„Naturlich. Und ich wurde spater dafur eintreten.“
Nun habe ich ihn in der Hand, dachte Jan. Jetzt kann er nicht zuruck — falls er nicht vor den Overlords Angst hat. Und ich bezweifle, da? Sullivan vor irgend etwas Angst hat. Jan beugte sich uber den hochbeladenen Tisch und schickte sich an, seinen Fall vorzutragen.
Professor Sullivan war kein Narr. Ehe Jan sprechen konnte, schurzten sich seine Lippen zu einem sarkastischen Lacheln. „Also darauf lauft es hinaus?“ sagte er langsam. „Sehr, sehr interessant! Jetzt schie?en Sie los und sagen Sie mir, wobei ich Ihnen helfen soll.“
Ein fruheres Zeitalter hatte die Arbeiten Professor Sullivans als kostspieligen Luxus angesehen. Seine Arbeiten kosteten so viel wie ein kleiner Krieg. Tatsachlich konnte er mit einem General verglichen werden, der einen standigen Kampf gegen einen nie zuruckweichenden Feind fuhrt. Professor Sullivans Feind war die See, und sie bekampfte ihn mit den Waffen der Kalte, der Finsternis und vor allem des Drucks. Er seinerseits trat seinem Gegner mit Klugheit und technischer Geschicklichkeit entgegen. Er hatte viele Siege errungen, aber die See war geduldig. Sie konnte warten. Eines Tages, das wu?te Sullivan, wurde er einen Fehler machen. Wenigstens hatte er den Trost, zu wissen, da? er nie ertrinken konnte, dazu wurde es viel zu schnell gehen.
Er hatte sich, als Jan seine Bitte vortrug, geweigert, sich sogleich nach irgendeiner Seite festzulegen, aber er wu?te, wie seine Antwort sein wurde. Hier bot sich die Gelegenheit zu einem hochst interessanten Experiment. Schade, da? er das Ergebnis nie erfahren wurde; jedoch das kam in der wissenschaftlichen Forschung oft genug vor, und er selber hatte andere Vorhaben in Angriff genommen, deren Durchfuhrung Jahrzehnte erfordern wurde.
Professor Sullivan war ein tapferer und ein intelligenter Mann, aber wenn er auf seine Laufbahn zuruckblickte, war er sich bewu?t, da? sie ihm nicht den Ruhm gebracht hatte, der den Namen eines Gelehrten durch die Jahrhunderte tragt. Hier bot sich eine vollig unerwartete und dadurch nur um so reizvollere Gelegenheit, wirklich in die Bucher der Geschichte einzugehen. Diesen Ehrgeiz hatte er nie irgendeinem Menschen eingestanden, aber, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Er hatte Jan auch geholfen, selbst wenn seine Rolle bei dem Unternehmen fur immer unbekannt bleiben wurde.
Jan mu?te jetzt alles noch reiflich durchdenken. Der Schwung seiner ursprunglichen Entdeckung hatte ihn ohne Anstrengung bis hierher gebracht. Er hatte seine Nachforschungen angestellt, hatte aber keine ernsthaften Schritte unternommen, um seinen Traum zu verwirklichen. In wenigen Tagen jedoch mu?te er seine Wahl treffen. Wenn Professor Sullivan sich zur Mitarbeit erklarte, so konnte Jan nicht mehr zuruck. Er mu?te der Zukunft, die er gewahlt hatte, mit all ihren Folgen ins Auge blicken.
Was schlie?lich die Entscheidung brachte, war der Gedanke, da? er es sich nie verzeihen wurde, wenn er diese unglaubliche Gelegenheit vorbeigehen lie?e. Sein ganzes ubriges Leben wurde in vergeblichem Bedauern verbracht werden, und nichts konnte schlimmer sein als das.
Sullivans Antwort erreichte ihn wenige Stunden spater, und Jan wu?te, da? die Wurfel gefallen waren. Langsam, da er noch viel Zeit hatte, begann er seine Angelegenheiten zu ordnen.
„Liebe Maja“, begann der Brief, „dies wird, gelinde ausgedruckt, eine Uberraschung fur Dich sein. Wenn Du diesen Brief bekommst, bin ich nicht mehr auf der Erde. Damit meine ich nicht, da? ich zum Mond gegangen bin, wie viele andere. Nein, ich bin auf dem Wege zur Heimat der Overlords. Ich werde der erste Mensch sein, der je das Sonnensystem verlassen hat.
Ich ubergebe diesen Brief dem Freunde, der mir hilft: Er wird ihn behalten, bis er wei?, da? mein Plan gegluckt ist, wenigstens in seinem ersten Teil, und da? es fur die Overlords zu spat ist, ihn zu verhindern. Ich werde so weit entfernt sein und so schnell reisen, da? ich bezweifle, ob irgendeine Ruckberufungsnachricht mich einholen konnte. Selbst wenn das der Fall ware, ist es hochst unwahrscheinlich, da? das Schiff zur Erde zuruckzukehren vermochte. Und ich bezweifle sehr, da? ich uberhaupt so wichtig bin.
Zuerst will ich erklaren, wie dies alles gekommen ist. Du wei?t, da? ich mich stets fur Weltraumfluge interessiert habe, und ich war immer enttauscht, weil man uns nie erlaubt hat, zu den anderen Planeten zu reisen oder irgend etwas uber die Zivilisation der Overlords zu erfahren. Wenn sie sich nie eingemischt hatten, so waren wir jetzt sicherlich schon zum Mars und zur Venus gekommen. Ich gebe zu, da? es ebenso wahrscheinlich ist, da? wir uns mit Kobaltbomben und den anderen Massenzerstorungswaffen, die das zwanzigste Jahrhundert entwickelte, selbst vernichtet hatten. Aber manchmal wunsche ich doch, wir hatten eine Moglichkeit gehabt, auf unseren eigenen Fu?en zu stehen.
Wahrscheinlich haben die Overlords ihre Grunde dafur gehabt, uns nicht aus der Kinderstube herauszulassen, und wahrscheinlich sind es ausgezeichnete Grunde gewesen. Aber selbst wenn ich wu?te, aus welchem Grunde es geschah, bezweifle ich, da? es meine Gefuhle oder Taten wesentlich verandern wurde.
In Wirklichkeit hat es damals auf Ruperts Gesellschaft begonnen. Er wei? ubrigens nichts hiervon, obwohl er mich auf die richtige Spur gebracht hat. Du erinnerst Dich an die alberne Seance, die er veranstaltete, und wie sie endete, als die Dame — ich habe ihren Namen vergessen — ohnmachtig wurde? Ich hatte gefragt, von welchem Stern die Overlords gekommen seien, und die Antwort war ›NGS 549 672‹. Ich hatte keine Antwort erwartet und bis dahin die ganze Sache als Spa? angesehen. Aber als ich feststellte, da? dies eine Nummer in einem Sternkatalog war, beschlo? ich, die Sache genauer zu untersuchen. Ich entdeckte, da? der Stern sich im Sternbild Carina befindet, und einige der wenigen Tatsachen, die wir uber die Overlords wissen, ist, da? sie aus jener Richtung kommen.
Ich will nun nicht behaupten, da? ich begreife, wie diese Auskunft zu uns gekommen ist oder woher sie stammte. Hat irgend jemand Raschaveraks Gedanken gelesen? Selbst wenn das der Fall gewesen ware, ist es kaum wahrscheinlich, da? Raschaverak die Nummer seiner Sonne in einem unserer Kataloge kannte. Es ist ein volliges Ratsel, und ich uberlasse die Losung Leuten wie Rupert, wenn sie dazu fahig sind. Mir genugt es, mich der Auskunft zu bedienen und entsprechend zu handeln.
Wir wissen jetzt durch unsere Beobachtung ihrer Abfluge einiges uber die Schnelligkeit der Schiffe der Overlords. Sie verlassen das Sonnensystem mit so ungeheurer Beschleunigung, da? sie in weniger als einer Stunde die Lichtgeschwindigkeit erreichen. Das bedeutet, da? die Overlords irgendein Antriebsmittel besitzen mussen, das auf jedes Atom ihrer Schiffe gleichma?ig wirkt, weil sonst alles an Bord sofort zertrummert wurde. Ich frage mich, warum sie eine so ungeheure Schnelligkeit anwenden, da sie doch den ganzen Weltraum zur Verfugung haben und sich Zeit lassen konnten, ihre Schnelligkeit allmahlich zu steigern. Meine Theorie ist, da? sie irgendwie die Kraftfelder der Sterne ausnutzen konnen, und deshalb starten und stoppen mussen, wenn sie nahe bei einer Sonne sind. Aber das alles ist nur nebensachlich.
Wichtig war fur mich, zu wissen, wie weit sie reisen mussen und wie lange die Reise dauert. NGS 549.672 ist vierzig Lichtjahre von der Erde entfernt. Die Schiffe der Overlords erreichen mehr als 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit, so da? die Fahrt vierzig Jahre unserer Zeit dauern mu?. Unserer Zeit, das ist das Verzwickte an der Sache.
Wie Du vielleicht gehort hast, geschehen sonderbare Dinge, wenn man sich der Lichtgeschwindigkeit nahert. Die Zeit selbst beginnt in einem anderen Tempo zu vergehen, sich zu verlangsamen, so da? Monate auf der Erde auf den Schiffen der Overlords nur wie Tage sein wurden. Diese Wahrheit steht fest: Sie wurde von dem gro?en Einstein vor mehr als hundert Jahren entdeckt.
Ich habe Berechnungen angestellt und die wohlbegrundeten Ergebnisse der Relativitatstheorie benutzt. Fur die Passagiere eines der Overlord-Schiffe dauert die Reise zum NGS 549.672 nicht langer als zwei Monate, wenn auch nach unseren irdischen Begriffen vierzig Jahre vergehen werden. Ich wei?, da? dies paradox klingt, und wenn es Dir ein Trost ist, kann ich Dir sagen, da? es die besten Kopfe der Welt beschaftigt hat, seit Einstein es verkundete.
Vielleicht zeigt Dir dieses Beispiel, was fur Dinge geschehen konnen, und es wird Dir ein klareres Bild von der Situation geben. Wenn die Overlords mich sofort zur Erde zuruckschicken, so werde ich daheim nur um vier Monate alter geworden ankommen. Aber auf der Erde selbst werden achtzig Jahre vergangen sein. Du verstehst also, Maja: Was auch geschieht, dies ist ein Lebewohl.
Ich habe hier wenig, was mich bindet, was Du ja wei?t; ich kann also mit ruhigem Gewissen gehen. Ich habe es unserer Mutter noch nicht gesagt, sie wurde sich schrecklich aufregen, und das konnte ich nicht mit ansehen. Es ist besser so. Obwohl ich versucht habe, seit dem Tode unseres Vaters Nachsicht zu uben — nun, es hat keinen Sinn, uber das alles jetzt wieder zu reden.
Alles ist geregelt, und Du brauchst Dir uber nichts Sorgen zu machen.
Vielleicht haltst Du mich fur narrisch, da es unmoglich erscheint, da? irgend jemand eines der Schiffe der Overlords betreten kann. Aber ich habe einen Weg gefunden. Er bietet sich nicht sehr oft und nach diesem Vorfall