sagen — von Ermutigung. „Ich freue mich, das zu horen“, erwiderte Stormgren, so ruhig er konnte. Er stand auf und offnete die Klappe seiner Aktenmappe. Sein Daumen glitt an dem Griff entlang. „Ich werde die Erklarung sofort entwerfen“, wiederholte er, „und sie Ihnen heute noch durch Fernschreiber ubermitteln.“

Wahrend er sprach, druckte er auf den Knopf und wu?te, da? all seine Befurchtungen grundlos gewesen waren. Karellens Sinne waren nicht empfindlicher als die der Menschen. Der Oberkontrolleur konnte nichts gespurt haben, denn in seiner Stimme war keine Veranderung, als er sich jetzt verabschiedete und die vertrauten Codeworte sprach, die die Tur des Raumes offneten.

Dennoch kam sich Stormgren wie ein Warenhausdieb vor, der einen Laden unter den Augen des Hausdetektivs verla?t, und er atmete erleichtert auf, als die glatte Wand sich hinter ihm geschlossen hatte.

„Ich gebe zu“, sagte van Ryberg, „da? einige meiner Theorien nicht sehr erfolgreich gewesen sind. Aber sagen Sie mir, was Sie uber diese neue denken.“

„Mu? ich das?“ seufzte Stormgren.

Pieter schien den Seufzer nicht zu bemerken. „Es ist eigentlich nicht meine Idee“, sagte er bescheiden. „Ich habe sie in einer Erzahlung von Chesterton gefunden. Wenn wir nun annehmen, da? die Overlords nur die Tatsache verbergen, da? sie nichts zu verbergen haben?“

„Das klingt fur mich etwas zu kompliziert“, sagte Stormgren, der sich langsam fur die Sache zu interessieren begann.

„Was ich meine, ist folgendes“, fuhr van Ryberg eifrig fort. „Ich meine, da? sie korperlich menschliche Wesen sind wie wir, aber sie stellen sich vor, da? wir uns nur von Geschopfen beherrschen lassen, die. nun, die eben fremd und uberintelligent sind. So wie die menschliche Rasse beschaffen ist, will sie sich nicht von Geschopfen der gleichen Art herumkommandieren lassen.“

„Sehr geistreich wie alle Ihre Theorien“, sagte Stormgren. „Sie sollten sie numerieren, um sie auseinanderhalten zu konnen. Die Einwande gegen diese neue.“

Aber in diesem Augenblick wurde Alexander Wainwright ins Zimmer gefuhrt.

Stormgren uberlegte, was Wainwright denken mochte. Er fragte sich auch, ob dieser mit den Entfuhrern irgendeine Verbindung gehabt hatte. Er bezweifelte es, denn er hielt Wainwrights Mi?billigung jeder Gewalt fur vollig echt. Die Extremisten in seiner Bewegung hatten sich grundlich in Mi?kredit gebracht, und es wurde lange dauern, bis die Welt wieder von ihnen horte.

Der Fuhrer der Freiheitsliga lauschte aufmerksam, als ihm die Erklarung vorgelesen wurde. Stormgren hoffte, er wurde sich durch diese Hinzuziehung geehrt fuhlen, die Karellens Gedanke gewesen war. Erst in weiteren zwolf Stunden wurde die ubrige Welt von dem Versprechen erfahren, das ihren Enkeln gemacht worden war.

„In funfzig Jahren“, sagte Wainwright nachdenklich, „das ist eine lange Wartezeit.“

„Fur die Menschheit vielleicht, aber nicht fur Karellen“, erwiderte Stormgren. Erst jetzt begann er die Klugheit dieser Losung zu erkennen, die die Overlords gefunden hatten. Sie hatte ihnen den Atemraum verschafft, dessen sie zu bedurfen meinten, und hatte der Freiheitsliga den Boden unter den Fu?en weggezogen. Er bildete sich nicht ein, da? die Liga kapitulierte, aber ihre Stellung wurde ernstlich geschwacht sein. Sicherlich erkannte Wainwright dies ebenfalls.

„In funfzig Jahren“, sagte er bitter, „wird der Schaden geschehen sein. Diejenigen, die sich an unsere Unabhangigkeit erinnert haben, werden tot sein. Die Menschheit wird ihr Erbe vergessen haben.“

Worte, leere Worte, dachte Stormgren. Die Worte, fur die einstmals die Menschen gekampft hatten und fur die sie gestorben waren, und fur die sie niemals wieder kampfen oder sterben wurden. Und die Welt wurde dadurch besser sein.

Als er Wainwright weggehen sah, fragte sich Stormgren, wieviel Schwierigkeiten die Freiheitsliga in den kommenden Jahren noch verursachen wurde. Das aber war ein Problem fur seinen Nachfolger.

Es gab Wunden, die nur die Zeit heilte. Bose Menschen konnten vernichtet werden, aber nichts konnte fur gute Menschen getan werden, die betrogen worden waren.

„Hier ist Ihre Mappe“, sagte Duval. „Sie ist so gut wie neu.“

„Danke“, erwiderte Stormgren, untersuchte sie aber doch sorgfaltig. „Jetzt sagen Sie mir aber vielleicht, was dies alles bedeutet und was wir nun zunachst tun werden.“

Der Physiker schien sich mehr fur seine eigenen Gedankengange zu interessieren. „Was ich nicht verstehen kann, ist“, sagte er, „da? wir so leicht davongekommen sind. Ware ich Kar.“

„Aber Sie sind es nicht. Kommen Sie zur Sache, Mann. Was haben wir herausgefunden?“

,Oh, diese erregbaren, nervosen nordischen Rassen!“ seufzte Duval. „Wir hatten eine Art Schwachstrom- Radargerat konstruiert. Neben Radiowellen von sehr hoher Frequenz benutzte es Infrarot — alles Wellen, die unmoglich von irgendeinem Geschopf wahrgenommen werden konnten, und wenn es noch so scharfe Augen hatte.“

„Wie konnten Sie das mit Sicherheit wissen?“ fragte Stormgren, wider Willen von dem technischen Problem neugierig gemacht.

„Ganz sicher konnten wir unserer Sache naturlich nicht sein“, gab Duval widerstrebend zu. „Aber Karellen spricht mit Ihnen bei normaler Beleuchtung, nicht wahr? Seine Augen mussen also in ihrer spektralen Reichweite ungefahr den unsern entsprechen.

Auf jeden Fall hat das Gerat funktioniert. Wir haben den Beweis, da? ein gro?er Raum hinter dem sogenannten Bildschirm ist. Der Bildschirm ist etwa drei Zentimeter dick und der Raum dahinter mindestens zehn Meter tief. Wir konnten keinen Widerhall von der hinteren Wand auffangen, aber das war bei der geringen Stromstarke, die wir zu benutzen wagten, auch kaum zu erwarten. Doch das hier haben wir immerhin bekommen.“

Er schob Stormgren eine Aufnahme zu, auf der eine einzige Wellenlinie zu sehen war. An einer Stelle war eine Verdickung, wie die Aufzeichnung eines schwachen Erdbebens. „Sehen Sie diese kleine Verdickung?“

„Ja. Was kann das sein?“

„Nur Karellen.“

„Gro?er Gott! Wissen Sie das bestimmt?“

„Es ist eine ziemlich sichere Vermutung. Er sitzt oder steht — oder was er sonst tut — etwa zwei Meter hinter der Scheibe. Wenn die Aufnahme etwas besser gewesen ware, hatten wir sogar seine Gro?e berechnen konnen.“

Stormgren betrachtete die kaum sichtbare Verdickung der Welle mit gemischten Gefuhlen. Bisher hatte es noch keinen Beweis gegeben, da? Karellen uberhaupt einen wirklichen Korper besa?. Der Beweis war noch indirekt, aber Stormgren nahm ihn ohne Bedenken hin.

„Das zweite, was wir zu tun hatten“, sagte Duval, „war, die Durchlassigkeit der Scheibe fur gewohnliches Licht zu berechnen. Wir glauben, einen annehmbaren Begriff davon bekommen zu haben, selbst wenn die Rechnung vielleicht um zehn Prozent falsch ist. Sie werden naturlich einsehen, da? es so etwas wie wirklich nur einseitig durchsichtiges Glas nicht gibt. Es ist einfach eine Frage der Anordnung der Beleuchtung. Karellen sitzt in einem verdunkelten Raum. Sie sind beleuchtet, das ist alles.“ Duval kicherte. „Nun, das werden wir andern.“

Mit der Miene eines Zauberers, der einen ganzen Wurf wei?er Kaninchen hervorholt, griff er in seinen Schreibtisch und nahm eine gro?e Taschenlampe heraus. Das Ende ging in einen breiten Griff uber, so da? der ganze Apparat ahnlich wie eine Donnerbuchse aussah.

Duval lachte. „Es ist nicht so gefahrlich, wie es aussieht. Sie brauchen nichts weiter zu tun, als den Griff gegen die Scheibe zu pressen und auf den Schalter zu drucken. Der Apparat sendet fur zehn Sekunden einen sehr kraftigen Strahl aus, und in dieser Zeit werden Sie imstande sein, den Raum zu beleuchten und ein gutes Bild zu bekommen. Alles Licht wird durch die Scheibe dringen und Ihren Freund wunderschon anleuchten.“

„Es wird Karellen nicht schaden?“

„Nicht, wenn Sie die Lampe tief halten und dann den Schein nach oben gleiten lassen. Das wird seinen Augen Zeit geben, sich anzupassen. Ich vermute, da? er die gleichen Reflexe hat wie wir, und wir wollen ihn nicht blenden.“

Stormgren blickte zweifelnd auf das Gerat und nahm es in die Hand. In den letzten Wochen hatte sein Gewissen ihn gequalt. Karellen hatte ihn immer mit unverkennbarer Zuneigung behandelt, trotz seiner gelegentlich vernichtenden Offenheit, und jetzt, da sich ihre gemeinsame Zeit dem Ende naherte, wollte Stormgren nichts tun, um diese Beziehung zu verderben. Aber der Oberkontrolleur war gewarnt worden, und Stormgren war uberzeugt, da? Karellen sich langst gezeigt hatte, wenn die Entscheidung bei ihm lage. Nun wurde ihm der Entschlu?

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