„Wenn Sie sagen, da? er wie ein Bildschirm aussieht, so meinen Sie, da? er wie einer von unseren aussieht, nicht wahr?“
„Naturlich.“
„Ich finde das an sich verdachtig. Ich bin uberzeugt, da? die Apparate der Overlords nicht etwas so Primitives benutzen wie einen gewohnlichen Bildschirm — sie werden wahrscheinlich die Bilder unmittelbar im Raum materialisieren. Aber warum sollte Karellen uberhaupt ein Fernsehsystem benutzen? Die einfachste Losung ist immer die beste. Ist es nicht viel wahrscheinlicher, da? Ihr ›Bildschirm‹ in Wirklichkeit nichts anderes ist als eine nur nach einer Seite durchsichtige Glasscheibe?“
Stormgren war so argerlich uber sich selbst, da? er einen Augenblick schweigend dasa? und die Vergangenheit an sich vorbeiziehen lie?. Von Anfang an hatte er Karellens Ausspruche nie angezweifelt, aber wenn er jetzt zuruckblickte: Wann hatte der Oberkontrolleur ihm je gesagt, da? er eine Fernsehanlage benutze? Stormgren hatte es einfach fur selbstverstandlich gehalten. Dabei war das Ganze eine Art psychologischer Taschen spielerei gewesen, und er hatte sich vollstandig tauschen lassen. Naturlich vorausgesetzt, da? Duvals Theorie stimmte. Aber Stormgren zog wieder ubereilte Schlu?folgerungen; bisher hatte noch niemand etwas bewiesen.
„Wenn Sie recht haben“, sagte er, „so brauche ich nur die Glasscheibe zu zerschlagen.“
Duval seufzte. „Diese unwissenschaftlichen Laien! Meinen Sie, da? die Scheibe aus irgendeinem Material besteht, das Sie ohne Sprengstoff zerschmettern konnten? Und meinen Sie, wenn es Ihnen glucken sollte, da? Karellen die gleiche Luft atmet wie wir? Ware es nicht prachtig fur Sie beide, wenn er etwa in einer Chloratmosphare gediehe?“
Stormgren kam sich etwas toricht vor. Hieran hatte er denken mussen. „Ja, was schlagen Sie denn vor?“ fragte er etwas gereizt.
„Ich mochte daruber nachdenken. Zunachst mussen wir feststellen, ob meine Theorie richtig ist; wenn sie stimmt, mussen wir etwas uber das Material, aus dem die Scheibe besteht, in Erfahrung bringen. Ich werde einige meiner Leute mit der Aufgabe betrauen. Ubrigens vermute ich, da? Sie eine Aktentasche bei sich haben, wenn Sie den Oberkontrolleur besuchen. Ist das diese Tasche, die hier liegt?“ „Ja.“
„Sie durfte gro? genug sein. Wir wollen keine Aufmerksamkeit erregen, indem wir sie gegen eine andere austauschen, besonders da Karellen an diese Tasche gewohnt ist.“
„Was soll ich tun?“ fragte Stormgren. „Heimlich einen Rontgenapparat mitnehmen?“
Der Physiker lachelte. „Ich wei? es noch nicht, aber wir werden uns irgend etwas ausdenken. In vierzehn Tagen werde ich Ihnen mitteilen, was es sein wird.“ Er stie? ein leises Lachen aus. „Wissen Sie, woran mich diese ganze Sache erinnert?“
„Ja“, erwiderte Stormgren sogleich, „an die Zeit, als Sie wahrend der deutschen Besetzung illegal Radioapparate bauten.“
Duval sah enttauscht aus. „Ja, ich habe das wohl schon einoder zweimal erwahnt. Aber nun noch etwas anderes.“
„Und?“
„Wenn Sie gefangengenommen werden, wei? ich nicht, wozu Sie das Gerat benutzen wollten.“
„Wie? Nachdem Sie fruher einmal so heftig dafur eingetreten sind, da? der Wissenschaftler fur seine Erfindungen die Verantwortung tragen mu?? Wirklich, Pierre, ich schame mich fur Sie.“
Stormgren legte das dicke Aktenstuck mit einem Seufzer der Erleichterung beiseite. „Dem Himmel sei Dank, das ist endlich erledigt“, sagte er. „Es ist ein seltsamer Gedanke, da? diese wenigen hundert Seiten die Zukunft der Menschheit enthalten. Der Weltstaat! Ich habe nie gedacht, da? ich ihn zu meinen Lebzeiten sehen wurde!“
Er steckte die Akte in seine Mappe, deren Rucken nicht mehr als zehn Zentimeter von dem dunklen Rechteck des Bildschirms entfernt war. Von Zeit zu Zeit glitten seine Finger in einer halb unbewu?ten, nervosen Bewegung uber die Schalthebel, aber er hatte nicht die Absicht, auf den verborgenen Knopf zu drucken, ehe die Besprechung beendet war. Es bestand die Moglichkeit, da? irgend etwas schiefging. Obwohl Duval geschworen hatte, da? Karellen nichts entdecken wurde, konnte man sich nie sicher fuhlen.
„Sie sagten, Sie hatten Nachrichten fur mich“, fuhr Stormgren mit kaum verhohlenem Eifer fort. „Handelt es sich um.“
„Ja“, sagte Karellen, „ich habe vor wenigen Stunden eine Entscheidung bekommen.“
Was meinte er damit? uberlegte Stormgren. Sicherlich war es nicht moglich, da? der Oberkontrolleur sich mit seiner fernen Heimat in Verbindung gesetzt hatte, uber die unbekannte Zahl von Lichtjahren hinweg, die ihn von seinem Stutzpunkt trennte. Oder vielleicht — und das war van Rybergs Theorie — hatte er nur irgendeine riesige Rechenmaschine befragt, die den Ausgang jeder politischen Unternehmung voraussagen konnte.
„Ich glaube nicht, da? die Freiheitsliga und ihre Anhanger sehr befriedigt sein werden, aber es durfte dazu beitragen, die Spannung zu vermindern.
Sie haben mir oft gesagt, Rikki, da? die menschliche Rasse sich bald an uns gewohnen wurde, so anders wir korperlich auch sein mochten. Das beweist einen Mangel an Einbildungskraft Ihrerseits. Es wurde wahrscheinlich fur Sie selbst zutreffen, aber Sie mussen bedenken, da? der gro?te Teil der Erde noch nicht durch eine vernunftige Lebensweise erzogen ist und von aberglaubischen Vorstellungen verwirrt wird, die erst in Jahrzehnten beseitigt werden konnen.
Sie werden zugeben, da? wir einiges uber die menschliche Psychologie wissen. Wir wissen ziemlich genau, was geschehen wurde, wenn wir uns der Erde auf ihrer jetzigen Entwicklungsstufe zeigten. Ich kann nicht auf Einzelheiten eingehen, selbst Ihnen gegenuber nicht. Sie mussen meine Erklarung also auf Treu und Glauben hinnehmen. Wir konnen jedoch ein endgultiges Versprechen geben, das Sie einigerma?en befriedigen durfte. In funfzig Jahren, also von jetzt an in zwei Generationen, werden wir aus unseren Schiffen herunterkommen, und die Menschheit wird uns endlich sehen, wie wir sind.“
Stormgren schwieg eine Weile und dachte uber die Worte des Oberkontrolleurs nach. Er empfand wenig von der Befriedigung, die Karellens Erklarung in fruherer Zeit in ihm hervorgerufen hatte. Er war irgendwie verwirrt uber diesen Teilerfolg, und fur einen Augenblick wurde er in seinem Entschlu? wankend. Die Wahrheit wurde sich im Lauf der Zeit offenbaren: sein ganzes Vorhaben war unnotig und vielleicht unklug. Wenn er dennoch handelte, geschahe es nur aus dem selbstsuchtigen Grunde, da? er in funfzig Jahren nicht mehr am Leben sein wurde.
Karellen mu?te sein Zogern bemerkt haben, denn er fuhr fort: „Es tut mir leid, wenn Sie enttauscht sind. Aber wenigstens unterstehen die politischen Probleme der nahen Zukunft nicht mehr Ihrer Verantwortung. Vielleicht denken Sie noch immer, da? unsere Befurchtungen unbegrundet sind; aber glauben Sie mir, wir haben uberzeugende Beweise fur die Gefahr eines andern Verhaltens gehabt.“
Stormgren beugte sich schwer atmend vor. „Also sind Sie von Menschen gesehen worden?“
„Das habe ich nicht gesagt“, erwiderte Karellen rasch. „Ihre Welt ist nicht die einzige, die wir uberwachen.“
Stormgren war nicht so leicht abzuschutteln. „In vielen Legenden wird berichtet, da? die Erde in der Vergangenheit von andern Rassen besucht worden ist.“
„Ich wei?. Ich habe die Berichte der Historischen Forschungsstelle gelesen. Danach sieht die Erde wie eine Stra?enkreuzung des Universums aus.“
„Es kann Besuche gegeben haben, von denen Sie nichts wissen“, sagte Stormgren, noch hoffnungsvoll bemuht. „Obwohl ich das fur ziemlich unwahrscheinlich halte, da Sie uns seit Jahrtausenden beobachtet haben mussen.“
„Allerdings“, erwiderte Karellen in seiner ablehnendsten Art. Und in diesem Augenblick fa?te Stormgren seinen Entschlu?.
„Karellen“, sagte er kurz, „ich werde die Erklarung aufsetzen und sie Ihnen zur Billigung vorlegen. Aber ich behalte mir das Recht vor, Sie weiterhin mit Fragen zu belastigen, und wenn ich irgendeine Gelegenheit sehe, werde ich mein Bestes tun, Ihr Geheimnis zu erfahren.“
„Das ist mir vollig klar“, erwiderte der Oberkontrolleur mit einem leisen Lachen.
„Und es stort Sie nicht?“
„Nicht im geringsten — obwohl ich bei Kernwaffen, Giftgasen oder ahnlichen Dingen, die unsere Freundschaft gefahrden konnten, die Grenze ziehe.“
Stormgren fragte sich, wieviel Karellen erraten haben mochte, wenn er uberhaupt etwas argwohnte. Hinter dem Scherz des Oberkontrolleurs hatte er einen Ton des Verstandnisses gehort, vielleicht sogar — wer konnte das