Das Bild der wirbelnden Feuernebel der Milchstra?e verschwand: Das Licht kehrte in die plotzliche Stille des gro?en Raums zuruck.
Karellen wendete sich zum Gehen; die Konferenz war vorbei.
An der Tur blieb er stehen und blickte auf die stumm gewordene Menge zuruck. „Es ist ein bitterer Gedanke, aber Sie mussen ihm ins Auge sehen. Die Planeten konnen Sie eines Tages besitzen.
Aber die Sterne sind nichts fur den Menschen.“
„Die Sterne sind nichts fur den Menschen.“ Ja, es wurde sie kranken, da? man ihnen die himmlischen Tore vor der Nase zugeschlagen hatte, aber sie mu?ten lernen, der Wahrheit ins Auge zu sehen — soweit man ihnen die Wahrheit aus Barmherzigkeit offenbaren konnte.
Von den einsamen Hohen der Stratosphare blickte Karellen auf die weit und die Menschen nieder, die in seine Hut gegeben waren. Er dachte an alles, was bevorstand, und an das, was diese Welt in kaum einem Jahrzehnt sein wurde.
Sie wurden nie wissen, wie glucklich sie gewesen waren. Eine Generation lang hatte die Menschheit so viel Gluck erreicht, wie nur irgendeine Rasse je besitzen kann. Es war das Goldene Zeitalter gewesen. Aber Gold war auch die Farbe des Sonnenuntergangs, des Herbstes, und nur Karellens Ohren konnten das erste Klagen der Wintersturme horen.
Und nur Karellen wu?te, mit welch unerforschlicher Schnelligkeit das Goldene Zeitalter seinem Ende zusturmte.
DRITTER TEIL
Die letzte Generation
1
„Sieh dir das an!“ fuhr George Greggson auf und schleuderte Jean die Zeitung zu. Das Blatt legte sich, obwohl Jean sich bemuhte, es zu verhindern, mude auf den Fruhstuckstisch. Jean schabte geduldig die Marmelade ab und las die beanstandete Stelle, wobei sie ihr Bestes tat, Mi?billigung zu zeigen. Sie war darin nicht sehr geschickt, weil sie allzu oft mit den Kritikern ubereinstimmte. Gewohnlich behielt sie diese ketzerischen Ansichten fur sich, und nicht nur, um Frieden und Ruhe zu haben. George war durchaus bereit, Lob von ihr — oder irgend jemandem — entgegenzunehmen, aber wenn sie seine Arbeit zu kritisieren wagte, hielt er ihr einen vernichtenden Vortrag uber ihre kunstlerische Unwissenheit. Sie las die Kritik zweimal, dann gab sie es auf. Sie fand sie recht gunstig und au?erte das auch.
„Ihm scheint die Vorstellung doch gefallen zu haben. Woruber brummst du?“
„Hier“, fauchte George und deutete mit dem Finger auf die Mittelspalte. „Lies es nur noch einmal.“
„Besonders wohltuend fur das Auge war das zarte Pastellgrun des Hintergrundes bei den Balletteinlagen. Ja, und?“
„Es war nicht grun. Ich habe viel Zeit darauf verwendet, gerade diese blaue Schattierung herauszubekommen. Und was geschieht? Irgendein verdammter Techniker im Kontrollraum bringt das Farbgleichgewicht durcheinander, oder dieser Idiot von einem Kritiker hat einen farbenblinden Apparat. Was fur eine Farbe hatte es auf unserm Bildschirm?“
„Tja — daran kann ich mich nicht erinnern“, gestand Jean. „Puppi fing gerade an zu schreien, und ich mu?te nachsehen, was mit ihr los war.“
„Oh!“ sagte George und verfiel in eine leise kochende Ruhe. Jean wu?te, da? jeden Augenblick ein neuer Ausbruch zu erwarten war. Als er jedoch erfolgte, war er ziemlich sanft.
„Ich habe eine neue Definition fur das Fernsehen gefunden“, murmelte George duster. „Ich bin der Meinung, da? es ein Mittel ist, die Verbindung zwischen Kunstler und Publikum zu verhindern.“
„Was willst du dagegen tun?“ gab Jean zuruck. „Zum lebenden Theater zuruckkehren?“
„Und warum nicht?“ fragte George. „Genau daran habe ich gedacht. Du erinnerst dich an den Brief, den ich von den NeuAthenern bekommen habe? Sie haben mir wieder geschrieben. Diesmal werde ich antworten.“
„Wirklich?“ sagte Jean, etwas beunruhigt. „Ich denke, sie sind eine Gruppe von Verschrobenen?“
„Nun, das kann man nur auf eine einzige Art und Weise feststellen. Ich werde sie innerhalb der nachsten vierzehn Tage aufsuchen. Ich mu? sagen, da? die Schriften, die sie herausbringen, durchaus vernunftig wirken. Und sie haben einige sehr gute Leute.“
„Wenn du erwartest, da? ich anfangen soll, auf einem Holzfeuer zu kochen oder mich in Felle zu hullen, dann mu?t du.“
„Oh, sei nicht so albern! Diese Erzahlungen sind doch Unsinn. Die Kolonie hat alles, was fur das zivilisierte Leben notwendig ist. Sie glauben nicht an unnotige Kinkerlitzchen, das ist alles. Ubrigens ist es Jahre her, seit ich den Pazifik besucht habe. Es wird fur uns beide ein netter Ausflug sein.“
„Darin bin ich deiner Meinung“, sagte Jean, „aber ich habe nicht die Absicht, unsern Sohn und Puppi zu polynesischen Wilden werden zu lassen.“
„Das wird nicht geschehen“, erwiderte George, „das kann ich dir versprechen.“
Er hatte recht, wenn auch nicht so, wie er es erwartet hatte.
„Wie Sie beim Ausflug bemerkt haben werden“, sagte der kleine Mann auf der andern Seite der Veranda, „besteht die Kolonie aus zwei Inseln, die durch einen Damm verbunden sind. Dies ist Athen, die andere Insel haben wir Sparta getauft. Sie ist ziemlich wild und bergig und wundervoll fur Sport oder Wanderungen geeignet.“
Seine Augen glitten fur einen Moment uber die Gurtellinie seines Besuchers, und George beugte sich auf dem Rohrsessel leicht vor. „Sparta ist ubrigens ein erloschener Vulkan. Wenigstens behaupten die Geologen, da? er erloschen ist, haha!
Aber zuruck zu Athen. Der Gedanke der Kolonie ist, wie Sie wohl erraten haben, eine unabhangige, bestandige kulturelle Gruppe mit eigenen kunstlerischen Traditionen aufzubauen. Ich mochte daraufhinweisen, da? wesentliche Forschungen unternommen wurden, bevor wir dies Unternehmen begonnen haben. Es ist wirklich so etwas wie angewandte Sozialkunde, auf au?erordentlich verwickelten Berechnungen beruhend, die zu verstehen ich mir nicht anma?en wurde. Ich wei? nur, da? die mathematischen Soziologen berechnet haben, wie gro? die Kolonie sein mu?te, wie viele Typen von Menschen sie einschlie?en sollte und vor allem, welche Verfassung sie haben mu?, um langfristig Bestand zu haben.
Wir werden von einem Rat von acht Direktoren regiert, die Produktion, Kraftmittel, Sozialverwaltung, Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft, Sport und Philosophie vertreten. Es gibt keinen standigen Vorsitzenden oder Prasidenten. Dieses Amt wird von jedem der Direktoren der Reihe nach ein Jahr lang ausgeubt.
Unsere jetzige Bevolkerung betragt etwas uber funfzigtausend, also etwas weniger als die gewunschte Hochstzahl. Deshalb sehen wir uns nach Zuwachs um. Und naturlich gibt es gewisse Verluste: Wir sind in bezug auf die spezialisierten Talente noch nicht ganz autark.
Hier auf dieser Insel versuchen wir, etwas von der Unabhangigkeit der Menschheit, ihre kunstlerischen Uberlieferungen, zu retten. Wir empfinden keine Feindschaft gegen die Overlords; wir wollen nur das Recht haben, unsern eigenen Weg zu gehen. Als sie die alten Nationen und die Lebensweise zerstorten, die der Mensch seit Beginn der Geschichte gekannt hat, haben sie mit den schlechten auch viele gute Dinge beseitigt. Die Welt ist jetzt ruhig, ohne charakteristische Merkmale und in kultureller Beziehung tot. Seit die Overlords gekommen sind, ist nichts wirklich Neues geschaffen worden. Die Ursache liegt auf der Hand. Es gibt nichts mehr, wofur man kampfen mu?, und es gibt zu viele Ablenkungen und Zerstreuungen. Sind Sie sich daruber klar, da? taglich etwa funfhundert Stunden Rundfunk und Fernsehen durch die verschie denen Kanale stromen? Wenn Sie nicht schliefen und nichts anderes taten, konnten Sie doch nur weniger als ein Zwanzigstel der Unterhaltung verfolgen, die bei einem Druck auf den Knopf verfugbar ist. Kein Wunder, da? die Menschen gleichgultige Schwamme werden, die alles aufnehmen, aber niemals etwas schaffen. Wu?ten Sie, da? die Menschen jetzt im Durchschnitt drei Stunden taglich fernsehen? Bald werden sie uberhaupt nicht mehr ihr eigenes Leben leben. Es wird eine Vollbeschaftigung sein, die verschiedenen Familienserien im Fernsehen zu verfolgen.