Aufschlusse zu bekommen.«
»Ich denke, Sie sind Ihrer Sache sicher?«
»Selbstverstandlich. Aber ich liebe es, mit so viel Tatsachen wie nur irgend angangig aufwarten zu konnen. Was meinen Sie, welch ein unerhorter Aufruhr durch den Blatterwald unserer Presse gehen wird ...! Und Sie wissen zur Genuge, was das hei?t!«
»Pah, Zeitungsgeschwatz!« warf Poirot verachtlich hin. »Wie konnen Sie ihm soviel Wichtigkeit beimessen? Im ubrigen haben Sie Ihre Morgenzeitung hochst fluchtig gelesen, mein lieber Freund.«
Er lehnte sich uber den Tisch und wies mit dem Finger auf eine Notiz der gesellschaftlichen Nachrichten, die Japp laut vorlas.
>Sir Montague Corner sah gestern abend in seiner Villa am Chiswick-Ufer einen Kreis interessanter Gaste bei sich. Wir nennen von den Geladenen Sir George und Lady du Fisse, Mr. James Blunt, den bekannten Theaterkritiker Sir Oscar Hammerfeldt vom Overton-Film, Mrs. Jane Wilkinson (Lady Edgware).<
Einen Augenblick starrte Japp verdutzt auf das Papier. Dann warf er trotzig den Kopf zuruck.
»Was hat das mit unserer Angelegenheit zu tun? Sie werden es erleben, da? diese Weisheit da der Presse schon langst vorher zugestellt worden ist und da? unsere Dame den Kreis nicht mit ihrer Anwesenheit beehrt hat. Oder da? sie spater eintraf - etwa gegen elf oder noch spater. Gott behute! Sie durfen nicht alles glauben, was die Zeitungen Ihnen vorplappern, Monsieur Poirot.«
»Gut, gut. Ich stutzte auch nur - das ist alles.«
Inspektor Japp tat einen tiefen Seufzer.
»Aus bitterer Erfahrung wei? ich, Monsieur Poirot, da? Sie so fest verschlossen sind wie eine Auster«, begann er weitschweifig. »Aber nicht wahr, heute werden Sie mal aus sich herausgehen? Heute werden Sie mir verraten, weshalb Lord Edgware sich mit Ihnen in Verbindung setzte.«
»Lord Edgware setzte sich nicht mit mir in Verbindung, sondern ich war es, der um eine Unterredung bat.«
»Wirklich? Und zu welchem Zweck.«
Uber Japps eifrige Miene glitt ein Schatten, da Poirot eine Minute zogerte. Vielleicht furchtete er, da? diese austernhafte Verschlossenheit schon wieder bei meinem Freund zutage trate.
»Ich werde Ihre Frage beantworten«, erklarte Poirot jedoch wider Erwarten. »Nur mochte ich sie in meiner eigenen Weise beantworten.«
Japp achzte, und ich fuhlte ein heimliches Mitleid fur ihn. Denn bisweilen kann Poirot einen zur Erbitterung bringen.
»Erlauben Sie mir bitte, da? ich jemanden anrufe und hierher bestelle« sagte er jetzt. »Wer ist dieser Jemand?«
»Martin Bryan, der Filmstar.«
»Was, zum Teufel, hat er damit zu schaffen?« machte sich Japps Ungeduld Luft.
»Meines Erachtens wird er Ihnen spannende und nutzliche Eroffnungen machen, lieber Inspektor. Hastings, wollen Sie so gut sein?«
Ich blatterte bereits im Telefonbuch. Der Schauspieler wohnte unweit des St.-James-Parkes.
»Viktoria 49499.«
Nach einigen Minuten meldete sich die etwas verschlafene Stimme Martin Bryans: »Hallo - wer ist da?« »Was soll ich sagen?« wisperte ich, indem ich die Muschel des Telefons mit meiner Hand abdichtete.
»Sagen Sie ihm, da? man Lord Edgware ermordet hat und da? ich es als eine gro?e Gefalligkeit betrachte, wenn er - Bryan -sich sofort hierher bemuhen wurde.«
Gewissenhaft richtete ich die Bestellung aus und vernahm am anderen Ende der Leitung einen erschreckten Laut.
»Gerechter Himmel, so hat sie es also ausgefuhrt!« antwortete mir Bryan. »Ich werde unverzuglich kommen.«
»Eh bien?« forschte Poirot, als ich den Horer niedergelegt hatte.
Auch diese Satze gab ich wortgetreu wieder.
»Ah -! >So hat sie es also ausgefuhrt< - das hat er gesagt? Dann verhalt es sich genau, wie ich dachte!«
»Aus Ihnen wird man nie klug, Mr. Poirot!« Inspektor Japp sah meinen kleinen Freund betreten und mi?billigend an. »Anfangs wahnte ich, da? Sie an die Schuld der Frau nicht glaubten. Und jetzt tun Sie, als ob Sie es schon langst gewu?t hatten!«
Aber Hercule Poirot setzte diesen vielleicht nicht ganz unverdienten Vorwurfen nur ein leises Lacheln entgegen.
Martin Bryan hielt Wort. Kaum zehn Minuten nach meinem Anruf trat er ins Zimmer, offenbar durch die Nachricht bis in die Tiefen seiner Seele erschuttert. Denn sein Gesicht war wei? und verstort.
»Das ist grauenhaft, Monsieur Poirot«, sagte er, als er uns die Hand reichte. »Mir ist der Schreck in alle Glieder gefahren -und dennoch kann ich nicht behaupten, da? es mich uberrascht hat. Halb und halb habe ich dergleichen immer befurchtet.«
»Ich wei? es. Darf ich Ihnen Inspektor Japp vorstellen, dem die Untersuchung des Falles obliegt.«
Martin Bryan warf Poirot einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Warum haben Sie mich nicht orientiert? Konnte ich ahnen, wer der Herr ist?« murmelte er. Und mit einem kalten Nicken fertigte er den Inspektor ab.
»Ich verstehe nicht, weshalb Sie mich kommen lie?en, Monsieur Poirot«, wandte er sich dann abermals an meinen Freund. »Diese ganze unerfreuliche Sache geht doch mich nichts an.«
»Nehmen Sie erst einmal Platz«, lud Poirot freundlich ein. »Bei einem Mordfall mu? man den personlichen Widerwillen hintenan setzen.«
»Nicht in meiner Lage. Ich habe mit Jane zusammengearbeitet. Verdammt, sie gehort zu meinem Freundeskreis.«
»Was Sie nicht hinderte, bei der Nachricht von Lord Edgwares Ermordung sofort die Schlu?folgerung zu ziehen, da? sie ihn getotet hat«, erganzte Poirot sarkastisch.
Der Schauspieler fuhr empor.
»Meinen Sie etwa ...« Seine Augen quollen ihm formlich aus den Hohlen. »Meinen Sie, da? ich mich irre? Da? sie nichts damit zu tun hat?«
An Poirots Stelle ubernahm Inspektor Japp die Antwort.
»Im Gegenteil, Mr. Bryan. Sie hat reichlich viel damit zu tun.«
»Also doch«, stammelte der junge Mann und sank mude in seinen Sessel zuruck. »Ich dachte schon, ich hatte den gra?lichen Irrtum begangen!«
»In einer Angelegenheit dieser Art darf man der Freundschaft keinen Einflu? einraumen«, griff jetzt Poirot entschieden ein. »Sie wollen sich doch nicht ernstlich an die Seite einer Frau stellen, die einen Mord begangen hat. Mord - das verab-scheuungswurdigste aller menschlichen Verbrechen.«
Martin Bryan seufzte verzweifelt.
»Sie versteht das nicht. Jane ist keine gewohnliche Morderin. Da ihr das Gefuhl fur Recht oder Unrecht abgeht, ist sie nicht verantwortlich fur ihr Tun.«
»Diese Frage hat das Gericht zu entscheiden«, lie? sich Japp vernehmen, und Poirot versuchte es mit freundlichem Zureden.
»Nun seien Sie vernunftig, mein Lieber. Es lauft ja nicht darauf hinaus, da? Sie Jane Wilkinson anklagen; sie ist bereits angeklagt. Und daher durfen Sie nicht mit dem hinter dem Berg halten, was Sie wissen. Man hat Pflichten gegen die menschliche Gesellschaft, junger Freund.«
Wieder seufzte Martin Bryan, wahrend Poirot dem Inspektor einen auffordernden Blick zuwarf.
»Haben Sie jemals gehort, da? Lady Edgware Drohungen gegen ihren Gatten ausstie??« begann Japp das Verhor.
»Ja, verschiedentlich. Neulich erst machte sie eine derartige Au?erung in Gegenwart der beiden Herren hier - nicht wahr, Monsieur Poirot?« wandte er sich, um Unterstutzung flehend, an meinen Freund.
Poirot nickte wortlos.
»Es ist uns zu Ohren gekommen, da? sie ihre Freiheit wiederhaben wollte, um eine neue Ehe einzugehen.