenigen Handgriffen zu einem Tesserakt zusammensetzen… es juckte ihn fast in den Fingern…
»Ich werde es nicht tun«, sagte er.
»Das brauchst du auch nicht.« Zum Beweis lie? Sonnendieb die Gliedma?en von Sylvestes Anzug nach der Figur greifen. Sie war ihm viel naher, als er zunachst geschatzt hatte. Die Finger fassten das erste Stuck und drehten es muhelos in die richtige Stellung. »Es gibt noch andere Tests in anderen Raumen«, sagte das Alien. »Deine geistigen Prozesse und — spater — auch deine Biologie werden einer grundlichen Prufung unterzogen. Die biologische Untersuchung wird vermutlich nicht angenehm sein. Aber sie ist auch nicht todlich. Das wurde andere Vertreter deiner Art abschrecken, aus denen sich ein umfassenderes Bild des Feindes gewinnen lie?e.« Das klang fast schon humorvoll; als habe sich das Wesen lange genug in menschlicher Gesellschaft befunden, um etwas von den Verhaltensweisen der Menschen anzunehmen. »Leider bist du der einzige Vertreter der Menschheit, der diese Anlage jemals betreten wird. Aber du wirst ein ausgezeichnetes Versuchsobjekt abgeben, das kann ich dir versichern.«
»Da irrst du dich«, sagte Sylveste.
Eine Spur von Unruhe schlich sich in Sonnendiebs unerbittliche Geiststimme. »Bitte erklare mir das.«
Sylveste ging nicht sofort auf den Wunsch ein. »Calvin«, sagte er. »Ich muss dir etwas sagen.« Noch wahrend er sprach, war er sich nicht sicher, warum er das tat und an wen er sich eigentlich wandte. »Als wir im wei?en Licht waren — als wir in der Hades-Matrix alles miteinander teilten —, da erkannte ich etwas, das ich schon vor Jahren hatte erfahren sollen.«
»Du meinst uber dich.«
»Ja, uber mich. Ich habe erkannt, was ich bin.« Sylveste hatte am liebsten geweint, er wusste, dass dies seine letzte Chance dazu war, aber seine Augen gestatteten ihm keine Tranen, das hatten sie von Anfang an nicht getan. »Und warum ich dich nicht hassen kann, wenn ich nicht auch mich selbst hassen will. Falls ich tatsachlich jemals Hass auf dich verspurt haben sollte.«
»Es war eigentlich ein Fehlschlag, nicht wahr? Was ich aus dir gemacht habe. Ich hatte dich nicht so geplant. Aber ich muss gestehen, dass ich mit deiner Entwicklung gar nicht unzufrieden bin.« Er verbesserte sich. »Ich meine naturlich mit meiner Entwicklung.«
»Ich bin froh, dass ich es erfahren habe — wenn auch erst so spat.«
»Was willst du jetzt tun?«
»Das wei?t du doch schon. Haben wir nicht alles miteinander geteilt?« Sylveste lachte. »Seither kennst du auch meine Geheimnisse.«
»Aha. Du beziehst dich auf ein ganz bestimmtes kleines Geheimnis?«
»Was?«, zischte Sonnendieb. Seine Stimme knisterte wie die Radiogerausche ferner Quasare.
Sylveste wandte sich wieder an das Alien. »Du hast doch sicher die Gesprache auf dem Schiff mit angehort. Als ich zulie?, dass alle meine Drohung fur einen Bluff hielten.«
»Welche Drohung?«, fragte Sonnendieb. »Womit hast du geblufft?«
»Mit dem
Diesmal lachte er noch lauter. Und dann gab er eine Serie von Neuralbefehlen, die er sich schon vor langer Zeit eingepragt hatte. Sie initiierten einen ganzen Wasserfall von Ereignissen in den Schaltungen seiner Augen und — ganz zuletzt — in den winzigen geschutzten Antimaterie-Staubchen, die darin eingebettet waren.
Ein Licht strahlte auf, reiner noch als in dem Portal, durch das man nach Hades gelangte.
Und dann war da nichts mehr.
Volyova sah es zuerst.
Sie beobachtete unverwandt den gewaltigen Konus der
In diesem Moment sah sie es.
Auf Cerberus’ Oberflache entzundete sich ein Funke und erhellte kurz die Stelle mit dem Bruckenkopf. Fur einen Sekundenbruchteil schien im Innern der Welt ein gewaltiges Licht aufgeflammt und sofort wieder erloschen zu sein.
Vielleicht war es auch eine gewaltige Explosion.
Dann sah sie, wie Gestein und verbrannte Maschinenteile ins All geschleudert wurden.
Khouri musste sich erst damit vertraut machen, dass sie noch immer nicht tot war, obwohl sie das fur unvermeidlich gehalten hatte. Zumindest hatte sie erwartet, noch einmal fur wenige Augenblicke unter Schmerzen zu erwachen und bei vollem Bewusstsein zu erleben, wie Hades sie in Stucke riss; wie Korper und Seele von den Krallen der Schwerkraft im Umkreis des Neutronensterns grausam zerfetzt wurden. Gerechnet hatte sie au?erdem mit den schlimmsten Kopfschmerzen, seit die Mademoiselle die tief vergrabenen Erinnerungen an den Morgenkrieg beschworen hatte. Nur waren die Kopfschmerzen diesmal ausschlie?lich chemischen Ursprungs gewesen.
Sie hatten den Barschrank im Spinnenraum gefunden.
Und hatten ihn leer getrunken.
Aber ihr Kopf war geradezu erschutternd klar, so sauber wie ein frisch geputztes Fenster. Auch war sie rasch zu Bewusstsein gekommen, ohne jede Benommenheit, als habe sie erst mit dem Offnen der Augen zu existieren begonnen. Aber sie befand sich nicht im Spinnenraum. Wenn sie genauer daruber nachdachte, konnte sie sich sogar erinnern, einmal aufgewacht zu sein. Die schrecklichen Schwerkraftschwankungen hatten gerade eingesetzt. Sie war mit Pascale in die Mitte des Spinnenraums gekrochen, um vor den Wirbeln zu fluchten. Aber das hatte nichts genutzt, und in diesem Augenblick hatten sie erkannt, dass es kein Uberleben gab; allenfalls konnten sie versuchen, den Schmerz zu verringern…
Wo, zum Teufel, war sie nur?
Sie lag mit dem Rucken auf einer harten Flache, die so unnachgiebig war wie Beton. Uber ihr kreisten die Sterne mit wahnwitziger Geschwindigkeit uber den Himmel, aber sie waren so verschwommen, als befanden sie sich hinter einer dicken Linse, die sich von Horizont zu Horizont erstreckte. Khouri stellte fest, dass sie sich bewegen konnte, rappelte sich auf und ware fast hintenuber gefallen.
Sie trug einen Raumanzug.
Im Spinnenraum hatte sie noch keinen getragen. Es war ein Anzug des gleichen Typs, wie sie ihn beim