Der andere hielt ein Fernschreiben in der Hand und sah sehr erfreut aus. „Gute Nachricht, Herr Professor. Man ehrt uns. Der Oberkontrolleur mochte selbst herkommen und sich unser Werk ansehen, ehe es verfrachtet wird. Denken Sie nur, was das fur eine Reklame fur uns ist! Das wird uns sehr nutzen, wenn wir neue Zuwendungen beantragen. Ich hatte auf so etwas gehofft.“

Professor Sullivan schluckte heftig. Er hatte nichts gegen Reklame, aber diesmal furchtete er, es konne zuviel des Guten werden.

Karellen stand neben dem Kopf des Wals und blickte zu dem gro?en, plumpen Maul und den mit Elfenbeinzahnen besetzten Kiefern auf. Sullivan, der sein Unbehagen verbarg, fragte sich, was der Oberkontrolleur wohl denken mochte. Sein Verhalten hatte auf keinen Argwohn schlie?en lassen, und der Besuch war leicht als ganz normal zu erklaren. Aber Sullivan wurde froh sein, wenn er vorbei ware.

„Wir haben nicht so gro?e Geschopfe wie diese auf unserem Planeten“, sagte Karellen. „Das ist einer der Grunde, warum wir Sie gebeten haben, diese Gruppe zu schaffen. Meine — hm — Landsleute werden sie sehr aufregend finden.“

„Ich nahm an“, erwiderte Sullivan, „da? Sie bei Ihrer niedrigen Schwerkraft einige sehr gro?e Tiere hatten. Sehen Sie doch, wieviel gro?er Sie sind als wir!“

„Ja, aber wir haben keine Ozeane. Und wenn es um die Gro?e geht, kann das Land nie mit dem Meer wetteifern.“

Das war durchaus richtig, dachte Sullivan. Und soviel er wu?te, war dies eine bisher unbekannte Tatsache uber die Welt der Overlords. Das wurde den verwunschten Jan sehr interessieren.

In diesem Augenblick sa? der junge Mann in einer einen Kilometer entfernten Baracke und beobachtete besorgt durch ein Fernglas die Besichtigung. Er sagte sich, da? nichts zu furchten sei. Auch bei noch so eingehender Besichtigung des Wals konnte dessen Geheimnis nicht entdeckt werden. Aber es gab immerhin die Moglichkeit, da? Karellen irgend etwas ahnte — und mit ihnen spielte.

Dieser Verdacht steigerte sich bei Sullivan, als der Oberkontrolleur in den hohlenartigen Rachen des Wals blickte.

,In Ihrer Bibel“, sagte Karellen, „steht eine bemerkenswerte Geschichte von einem hebraischen Propheten, einem gewissen Jonas, der von einem Walfisch verschluckt und wohlbehalten an Land getragen wurde, nachdem er von einem Schiff ins Meer geworfen worden war. Glauben Sie, da? eine solche Sage auf Tatsachen beruhen konnte?“

„Ich glaube“, erwiderte Sullivan vorsichtig, „da? es wirklich einmal vorgekommen sein kann, da? ein Walfischfanger verschluckt und dann, ohne Schaden genommen zu haben, wieder ausgespien wurde. Naturlich, wenn er langer als einige Sekunden in dem Wal gewesen ware, wurde er erstickt sein. Und er mu? gro?es Gluck gehabt haben, da? er nicht von den Zahnen erfa?t wurde. Es ist eine fast unglaubliche Geschichte, aber nicht ganz unmoglich.“

„Sehr interessant“, sagte Karellen. Er blickte noch einen Augenblick auf den riesigen Kiefer, dann trat er zu dem Polypen, um ihn ebenfalls zu besichtigen. Sullivan hoffte, da? Karellen seinen Seufzer der Erleichterung nicht horte.

„Wenn ich gewu?t hatte, was ich durchmachen mu?te“, sagte Professor Sullivan, „hatte ich Sie aus meinem Buro hinausgeworfen, sobald Sie den Versuch machten, mich mit Ihrem Wahnsinn anzustecken.“

„Es tut mir leid“, erwiderte Jan, „aber wir sind ja glucklich davongekommen.“

„Ich hoffe es. Jedenfalls alles Gute! Wenn Sie sich anders besinnen wollen, so haben Sie ja noch wenigstens sechs Stunden Zeit.“

„Ich brauche sie nicht. Nur Karellen kann mich jetzt aufhalten. Ich danke Ihnen fur alles, was Sie getan haben. Wenn ich je zuruckkomme und ein Buch uber die Overlords schreibe, werde ich es Ihnen widmen.“

„Das wird mir viel nutzen“, brummte Sullivan. „Dann bin ich schon viele Jahre tot.“ Zu seiner Uberraschung und leisen Besturzung, denn er war kein sentimentaler Mann, bemerkte er, da? dieser Abschied ihm naheging. Er hatte Jan in den Wochen, da sie zusammen Plane schmiedeten, liebgewonnen. Uberdies hatte er angefangen zu furchten, da? er vielleicht Hilfestellung fur einen komplizierten Selbstmord leistete.

Er hielt die Leiter, als Jan in das gro?e Maul hineinkletterte, wobei er sorgfaltig eine Beruhrung der Zahnreihen vermied Im Licht der Taschenlampe sah Sullivan, wie Jan sich umdrehte und winkte, ehe er in der Hohle verschwand. Man horte das Gerausch der sich offnenden und wieder schlie?enden Luftschleuse, und danach herrschte Stille.

Im Mondlicht, das den erstarrten Kampf in ein Bild aus einem Alptraum verwandelte, kehrte Professor Sullivan in sein Buro zuruck. Er uberlegte, was er getan hatte und wohin es fuhren konnte. Aber das wurde er naturlich nie erfahren. Jan wurde vielleicht eines Tages wieder hier uber diesen Boden gehen, nachdem er nicht mehr als ein paar Monate seines Lebens dafur hingegeben hatte, zur Heimat der Overlords zu reisen und wieder zur Erde zuruckzukehren. Gleichviel, falls er dies tat, wurde es jenseits der unuberschreitbaren Zeitgrenze sein, denn es ware erst in achtzig Jahren.

Die Lichter in dem kleinen Metallzylinder flammten auf, sobald Jan die Innentur der Luftschleuse geschlossen hatte. Er lie? sich keine Zeit zum Uberlegen, sondern machte sich sofort an die routinema?ige Kontrolle, die er bereits in allen Einzelheiten ausgearbeitet hatte. Alle Vorrate und Bedarfsgegenstande waren schon vor Tagen verladen worden, aber die endgultige Kontrolle wurde ihn in die richtige Verfassung versetzen, indem sie ihm die Gewi?heit gab, da? nichts ungetan geblieben war.

Eine Stunde spater war er davon uberzeugt. Er legte sich auf das Schaumgummilager und uberdachte nochmals sein Vorhaben. Das einzige Gerausch war das leise Surren der elektrischen Kalenderuhr, die ihm mitteilen wurde, wenn die Reise sich ihrem Ende naherte.

Er wu?te, da? er erwarten konnte, hier in seiner Zelle nichts zu spuren, denn die gewaltigen Krafte, die die Schiffe der Overlords antrieben, mu?ten vollig ausgeglichen sein. Sullivan hatte das festgestellt, indem er darauf verwies, da? sein Werk zusammenfiele, wenn es auch nur ganz wenigen Gravitaten ausgesetzt wurde. Seine „Kunden“ hatten ihm versichert, da? in dieser Hinsicht keine Gefahr bestehe.

Es wurde jedoch eine erhebliche Veranderung des Luftdrucks eintreten. Das war unwichtig, da die hohlen Modelle durch mehrere Offnungen „atmen“ konnten. Bevor Jan seine Zelle verlie?, mu?te er den Luftdruck ausgleichen, denn er hatte angenommen, da? die Luft im Overlord-Schiff fur ihn nicht zu atmen sei. Eine einfache Sauerstoffmaske wurde dem abhelfen; es waren keine gro?en Vorkehrungen notig. Wenn er ohne technische Hilfe atmen konnte, um so besser!

Es hatte keinen Sinn, langer zu warten: Es wurde nur seine Nerven beunruhigen. Er holte die kleine Spritze heraus, die bereits mit der sorgfaltig vorbereiteten Losung gefullt war. Narkosamin war bei Erforschung des Winterschlafs der Tiere entdeckt worden: Man konnte nicht sagen, da? es, wie vielfach angenommen wurde, das Leben suspendieren konne. Es hatte keine weiteren Wirkungen, als die Lebensvorgange sehr zu verlangsamen, jedoch so, da? der Stoffwechsel in vermindertem Ma?e noch erhalten blieb. Es war, als hatte jemand das Feuer des Lebens zugeschuttet, so da? es unter der Asche noch glimmte. Aber wenn nach Wochen oder Monaten die Wirkung des Mittels nachlie?, so flammte das Leben auf, und der Schlafer kam wieder zu sich. Narkosamin war vollig sicher. Die Natur hatte es seit Jahrmillionen benutzt, um viele ihrer Kinder vor dem nahrungslosen Winter zu schutzen.

Jan schlief also. Er spurte nicht den Ruck der Kabel, als das riesige Metallgerust in den Laderaum des Transportschiffs der Overlords gehoben wurde. Er horte nicht, wie sich die Schleusentore schlossen, um sich erst nach dreihundert Millionen mal Millionen Kilometern wieder zu offnen. Er horte 127

Millionen Kilometern wieder zu offnen. Er horte nicht, fern und schwach durch die machtigen Wande, das protestierende Kreischen der Erdatmosphare, als das Schiff rasch zu seinem naturlichen Element emporstieg.

Und er spurte nicht, wie die Fahrt verlief.

10

Der Konferenzraum war bei diesen wochentlichen Versammlungen immer gefullt, aber heute war er so gedrangt voll, da? die Reporter kaum Platz zum Schreiben hatten. Zum hundertstenmal murrten sie untereinander uber Karellens konservative Art und seinen Mangel an Rucksicht. Uberall in der Welt hatten sie Fernsehkameras, Tonbandgerate und alle andern Werkzeuge ihres hochtechnisierten Berufs mitbringen konnen, aber hier mu?ten

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