nahm ich ein Gerat mit, in der Hoffnung, den Oberkontrolleur zu sehen. Es war eine ziemlich torichte Unternehmung, aber — nun ja, ich war damals erst sechzig.“

Er kicherte leise und fuhr dann fort: „Die Geschichte lohnt den weiten Weg fur Sie nicht. Die Sache funktionierte nicht, mussen Sie wissen.“

„Sie haben nichts gesehen?“

„Nein, uberhaupt nichts! Ich furchte, Sie werden warten mussen, aber schlie?lich dauert es jetzt ja nur noch zwanzig Jahre.“

Noch zwanzig Jahre! Ja, Karellen hatte recht gehabt. Bis dahin wurde die Erde bereit sein, was sie nicht gewesen war, als er vor drei?ig Jahren Duval die gleiche Luge erzahlt hatte.

Karellen hatte ihm vertraut, und Stormgren hatte sein Vertrauen nicht enttauscht. Er war felsenfest uberzeugt, da? der Oberkontrolleur von Anfang an seinen Plan gekannt und sein Tun bis auf die geringste Geste vorausgesehen hatte.

Warum sonst ware der ungeheure Stuhl schon leer gewesen, als der Lichtkreis darauf fiel? Im selben Augenblick, als Stormgren, in der Befurchtung, zu spat zu kommen, den Scheinwerfer in Bewegung setzte, hatte sich die metallene Tur im Hintergrunde, die zweimal so hoch war wie ein Mensch, schnell geschlossen, als er sie in den Blick bekam — aber doch nicht schnell genug.

Ja, Karellen hatte ihm vertraut, hatte nicht gewollt, da? er in den langen Abend seines Lebens hineingehen sollte, von einem Geheimnis beunruhigt, das er niemals losen konnte. Karellen wagte den unbekannten Machten uber ihm nicht zu trotzen — ob sie auch von der gleichen Rasse waren? — aber er hatte alles getan, was er konnte. Wenn er ihnen ungehorsam gewesen war, hatten sie es nie beweisen konnen. Stormgren wu?te, da? es der endgultige Beweis fur Karellens Zuneigung zu ihm gewesen war. Obwohl es die Zuneigung eines Menschen zu einem ergebenen und klugen Hund sein mochte, war sie deswegen nicht weniger aufrichtig, und das Leben hatte Stormgren wenige gro?ere Befriedigungen als diese geschenkt.

„Wir haben unsere Fehlschlage gehabt!“ Ja, Karellen, das war die Wahrheit; und warst du derjenige, der vor dem Anbruch der menschlichen Geschichte versagt hat? Es mu? wirklich ein Versagen gewesen sein, dachte Stormgren, denn das Echo ging durch alle Zeitalter und spukte in der Kindheit jeder Menschenrasse. Konnte man selbst in funfzig Jahren die Macht all der Mythen und Legenden der Erde uberwinden?

Aber Stormgren wu?te, da? es keinen zweiten Fehlschlag geben wurde.

Wenn die beiden Rassen wieder zusammentrafen, wurden die Overlords das Vertrauen und die Freundschaft der Menschheit gewonnen haben, und nicht einmal der Schock der Begegnung konnte diese Arbeit zunichte machen. Sie wurden zusammen in die Zukunft hineingehen, und die unbekannte Tragodie, die die Vergangenheit verdunkelt haben mu?te, wurde fur immer in den verschlungenen Wegen der vorgeschichtlichen Zeit verloren sein.

Und Stormgren hoffte, da? Karellen, wenn er sich erst frei auf der Erde bewegen konnte, eines Tages zu diesen nordlichen Waldern kommen und am Grabe des ersten Mannes stehen wurde, der je sein Freund gewesen war.

ZWEITER TEIL

Das goldene Zeitalter

1

„Dies ist der Tag!“ flusterten die Radios in Hunderten Sprachen. „Dies ist der Tag“, kundeten die Schlagzeilen von Tausenden Zeitungen. „Dies ist der Tag!“ dachten die Kameraleute, wahrend sie immer wieder ihre Gerate nachsahen, die um den riesigen freien Platz aufgestellt waren, wo Karellens Schiff landen wurde.

Jetzt schwebte nur dieses einzige Schiff uber New York. In der Tat waren, wie die Welt soeben entdeckt hatte, die Schiffe uber den andern Stadten der Menschen nie vorhanden gewesen. Am Tage zuvor hatte sich die gro?e Flotte der Overlords in nichts aufgelost und war verschwunden wie Nebel unter der Morgensonne.

Die Versorgungsschiffe, die fern drau?en im Weltraum kamen und gingen, hatte es wirklich gegeben, die Silberwolken aber, die ein Leben lang uber den Hauptstadten der Erde geschwebt hatten, waren nur Trugbilder. Wie sie zustande gekommen waren, konnte niemand sagen, es schien aber, als sei jedes dieser Schiffe nichts weiter gewesen als eine Spiegelung von Karellens eigenem Schiff. Dennoch war es viel mehr gewesen als nur ein Spiel mit Lichtstrahlen, denn die Radargerate hatten sich ebenfalls tauschen lassen, und es lebten noch jetzt Menschen, die schworen, das Kreischen in den Luften gehort zu haben, als die Flotte sich vom Himmel der Erde naherte.

Es war nicht wichtig. Wichtig war nur, da? Karellen es nicht mehr notwendig fand, diese Machtentfaltung zu zeigen. Er hatte seine psychologischen Waffen beiseite gelegt.

„Das Schiff bewegt sich!“ wurde gerufen, und dieser Ruf drang sogleich in alle Winkel des Planeten. „Es fliegt westwarts.“

Mit weniger als tausend Stundenkilometern bewegte sich das Schiff, das sich langsam aus den leeren Hohen der Stratosphare niedersenkte, zu den gro?en Ebenen und zu seiner zweiten Be gegnung mit der Geschichte. Es landete gehorsam vor den wartenden Kameras und den Tausenden von Zuschauern, von denen sehr wenige so viel sehen konnten wie die Millionen, die um die Fernsehapparate versammelt waren.

Der Boden hatte unter dem gewaltigen Gewicht krachen und zittern mussen, aber das Schiff war noch in der Gewalt der Krafte, die es zwischen den Sternen antrieben. Es beruhrte den Boden so sanft wie eine fallende Schneeflocke. Der geschwungene Rumpf, der zwanzig Meter uber dem Boden war, schien zu glei?en und zu schimmern. Wo eben noch eine glatte Oberflache blinkte, war jetzt eine gro?e Offnung erschienen. Nichts war darin sichtbar, auch nicht fur das suchende Auge der Kameras. Sie war so dunkel wie der Eingang zu einer Hohle.

Aus der Offnung schob sich selbsttatig eine breite, glanzende Landungstreppe heraus und strebte zielbewu?t dem Boden zu. Es schien ein fester Metallstreifen mit Gelandern an beiden Seiten zu sein. Stufen hatte dieser Streifen nicht. Er war so steil und glatt wie eine Rutschbahn, und man hatte es fur unmoglich halten konnen, auf gewohnliche Art hinauf- oder hinabzugelangen.

Die Welt beobachtete die dunkle Offnung, in der sich noch immer nichts bewegte. Dann stromte die selten gehorte, aber unverge?liche Stimme Karellens leise aus irgendeiner verborgenen Quelle. Seine Worte hatten schwerlich unerwarteter sein konnen.

„Am Fu? der Landungstreppe stehen einige Kinder. Ich mochte gern, da? zwei von ihnen heraufkommen, um mich zu begru?en.“

Einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann sturmten ein Junge und ein Madchen aus der Menge nach vorn und gingen wie selbstverstandlich auf die Landungstreppe zu und in die Geschichte ein. Andere folgten, wurden aber aufgehalten, als Karellens Stimme vom Schiff ertonte: „Zwei genugen.“

In eifriger Vorfreude auf das Abenteuer sprangen die etwa sechsjahrigen Kinder auf das metallene Band. Da geschah das erste Wunder.

Wahrend sie der Menge unten und ihren besorgten Eltern munter zuwinkten, die, zu spat, wahrscheinlich an das Marchen vom Rattenfanger erinnert wurden, begannen die Kinder schnell die steile Bahn hinaufzusteigen. Aber ihre Beine bewegten sich nicht, und bald bemerkte man, da? ihre Korper rechtwinkelig auf dem merkwurdigen Steg standen. Er besa? eine eigene Schwerkraft, eine Schwerkraft, die von der Erde unabhangig war. Die Kinder genossen noch dieses neue Erlebnis und zerbrachen sich den Kopf, was sie hinaufzog, als sie schon im Schiff verschwanden.

Ein ungeheures Schweigen lag zwanzig Sekunden lang uber der ganzen Welt, obwohl hinterher niemand glauben konnte, da? die Zeit so kurz gewesen war. Dann schien sich die Dunkelheit der gro?en Offnung vorwartszubewegen, und Karellen trat in das Sonnenlicht hinaus. Der Knabe sa? auf seinem linken Arm, das Madchen auf dem rechten. Sie waren beide viel zu sehr damit beschaftigt, mit Karellens Flugeln zu spielen, um auf die beobachtende Menge zu achten.

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