sie sich mit so vorzeitlichen Hilfsmitteln wie Papier und Bleistift begnugen und sogar, so unglaublich es klingt, mit Stenographie.
Man hatte naturlich verschiedentlich versucht, Tonbandgerate einzuschmuggeln. Sie waren erfolgreich wieder hinausgeschmuggelt worden, aber ein einziger Blick auf ihr rauchendes Inneres hatte die Nutzlosigkeit dieses Versuchs gezeigt. Damals hatten alle begriffen, warum sie immer ermahnt worden waren, in ihrem eigenen Interesse Uhren und andere Metallgegenstande nicht mit in den Konferenzraum zu nehmen.
Um die Situation noch ungerechter zu machen, nahm Karellen selbst die ganzen Unterredungen auf Tonband auf. Berichterstatter, die sich der Nachlassigkeit oder gar einer falschen Wiedergabe schuldig machten — obwohl dies sehr selten vorkam — waren zu kurzen und unangenehmen Konferenzen mit Karellens Untergebenen geladen und ersucht worden, aufmerksam der Wiedergabe dessen zuzuhoren, was der Oberkontrolleur wirklich gesagt hatte. Diese Lektion brauchte nie wiederholt zu werden.
Es war seltsam, wie diese Geruchte sich verbreiteten. Es gab keine vorherige Ankundigung, und doch war das Haus immer voll, wenn Karellen eine wichtige Mitteilung zu machen hatte, was durchschnittlich zwei- oder dreimal jahrlich vorkam.
Stille senkte sich uber die murmelnde Menge, als die gro?e Tur sich offnete und Karellen die Tribune betrat. Die Beleuchtung hier war matt, ohne Zweifel dem Licht der weit entfernten Sonne der Overlords ahnlich, so da? der Oberkontrolleur die dunkle Brille abgelegt hatte, die er fur gewohnlich trug, wenn er im Freien war.
Er antwortete auf den Chor der Begru?ungen mit einem formellen: „Guten Morgen allseits“, dann wandte er sich zu der schlanken, vornehmen Gestalt in der vordersten Reihe. Auf den Doyen des Presseklubs, Golde, hatte die Meldung des Dieners gepa?t: Zwei Reporter und ein Gentleman von der „Times“. Er kleidete und benahm sich wie ein Diplomat der alten Schule. Niemand wurde je zogern, ihm zu vertrauen, und niemand hatte es in der Folge je bereut.
„Sehr voll heute, Herr Golde. Wahrscheinlich mangelt es an Neuigkeiten.“
Der Herr von der „Times“ lachelte und rausperte sich. „Ich hoffe, Sie konnen dem abhelfen, Herr Oberkontrolleur.“
Er beobachtete Karellen gespannt, wahrend dieser seine Antwort uberlegte. Es war unangenehm, da? die maskenhaften Gesichter der Overlords keine Spur von Erregung verrieten. Die gro?en, weitgeoffneten Augen, deren Pupillen selbst in diesem matten Licht scharf zusammengezogen waren, starrten unergrundlich in die unverkennbar neugierigen menschlichen Augen. Die doppelten Atmungsoffnungen auf jeder Wange, wenn man die zerfurchten und gekrauselten erstarrten Wolbungen Wangen nennen konnte, gaben ein ganz leises Pfeifen von sich, wenn Karellens vermutliche Lungen in der dunnen Luft der Erde atmeten. Golde konnte genau erkennen, wie der Vorhang von feinen wei?en Haaren hin und her flatterte und sich im Einklang mit Karellens raschem, doppeltwirkendem Atmungskreislauf hielt. Man nahm im allgemeinen an, da? sie Staubfilter waren, und es hatten sich weitschweifige Theorien uber die Atmosphare in der Heimat der Overlords auf diese gebrechlichen Fundamente gestutzt.
„Ja, ich habe einige Neuigkeiten fur Sie. Wie Sie zweifellos wissen, hat eines meiner Versorgungsschiffe kurzlich die Erde verlassen, um zu seinem Stutzpunkt zuruckzukehren. Wir haben soeben entdeckt, da? ein blinder Passagier an Bord war.“
Hundert Bleistifte hielten plotzlich an. Hundert Augenpaare richteten sich auf Karellen.
„Ein blinder Passagier, sagen Sie, Herr Oberkontrolleur?“ fragte Golde. „Durfen wir erfahren, wer es war und wie er an Bord ge kommen ist?“
„Sein Name ist Jan Rodricks. Er ist Student des Maschinenbaus an der Universitat Kapstadt. Weitere Einzelheiten konnen Sie zweifellos durch Ihre eigenen, sehr guten Kanale feststellen.“ Karellen lachelte. Das Lacheln des Oberkontrolleurs war eine seltsame Sache. Der gro?te Teil seiner Wirkung lag tatsachlich in den Augen: Der unbewegliche, lippenlose Mund bewegte sich kaum. War dies wieder eine der menschlichen Gewohnheiten, die Karellen mit so gro?er Geschicklichkeit nachgeahmt hatte? fragte sich Golde. Denn die Gesamtwirkung war zweifellos die eines Lachelns, und man nahm es bereitwillig als solches auf.
„Wie er es angestellt hat“, fuhr der Oberkontrolleur fort, „ist von zweitrangiger Bedeutung. Ich kann Ihnen und allen unternehmungslustigen Astronauten versichern, da? es keine Moglichkeit gibt, diese Heldentat zu wiederholen.“
„Was wird diesem jungen Mann geschehen?“ beharrte Golde. „Wird er zur Erde zuruckgeschickt werden?“
„Das steht au?erhalb meiner Entscheidung, aber ich erwarte, da? er mit dem nachsten Schiff zuruckkommt. Er wurde dort, wohin er gereist ist, die Bedingungen zu — fremd finden, um sich wohl zu fuhlen. Und das bringt mich auf den Hauptzweck unserer heutigen Versammlung.“
Karellen machte eine Pause, und die Stille wurde noch tiefer.
„Unter den jungeren und romantischeren Elementen Ihrer Bevolkerung sind oft Klagen erhoben worden, weil Ihnen der Weltraum verschlossen ist. Wir hatten dabei eine Absicht. Wir erlassen nicht zu unserem Vergnugen Verbote, aber haben Sie je uberlegt, was ein Mann aus Ihrer Steinzeit, wenn Sie mir diesen wenig schmeichelhaften Vergleich verzeihen wollen, empfunden hatte, wenn er plotzlich in eine moderne Stadt versetzt worden ware?“
„Sicherlich“, protestierte die „Herald Tribune“, „gibt es da einen grundlegenden Unterschied. Wir sind an die Wissenschaft gewohnt. In Ihrer Welt gibt es zweifellos viele Dinge, die wir nicht verstehen, aber sie wurden uns nicht wie Zauberei erscheinen.“
„Sind Sie dessen ganz sicher?“ fragte Karellen so leise, da? man seine Worte kaum horen konnte. „Nur hundert Jahre liegen zwischen dem Zeitalter der Elektrizitat und dem Zeitalter des Dampfes, aber was hatte ein Ingenieur der viktorianischen Zeit mit einem Fernsehapparat oder Elektronengehirn angefangen? Und wie lange hatte er leben mussen, wenn er anfinge, ihre Arbeitsweise zu erforschen? Die Kluft zwischen zwei Technologien kann leicht so gro? werden, da? sie — todlich wird.“
(„Hallo“, flusterte „Reuter“ der „BBC“ zu, „wir haben Gluck. Er wird eine gro?e politische Erklarung abgeben. Ich kenne die Anzeichen.“)
„Und es gibt noch andere Grunde, warum wir die menschliche Rasse auf die Erde beschrankt haben. Passen Sie auf!“
Das Licht wurde noch matter und erlosch. Dann bildete sich in der Mitte des Raums eine milchige Masse. Sie formte sich zu einem Wirbel von Sternen, einem Spiralnebel, gesehen von einem Punkt weit au?erhalb seiner au?ersten Sonne.
„Kein menschliches Auge hat bisher jemals dieses Bild gesehen“, ertonte Karellens Stimme aus der Dunkelheit. „Sie sehen Ihr eigenes Universum, die Milchstra?eninsel, der Ihre Sonne angehort, aus einer Entfernung von einer Million Lichtjahren.“
Ein langes Schweigen folgte. Dann fuhr Karellen fort, und jetzt hatte seine Stimme etwas, was nicht ganz Mitleid und nicht geradezu Verachtung war.
„Ihre Rasse hat eine bemerkenswerte Unfahigkeit an den Tag gelegt, mit den Problemen Ihres eigenen, ziemlich kleinen Planeten fertig zu werden. Als wir hierherkamen, waren Sie im Begriff, sich selbst mit den Kraften zu vernichten, die die Wissenschaft Ihnen ubereilt gegeben hatte. Ohne unsere Einmischung ware die Erde heute eine radioaktive Wuste.
Jetzt haben Sie eine friedliche Welt und eine geeinte Rasse. Bald werden Sie zivilisiert genug sein, Ihren Planeten ohne unsern Beistand zu verwalten. Vielleicht konnten Sie unter Umstanden die Probleme eines ganzen Sonnensystems meistern, sagen wir von funfzig Monden und Planeten. Aber bilden Sie sich wirklich ein, da? Sie jemals mit diesem fertig werden konnten?“
Der Nebel dehnte sich aus. Jetzt rasten die einzelnen Sterne vorbei, erschienen und verschwanden so schnell wie Funken eines Schmiedefeuers. Und jeder dieser verganglichen Funken war eine Sonne mit wer wei? wie vielen kreisenden Welten.
„In dieser unserer Milchstra?e“, murmelte Karellen, „gibt es siebenundachtzigtausend Millionen Sonnen. Selbst diese Zahl gibt nur eine schwache Vorstellung von der Unerme?lichkeit des Weltraums. Wollten Sie diesen Versuch machen, waren Sie wie Ameisen, die alle Sandkorner in allen Wusten der Welt verzeichnen und klassifizieren wollten.
Ihre Rasse kann auf ihrer jetzigen Entwicklungsstufe diese ungeheure Aufgabe nicht meistern. Eine meiner Pflichten war es, Sie gegen die Machte und Krafte zu schutzen, die zwischen den Sternen liegen, Krafte jenseits von allem, was Sie sich uberhaupt vorstellen konnen.“