einzelnen Wale an der Stimme erkennen, obwohl ich das kaum glauben kann. Hallo, wir haben Gesellschaft bekommen!“
Ein Fisch mit unglaublich hervorstehenden Kiefern wurde auf dem Bildschirm sichtbar. Er schien ziemlich gro? zu sein, aber da Jan den Ma?stab des Bildes nicht kannte, konnte er es schwer beurteilen. Von einer Stelle dicht unter den Kiemen hing eine lange Ranke herunter, die in einem nicht zu bestimmenden glockenformigen Organ endete.
„Wir sehen es im Infrarot“, sagte der Pilot. „Wir wollen uns das normale Bild ansehen.“
Der Fisch verschwand vollig. Nur das Gehange blieb sichtbar, da es mit seiner eigenen Leuchtkraft schimmerte. Dann konnte man fur einen Augenblick die Gestalt des Geschopfes sehen, als eine Lichtpunktreihe seinen Korper entlangglitt.
„Es ist ein Seeteufel: Die Lichter sind der Koder, den er benutzt, um andere Fische zu fangen. Phantastisch, nicht wahr? Was ich nicht verstehe: Warum lockt sein Koder nicht Fische an, die gro? genug sind, ihn zu fressen? Aber wir konnen hier nicht den ganzen Tag warten. Passen Sie auf, wie er davonrast, wenn ich die Dusen anstelle.“
Wieder erzitterte die Kabine, als das Schiff sich langsam in Bewegung setzte. Der gro?e, leuchtende Fisch lie? plotzlich all seine Lichter aufzucken, wie zu einem heftigen Alarmsignal, und scho? wie ein Meteor in die Finsternis der Tiefe hinein.
Nach weiteren zwanzig Minuten langsamen Abstiegs ertasteten die unsichtbaren Finger der Suchstrahlen die erste Spur des Meeresgrundes. Weit unten in der Tiefe glitt eine Reihe von niedrigen Hugeln mit seltsam sanften und gerundeten Umrissen vorbei. Die Unregelma?igkeiten, die sie vielleicht einstmals besessen haben mochten, waren langst durch den unaufhorlichen Regen aus den wasserigen Hohen uber ihnen ausgeloscht worden. Selbst hier, mitten im Pazifik, fern von den gro?en Flu?mundungen, die langsam die Kontinente ins Meer hinausschwemmten, horte dieser Regen niemals auf. Er kam von den sturmgepeitschten Hangen der Anden, von den Korpern der Milliarden von Lebewesen, vom Staub der Meteore, die lange Zeit durch den Raum gewandert und endlich zur Ruhe gekommen waren. Hier in der ewigen Nacht bildete dieser Regen die Fundamente der kunftigen Lander.
Die Hugel blieben hinter ihnen zuruck. Sie waren, wie Jan auf den Karten sehen konnte, die Grenzposten einer weiten Ebene, die in zu gro?er Tiefe lag, als da? die Suchstrahlen sie erreichen konnten.
Das Unterseeboot setzte seinen langsamen Abstieg fort. Jetzt begann sich ein anderes Bild auf dem Schirm zu formen: Wegen des Blickwinkels dauerte es einige Zeit, bis Jan erkennen konnte, was er sah. Dann merkte er, da? sie sich einem Unterwasserberg naherten, der von der verborgenen Ebene aufstieg.
Das Bild war jetzt deutlicher: In dieser kurzen Entfernung verbesserte sich die Arbeit der Suchstrahlen, und das Bild wurde fast so klar, als wurde es von Lichtwellen geformt. Jan konnte Einzelheiten sehen, konnte die seltsamen Fische beobachten, die einander zwischen den Felsen verfolgten. Einmal schwamm ein bosartig aussehendes Geschopf mit aufgesperrten Kiefern langsam uber eine halbverborgene Kluft. So rasch, da? das Auge der Bewegung nicht folgen konnte, schnellte ein langer Fuhler heraus und zog den sich wehrenden Fisch in sein Verhangnis.
8
„Jetzt sind wir fast am Ziel“, sagte der Pilot. „In einer Minute werden Sie das Laboratorium sehen konnen.“
Sie glitten langsam uber eine Felsenkette dahin, die sich am Fu? des Berges erhob. Jetzt wurde die darunterliegende Ebene sichtbar. Jan erriet, da? sie sich nicht mehr als einige hundert Meter uber dem Meeresgrund befanden. Dann sah er, etwa einen Kilometer entfernt, eine Gruppe von Kugeln, die auf Dreifu?en standen und durch verbindende Rohren vereinigt waren. Es sah genau aus wie die Tanks irgendeiner chemischen Fabrik und war in der Tat nach den gleichen Grundprinzipien erbaut. Der einzige Unterschied war, da? hier der Druck, dem Widerstand geleistet werden mu?te, au?en lag, nicht innen.
„Was ist das?“ sagte Jan plotzlich erschrocken. Er deutete mit zitternden Fingern auf die nachste Kugel. Das sonderbare Linienmuster auf ihrer Oberflache hatte sich in ein Netz von riesigen Fangarmen aufgelost. Als das Unterseeboot naher herankam, konnte er sehen, da? sie in einem gro?en schwammigen Sack endeten, aus dem zwei ungeheure Augen herausspahten.
„Das“, sagte der Pilot gleichmutig, „ist wahrscheinlich Luzifer. Jemand hat ihn wieder gefuttert.“ Er drehte an einem Schalter und beugte sich uber den Schalttisch. „S 2 ruft Labor. Ich komme. Nehmt euer Haustier weg!“
Die Antwort ertonte unmittelbar. „Labor an S 2. Alles in Ordnung. Kommt nur. Lucy macht euch Platz.“
Die gerundeten Metallwande begannen den Bildschirm zu fullen. Jan fing noch ein letztes Bild von einem riesigen, mit Saugnapfen besetzten Arm auf, der bei ihrem Naherkommen weggezogen wurde. Dann gab es einen dumpfen Aufprall und eine Reihe kratzender Gerausche, als die Klammern nach ihren Haltepunkten auf dem glatten, ovalen Rumpf des Unterseebootes suchten, In wenigen Minuten war das Schiff dicht gegen die Wand des Stutzpunktes gepre?t, die beiden Eintrittspforten waren zusammengeschlossen worden und bewegten den Rumpf des Unterseeboots weiter vorwarts bis an das Ende einer riesigen hohlen Schraube. Dann kam das Signal, da? der Druck ausgeglichen sei, die Klammern wurden gelost und der Weg in das Tiefseelaboratorium Nummer Eins stand offen.
Jan fand Professor Sullivan in einem kleinen, unordentlichen Raum, der als Buro, Werkstatt und Laboratorium zugleich zu dienen schien. Der Forscher spahte durch ein Mikroskop in etwas hinein, was wie eine kleine Bombe aussah. Wahrscheinlich war es eine Druckkapsel, die irgendein Tiefseelebewesen enthielt, das noch glucklich unter seinem normalen Quadratzentimetertonnengewicht umherschwamm.
„Nun“, sagte Sullivan und blickte von dem Okular auf, „wie geht es Rupert? Und was konnen wir fur Sie tun?“
„Rupert geht es gut“, erwiderte Jan. „Er la?t bestens gru?en und sagt, er wurde Sie gern besuchen, wenn er nicht furchtete, hier an Platzangst zu erkranken.“
„Dann wurde er sich hier unten etwas unglucklich fuhlen, wenn funftausend Meter Wasser uber ihm sind. Macht es Ihnen ubrigens nichts aus?“
Jan zuckte die Schultern. „Nicht mehr, als wenn ich in einem Stratospharenflugzeug bin. Wenn irgend etwas schiefginge, ware das Ergebnis in beiden Fallen das gleiche.“
„Das ist ein vernunftiger Standpunkt, aber es ist erstaunlich, wie wenige Menschen es so ansehen.“ Sullivan spielte an den Schaltern seines Mikroskopes, dann warf er Jan einen forschenden Blick zu.
„Es wird mir eine gro?e Freude sein, Sie herumzufuhren“, sagte er, „aber ich mu? gestehen: Ich war etwas uberrascht, als Rupert mir Ihre Bitte vortrug. Ich konnte nicht begreifen, warum einer von euch Weltraumfahrern sich fur unsere Arbeit interessieren sollte. Gehen Sie nicht nach der falschen Richtung?“ Er lachte belustigt. „Personlich habe ich nie begriffen, warum Sie es so eilig hatten, in den Weltraum hinauszukommen. Es wird noch Jahrhunderte dauern, bis wir in den Ozeanen alles fein sauberlich aufgezeichnet und rubriziert haben.“
Jan holte tief Luft. Er war froh, da? Sullivan das Thema selbst angeschnitten hatte, denn dadurch wurde seine Aufgabe sehr erleichtert. Trotz jenes Witzes hatten der Fisch forscher und er vieles gemeinsam. Es durfte nicht zu schwierig sein, eine Brucke zu bauen und sich Sullivans Anteilnahme und Hilfe zu sichern. Sullivan war ein phantasievoller Mann, sonst ware er nie in diese Unterwasserwelt eingedrungen. Aber Jan wurde vorsichtig sein mussen, denn die Bitte, die er vorbringen wollte, war, gelinde gesagt, etwas unublich.
Aber ein Umstand beruhigte ihn. Selbst wenn Sullivan sich weigern sollte, gemeinsame Sache mit ihm zu machen, so wurde er doch sicherlich Jans Geheimnis wahren. Und hier in diesem stillen kleinen Buro auf dem Grunde des Pazifiks schien keine Gefahr zu bestehen, da? die Overlords, so seltsame Krafte sie auch besitzen mochten, ihrer Unterhaltung zuhoren konnten.
„Professor Sullivan“, begann er, „wenn Sie sich fur den Ozean interessieren, die Overlords Ihnen aber verboten, sich ihm zu nahern — was fur ein Gefuhl wurden Sie dann haben?“
„Ich wurde zweifellos au?erst argerlich sein.“
„Davon bin ich uberzeugt. Und angenommen, Sie hatten eines Tages eine Moglichkeit, Ihr Ziel zu erreichen, ohne da? die Overlords es wu?ten — was wurden Sie dann tun? Wurden Sie die Gelegenheit ergreifen?“