vielleicht nie wieder, denn ich bin uberzeugt, da? Karellen den gleichen Fehler nie zweimal macht. Kennst Du die Sage von dem holzernen Pferd, das die griechischen Soldaten in die Stadt Troja brachte? Aber es gibt im Alten Testament eine Erzahlung, die der Sache noch naher kommt.“
„Sie werden es sicherlich viel bequemer haben als Jonas“, sagte Sullivan. „Man hat nie gehort, da? er elektrisches Licht und sanitare Anlagen zur Verfugung hatte. Aber Sie werden eine, Menge Vorrate brauchen, und ich sehe, da? Sie Sauerstoff mitnehmen. Konnen Sie fur eine zweimonatige Reise in so kleinem Raum genugend mitnehmen?“
Er deutete mit dem Finger auf die sorgfaltigen Zeichnungen, die Jan auf den Tisch gelegt hatte. Das Mikroskop diente an dem einen Ende als Briefbeschwerer, der Schadel irgendeines unwahrscheinlichen Fisches hielt das andere Ende fest.
„Ich hoffe, der Sauerstoff wird nicht notig sein“, sagte Jan. „Wir wissen, da? sie unsere Atmosphare atmen konnen, aber sie scheinen sie nicht gerade zu lieben, und ich bin vielleicht nicht imstande, mit der ihren zurechtzukommen. Was die Nahrung betrifft, so wird diese Frage dadurch gelost, da? ich Narkosamin nehme. Das ist vollig sicher. Wenn wir unterwegs sind, gebe ich mir eine Spritze, die mich fur sechs Wochen und ein paar Tage bewu?tlos macht, also fast bis zu meiner Ankunft dort. Ubrigens betraf meine Sorge weniger die Nahrung und den Sauerstoff als vielmehr die Langeweile.“
Professor Sullivan nickte nachdenklich. „Ja, Narkosamin ist eine sichere Sache und kann sehr genau dosiert werden. Aber sorgen Sie dafur, da? Sie viel Nahrung bereit haben — Sie werden hei?hungrig sein, wenn Sie erwachen, und so schwach wie ein Katzchen. Wenn Sie nun verhungern mussen, weil Sie nicht die Kraft haben, einen Dosenoffner zu benutzen?“
„Daran habe ich gedacht“, sagte Jan etwas gekrankt. „Ich werde mich auf ubliche Weise durch Traubenzucker und Schokolade wieder zu Kraften bringen.“
„Gut. Ich freue mich, da? Sie alles grundlich uberlegt haben und es nicht als einen besseren Jux ansehen, aus dem Sie wieder aussteigen konnen, wenn Ihnen nicht alles pa?t. Es ist Ihr Leben, mit dem Sie spielen, aber mir ware es schrecklich, wenn ich das Gefuhl haben mu?te, da? ich Ihnen half, Selbstmord zu begehen.“
Er ergriff den Fischschadel und wog ihn gedankenlos in der Hand. Jan hielt den Plan fest, damit er sich nicht zusammenrollte.
„Glucklicherweise“, fuhr Professor Sullivan fort, „ist die Ausrustung, die Sie brauchen, durchaus normal, und unsere Werkstatt kann sie in wenigen Wochen zusammenstellen. Und wenn Sie doch noch Ihren Entschlu? andern sollten.“
„Das werde ich nicht tun“, sagte Jan.
„Ich habe alle Gefahren, denen ich mich aussetze, erwogen, und der Plan scheint keinen Fehler zu haben. Nach sechs Wochen melde ich mich wie irgendein blinder Passagier. Dann wird — nach meiner Zeit gerechnet — die Reise fast beendet sein. Wir werden im Begriff stehen, auf der Welt der Overlords zu landen. Was dann geschieht, liegt naturlich in ihrer Hand. Wahrscheinlich werde ich mit dem nachsten Schiff nach Hause zuruckgeschickt, aber immerhin kann ich erwarten, wenigstens einiges zu sehen. Ich nehme eine Vier-Millimeter- Kamera und ein paar tausend Meter Film mit. Es wird nicht meine Schuld sein, wenn ich sie nicht benutzen kann. Schlimmstenfalls habe ich bewiesen, da? man Menschen auf die Dauer nicht in Quarantane halten kann. Ich habe dann einen Prazedenzfall geschaffen, der Karellen zwingen wird, irgend etwas zu unternehmen.
Dies, meine liebe Maja, ist alles, was ich Dir zu sagen habe. Ich wei?, Du wirst mich nicht sehr vermissen. Wir wollen ehrlich zugeben, da? wir nie sehr stark miteinander verbunden waren, und nachdem Du Rupert geheiratet hast, wirst Du in Deiner eigenen privaten Welt vollkommen glucklich sein. Wenigstens hoffe ich das.
Also leb wohl und viel Gluck! Ich freue mich darauf, Deinen Enkeln zu begegnen. Bitte sorge dafur, da? sie etwas von mir wissen.
Dein Dich liebender Bruder Jan.“
9
Als Jan es das erstemal sah, konnte er sich kaum vorstellen, da? er nicht den Rumpf eines kleinen Luftschiffes vor sich hatte, das zusammengefugt wurde. Das Metallgestell war zwanzig Meter lang, stromlinienformig und von einem leichten Gerust umgeben, auf dem die Arbeiter mit ihren Werkzeugmaschinen herumkletterten.
„Ja“, sagte Sullivan als Antwort auf Jans Frage, „wir wenden die ubliche aeronautische Technik an, und die meisten dieser Leute kommen aus der Flugzeugindustrie. Es ist kaum zu glauben, da? ein Ding dieser Gro?e lebendig sein konnte, nicht wahr? Oder da? es aus dem Wasser herausschnellen kann, wie ich es gesehen habe.“
Es war alles sehr fesselnd, aber Jan hatte andere Dinge im Kopf. Seine Augen schweiften uber den riesigen Rumpf, um einen geeigneten Platz fur seine kleine Zelle, den „Sarg mit Luftloch“, wie Sullivan sie getauft hatte, zu finden. In einem Punkt fuhlte er sich sofort beruhigt. Was den Platz anbetraf, so wurde hier Raum fur ein Dutzend blinder Passagiere sein.
„Das Skelett sieht fast fertig aus“, sagte Jan. „Wann werden Sie die Haut uberziehen? Ich vermute, Sie haben Ihren Wal schon gefangen, denn sonst wu?ten Sie nicht, wie gro? Sie den Rumpf machen mu?ten.“
Sullivan schien durch diese Bemerkung sehr belustigt zu sein.
„Wir haben nicht die geringste Absicht, einen Wal zu fangen.
Ubrigens haben Wale kein Haute im eigentlichen Sinn des Wortes. Es ware kaum moglich, eine Decke aus zwanzig Zentimeter dickem Speck uber dieses Gerust zu spannen. Nein, das ganze Ding wird mit Kunststoff belegt und dann sorgfaltig angemalt. Wenn es fertig ist, wird niemand den Unterschied sehen konnen.“
Dann, dachte Jan, ware es doch fur die Overlords das vernunftigste gewesen, Fotos aufzunehmen und das lebensgro?e Modell auf ihrem Heimatplaneten selbst herzustellen. Aber vielleicht kehrten ihre Versorgungsschiffe leer zuruck, und ein kleines Ding wie ein zwanzig Meter langer Pottwal wurde kaum bemerkt werden. Wenn man so viel Kraft und so viele Hilfsquellen besa?, konnte einem nicht an kleineren Ersparnissen liegen.
Professor Sullivan stand neben einer der gro?en Plastiken, die seit Entdeckung der Osterinsel fur die Archaologie ein so gro?es Ratsel gewesen waren. Wen sie nun auch darstellen mochte, ob Konig, ob Gott, ihre blinden Augen schienen seinem Blick zu folgen, wahrend er auf seine Arbeit schaute. Er war stolz auf sein Werk; es war bedauerlich, da? es bald fur immer dem menschlichen Betrachter entzogen wurde.
Dieses Gebilde hatte das Werk irgendeines wahnsinnigen Kunstlers im Rauschgiftdelirium sein konnen. Und doch war es eine sorgfaltige Kopie des Lebens: Hier war die Natur selbst die Kunstlerin. Dieses Schauspiel hatten bis zur Entwicklung des Unterwasserfernsehens nur wenige Menschen jemals gesehen, und selbst dann nur fur Sekunden bei den seltenen Gelegenheiten, wenn diese riesigen Gegner sich zur Oberflache hinaufarbeiteten. Diese Kampfe wurden in der endlosen Nacht der Ozeantiefen ausgefochten, wo die Pottwale ihre Beute erjagten, eine Beute, die sich heftig dagegen wehrte, lebend verschlungen zu werden.
Der lange, mit Sagezahnen besetzte Unterkiefer des Wals war weit geoffnet, bereit, die Beute zu packen. Der Kopf des Riesenpolypen war fast versteckt unter dem Netzwerk von wei?en, schwammigen Armen, mit denen er verzweifelt um sein Leben kampfte. Blauliche Saugmale mit einem Durchmesser von zwanzig Zentimetern oder mehr hatten die Haut des Wals uberall da, wo diese Arme sich angeklammert hatten, gefleckt. Ein Fangarm war schon verstummelt, und uber den endgultigen Ausgang des Kampfes konnte es keinen Zweifel geben. Wenn die beiden gro?ten Tie re der Erde miteinander kampften, war der Wal immer der Sieger. Trotz der ungeheuren Kraft der unzahligen Fangarme lag die einzige Hoffnung des Polypen darin, zu entkommen, bevor der geduldig mahlende Kiefer ihn in Stucke zersagt hatte. Seine gro?en, ausdruckslosen Augen, einen halben Meter voneinander entfernt, starrten seinen Vernichter an, obwohl hochstwahrscheinlich in der Finsternis der Tiefe kein Geschopf das andere sehen konnte.
Das ganze Ausstellungsstuck war uber drei?ig Meter lang und jetzt von einem Aluminiumkafig umgeben, an dem der Hebekran befestigt war. Alles war bereit, man wartete nur auf die Weisung der Overlords. Sullivan hoffte, da? sie schnell handeln wurden; der Aufschub begann unbehaglich zu werden.
Jemand war aus dem Buro in den hellen Sonnenschein hinausgetreten, offenbar um ihn zu suchen. Sullivan erkannte seinen Sekretar und ging ihm entgegen. „Nun, Bill, was ist los?“
