gelungen?«
»Madame, ich mag kein Lob einstecken, das ich nicht verdiene. Vor sechs Monaten hat Ihnen Ihr Gatte geschrieben, da? er seinen Widerstand aufgebe.«
»Was sagen Sie da? Mir geschrieben? Wohin?«
»Nach Hollywood, wie er mir erklarte.«
»Dieses Schreiben ist nie in meine Hande gelangt; es mu? unterwegs verlorengegangen sein, Monsieur Poirot. Mein Gott, und ich bin in all diesen Monaten vor Grubeln und Kummer und aufreibenden Sorgen fast um den Verstand gekommen!«
»Lord Edgware schien anzunehmen, da? Sie einen Schauspieler zu heiraten gedachten, Madame.«
»Naturlich. So habe ich's ihm dargestellt«, lachelte sie spitzbubisch. »Ah, Monsieur Poirot«, - jah war das Lacheln einem schreckhaften Ausdruck gewichen -, »Sie haben doch nichts uber meine Beziehungen zu dem Herzog verlauten lassen?«
»Nein, nein, beruhigen Sie sich. Ich bin verschwiegen ... Das ware nicht gut gewesen, wie?«
»Verstehen Sie: Er ist eine heimtuckische, rankesuchtige Natur, und wenn er wu?te, da? mir die Herzogskrone winkt, wurde er mir fraglos ein Bein stellen. Einen Filmschauspieler -nun, den sieht er nicht fur voll an. Trotzdem uberrascht mich seine Bereitwilligkeit ma?los. Dich nicht auch, Ellis?«
Ich hatte bereits wahrgenommen, wie die Kammerfrau zwischen den beiden Zimmern hin und her ging, um verschiedene Stra?enkleider, die achtlos uber die Stuhllehne geworfen waren, beiseite zu raumen, und hatte geglaubt, diese Beschaftigung diene ihr nur als Vorwand zum Horchen. Durch Janes Frage aber wurde ich belehrt, da? die bescheidene, altliche Dienerin ihr ganzes Vertrauen geno?.
»Wirklich, gnadige Frau. Der Herr mu? sich bedeutend geandert haben, seit wir ihn verlie?en«, gab sie boshaft zur Antwort.
»Ja, das mu? er allerdings«, stimmte ihr Jane Wilkinson zu.
»Sie verstehen seine Haltung nicht, Madame; sie bereitet Ihnen Kopfzerbrechen?« horte ich Poirot fragen.
»Und ob sie das tut! Aber eigentlich brauchen wir uns nicht darum zu kummern. Was macht es aus, weshalb er seine Ansichten anderte, solange es bei dieser Anderung bleibt?«
»Madame, Sie mag es gleichgultig lassen, mich jedoch nicht.«
Jane schenkte ihm keine Beachtung.
»Frei bin ich!« jubelte sie auf. »Endlich, endlich frei!«
»Noch nicht!«
Sie warf ihm einen Blick zurnender Ungeduld zu.
»Also meinetwegen: frei werde ich sein. Das kommt auf dasselbe heraus.«
Poirot sah aus, als ob er hieruber anders dachte.
»Der Herzog halt sich in Paris auf«, plauderte Jane. »Ich mu? ihm umgehend telegrafieren. Ha, wie seine alte Mutter fauchen wird!«
Mein kleiner Freund erhob sich.
»Ich bin entzuckt, Madame, da? sich alles so wendet, wie Sie es wunschen.«
»Adieu, Monsieur Poirot, und tausend, tausend Dank!«
»Wofur, Madame?«
»Nun, Sie waren immerhin der Bote, der mir die guten Nachrichten brachte, und das genugt mir, um dankbar zu sein. Undankbarkeit ist nie mein Fehler gewesen, Monsieur Poirot.«
»Da haben wir's«, sagte mein Freund, als wir im Fahrstuhl abwarts glitten, »der einzige Gedanke - sie selbst. Sie stellt keine Vermutungen auf, sie wird von keiner Neugier gepeinigt, weshalb jener Brief sie nie erreichte. Obwohl in geschaftlicher Beziehung unleugbar pfiffig und schlau, besitzt sie doch nicht ein Gramm Verstand. Freilich, freilich - der liebe Gott kann einen ja auch nicht mit allen Gaben bedenken!«
»Nur in bezug auf Hercule Poirot machte er eine Ausnahme«, meinte ich leichthin.
»Oh, Sie elender Spotter!« gab er lustig zuruck. »Aber kommen Sie, mein Lieber, wir wollen am Ufer entlanggehen, denn ich mochte nach Regel und Methode Ordnung in meine Gedanken bringen.«
Ich beflei?igte mich eines unverbruchlichen Schweigens, bis das Orakel sich von selbst zum Reden bequemte.
»Jener Brief ist es, der mir nicht geheuer erscheint«, sagte Poirot aus seinem tiefen Sinnen heraus. »Und fur dieses Problem gibt es vier Losungen, Hastings. Die erste, da? er auf der Post verlorenging. Das kommt vor, wie Sie wissen. Jedoch nicht haufig. Nein, wirklich nicht haufig. Mit unvollstandiger oder falscher Adresse versehen, wurde er in der Zwischenzeit langst wieder beim Absender gelandet sein. Mein guter Hastings, je mehr ich uberlege, desto mehr neige ich dazu, diese Losung auszumerzen - obgleich sie die richtige sein kann.
Losung Nummer zwei: da? unsere schone Dame schwindelt, wenn sie behauptet, den Brief nie erhalten zu haben. Moglich ist es. Oh, mit der kindlichsten Offenheit ware sie imstande, Ihnen jede ihr vorteilbringende Lugengeschichte zu erzahlen. Aber ich sehe nicht, wie dies ihr Vorteil brachte! Wenn sie wei?, da? er sie freigibt, warum schickt sie mich dann hin, damit ich es von ihm erbitte? Das ist doch sinnwidrig.
Losung Nummer drei: Lord Edgware lugt. Und wenn irgend jemand in der Sache lugt, dunkt es mich wahrscheinlicher, da? er es ist und nicht seine Frau. Aber warum einen Brief erfinden, der sechs Monate vorher abgesandt worden sein soll? Warum nicht einfach bejahend auf meinen Vorschlag antworten? Nein, hier glaube ich eher, da? er den Brief abgesandt hat; welche Grunde seine plotzliche Sinnesanderung herbeifuhrten, ahne ich allerdings nicht.
Somit waren wir bei der vierten Losung angelangt: da? jemand den Brief unterschlug. Und hier begeben wir uns auf ein sehr interessantes Gebiet, das la?t Mutma?ungen aller Art offenstehen, weil jenes Schreiben sowohl in England als auch in Amerika unterschlagen worden sein kann.
Der Tater ist jedenfalls eine Person gewesen, die die Trennung dieser Ehe nicht wunschte. Ah, Hastings, ich wurde unendlich viel darum geben, wenn ich nur ein bi?chen hinter die Kulissen zu gucken vermochte! Denn es steckt etwas dahinter - ich will es beschworen!«
»Etwas«, fugte er nach einem Weilchen langsam hinzu, »von dem ich vorderhand nur einen winzigen Zipfel erhascht habe.«
Am folgenden Tag - es war der drei?igste Juni - wurde uns morgens um halb zehn gemeldet, da? Inspektor Japp da sei und uns dringend sprechen mochte.
Jahre lagen dazwischen, seit wir den Beamten Scotland Yards zuletzt gesehen hatten.
»Ah, ce bon Japp!« sagte Hercule Poirot. »Was mag er wollen?«
»Hilfe«, knurrte ich bissig. »Er hat sich in irgendeinem Fall festgefahren, und Sie sollen ihn wieder flottmachen.«
Ich brachte Japp nicht die Nachsicht entgegen wie mein Freund. Da? der Inspektor Gedanken aus Poirots Hirn stibitzte, verubelte ich - da es immerhin eine gewisse anerkennende Schmeichelei fur den kleinen Belgier bedeutete - ihm weniger als sein scheinheiliges Leugnen dieser Tatsache. Ich habe offene, ehrliche Leute gern und machte jetzt Poirot gegenuber auch eine diesbezugliche Bemerkung.
Mein Freund aber lachte herzhaft.
»Sie sind ein Hund von der Rasse der Bulldoggen, wie, Hastings? Vergessen Sie doch nicht, da? der arme Japp sich nichts vergeben darf und daher zu solchen kleinen Ma?nahmen greift. Nichts ist naturlicher als das!«
Ich fand es hochst albern und verhehlte meine Meinung keineswegs, worauf mir Poirot abermals widersprach:
»Die au?ere Form - pah, eigentlich eine Bagatelle! Aber den Leuten ist daran gelegen. Es befahigt sie, die Eigenliebe zu bewahren.« Personlich vertrat ich den Standpunkt, da? dem Inspektor eine Beimischung von Minderwertigkeitsgefuhl nichts schaden konne, doch jetzt war nicht die Zeit und Gelegenheit, daruber zu streiten. Uberdies gelustete es mich zu erfahren, was ihn zu uns fuhrte.
Japp begru?te uns beide voller Herzlichkeit.
»Gerade beim Fruhstuck. Haben Sie die Henne noch nicht gefunden, die fur Sie genau viereckige Eier legt, Monsieur Poirot?«
Dies war eine Anspielung auf eine Klage Poirots uber die verschiedene Gro?e der Eier, durch die sein Sinn fur Ebenma? beleidigt wurde.