28

Es wurde ein seltsamer Heimweg.

Poirot arbeitete offenbar irgendeinen Gedankengang in seinem Hirn aus. Gelegentlich gab er Laute von sich, die einem dumpfen Knurren glichen, und ich glaubte einmal das Wort »Kerzenbeleuchtung« zu erhaschen und ein andermal etwas, das wie »douzaine« klang. Wenn ich wirklich aufgeweckt gewesen ware, hatten mir diese beiden Worte die Richtung, die seine Gedanken nahmen, gewiesen. Denn es war tatsachlich eine selten klare Fahrte. Aber damals klang es mir wie Kauderwelsch.

Kaum zu Hause angelangt, flog er ans Telefon. Er rief das Savoy-Hotel an und verlangte Lady Edgware zu sprechen.

»Vergebliches Bemuhen, alter Knabe«, sagte ich belustigt.

Hercule Poirot ist, wie ich ihm oft versichert habe, einer der am schlechtesten unterrichteten Leute des Erdballs.

»Wissen Sie denn nicht, da? sie in einem neuen Stuck auftritt?« fuhr ich fort. »Da es erst halb elf ist, wird sie noch im Theater sein.«

Poirot wurdigte mich keiner Antwort. Eifrig verhandelte er mit dem Hotelangestellten, der ihm anscheinend genau dasselbe mitteilte, was ich ihm gesagt hatte.

»Ah ... ? Soso. Dann mochte ich gern mit Lady Edgwares Kammerfrau sprechen.«

In wenigen Sekunden war die Verbindung hergestellt.

»Hier ist Hercule Poirot. Sie erinnern sich meiner wohl, nicht wahr? Die gnadige Frau ist nicht anwesend, wurde mir eben mitgeteilt.«

».. «

»Tres bien. Nun hat sich inzwischen etwas sehr Wichtiges zugetragen, und ich mochte Sie freundlichst bitten, sofort zu mir zu kommen.«

».. «

»Aber ja. Sehr, sehr wichtig! Ich werde Ihnen die Adresse geben. Horen Sie gut zu.«

Er wiederholte sie zweimal und legte dann mit nachdenklichem Gesicht den Horer weg.

»Was soll das?« fragte ich. »Haben Sie wirklich eine Auskunft erhalten?«

»Bewahre, Hastings. Doch sie wird mir die Auskunft geben.«

»Welche Auskunft?«

»Uber eine gewisse Person.«

»Jane Wilkinson?«

»Pah! Uber die brauche ich keine Auskunft. Die schone Frau kenne ich in- und auswendig.«

»Uber wen denn?«

Mein Freund fertigte mich mit seinem hochst aufreizenden Lacheln ab und sagte, ich solle mich in Geduld fassen. Hierauf begann er geschaftig das Zimmer aufzuraumen oder vielmehr umzuraumen.

Zehn Minuten spater erschien die Erwartete bereits, eine zierliche schwarzgekleidete Person, die etwas nervos und unsicher umherschaute.

Poirot sturzte ihr entgegen. »Ah, wie nett, da? Sie gekommen sind! Bitte nehmen Sie Platz, Mademoiselle - Ellis, wenn ich nicht irre?«

»Ja, Sir. Ellis.«

Folgsam setzte sie sich auf den Stuhl, den mein Freund ihr angewiesen hatte, und blickte, die Hande im Scho? gefaltet, abwechselnd uns beide an. Ihr kleines, blutloses Gesicht war ruhig und gelassen, die schmalen Lippen bildeten einen Strich.

»Darf ich zuerst einmal fragen, wie lange Sie bei Lady Edgware beschaftigt sind?«

»Drei Jahre, Sir.«

»Das dachte ich mir. Dann wissen Sie uber ihre Angelegenheiten gut Bescheid.«

Ellis schwieg und pre?te die Lippen noch fester aufeinander.

»Mi?verstehen Sie mich nicht - ich meinte, Sie werden wissen, wo wir ihre Feinde zu suchen haben.«

»Fast alle Frauen sind ihre Widersacherinnen, Sir. Ha?liche Eifersucht!«

»Ah! Also ihr eigenes Geschlecht liebt sie nicht?«

»Nein, Sir. Sie sieht zu gut aus und erreicht stets, was sie will. Oh, Sie ahnen nicht, wie im Schauspielberuf Neid und Eifersucht bluhen!«

»Und wie steht's mit den Mannern?«

Ellis gestattete sich ein sauerliches Lacheln.

»Sie kann alle Herren um den Finger wickeln.«

»Kennen Sie Martin Bryan, den Filmschauspieler?«

»Gewi?, Sir.«

»Sehr gut?«

»Au?erordentlich gut.«

»Ich glaube keinen Irrtum zu begehen, wenn ich sage, da? Mr. Bryan vor einem Jahr sehr in Ihre Herrin verliebt war, wie?«

»Bis uber beide Ohren verliebt, Sir.«

»Er hoffte damals wohl auch, sie wurde ihn heiraten, eh?«

»Ja. Und wenn Lord Edgware nicht die Scheidung verweigert hatte, wurde sie ihn wohl auch geheiratet haben.« »Dann aber erschien, wie ich vermute, der Herzog von Merton auf der Bildflache.«

»Ja, Sir. Er befand sich auf einer Rundreise durch die Vereinigten Staaten. Liebe auf den ersten Blick war es bei ihm.«

»Und damit wurde Martin Bryans Chance zu Null.«

Ellis nickte.

»Gewi?, Mr. Bryan verdiente fabelhafte Summen«, erlauterte sie, »aber der Herzog von Merton nimmt doch noch eine andere Stellung in der Gesellschaft ein. Und die Gnadige gelustet es sehr nach Rang und Stellung. Als Gemahlin des Herzogs von Merton ware sie eine der ersten Damen Englands.«

Sie sagte es mit einer selbstgefalligen Freude, die mich ergotzte.

»Mithin bekam Martin Bryan den Laufpa?. Wie fand er sich denn damit ab, Miss Ellis?«

»Schlimm war er. Machte entsetzliche Szenen, bedrohte sie mit dem Revolver. Aus Gram fing er auch zu trinken an - kurz, es warf ihn vollig um.«

»Aber jetzt hat er sich beruhigt.«

»So scheint es. Doch mir gefallt der Blick in seinen Augen nicht, und ich habe die gnadige Frau auch schon gewarnt. Sie aber hat nur gelacht, denn sie gehort zu denen, die gern ihre Macht fuhlen ... ich wei? nicht, ob Sie mich verstehen.«

»Ja«, sagte Poirot versonnen. »Ich verstehe Sie sehr gut.«

»Die letzte Zeit haben wir ihn kaum gesehen - ein gutes Zeichen, denke ich. Er scheint den Korb uberwunden zu haben.«

»Vielleicht.«

Irgend etwas in Poirots Stimme mochte der Frau auffallen, denn sie sah ihn besorgt an.

»Meinen Sie etwa, sie sei in Gefahr, Sir?«

»Ja«, erwiderte mein Freund ernst. »Sie ist in gro?er Gefahr. Aber sie hat es sich selbst zuzuschreiben.«

Seine Hand, die ziellos an dem Kaminsims entlangfuhr, stie? an eine mit Rosen gefullte Vase. Sie kippte, und das Wasser ergo? sich uber Ellis' Gesicht und Kopf. Selten unterlief Poirot eine Ungeschicklichkeit, und ich konnte aus dem Unfall schlie?en, wie gro? die Erregung sein mu?te, die in ihm brodelte. Er rannte fort nach einem Handtuch, half dem Madchen besorgt, Gesicht und Nacken zu trocknen, und sparte nicht mit Entschuldigungen, denen er durch eine Banknote mehr Gewicht verlieh. Schlie?lich geleitete er sie zur Tur, ihr nochmals fur ihr bereitwilliges Kommen dankend.

»Aber es ist noch fruh«, meinte er mit einem Blick auf die Uhr. »Sie werden noch vor Ihrer Herrin wieder im Hotel sein.«

»Machen Sie sich deswegen keine Sorge, Sir. Lady Edgware geht nach der Vorstellung noch irgendwohin zum Supper, und au?erdem brauche ich, wenn sie es nicht vorher ausdrucklich bestimmt, niemals bis zu ihrer Ruckkehr aufzubleiben.«

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